Nachricht schockte ganz Deutschland: Jetzt steht Frau wegen erfundener Vergewaltigung vor Gericht

  1. Startseite
  2. Bayern
  3. Regensburg & Oberpfalz

Kommentare

Die Frau behauptete, in der Nähe des Hauptbahnhofs vergewaltigt worden zu sein. Doch das war gelogen. © Stefan Aigner

Eine Vergewaltigung am helllichten Tag in Regensburg sorgte letztes Jahr für Angst und bundesweite Schlagzeilen. Doch die Geschichte war erfunden. Nun stand die Frau vor Gericht.

Regensburg - Mit 2,7 Promille landen viele auf der Intensivstation. Für die 29-jährige Natascha R. (Name geändert) war das Alltag. Ihr Alkoholismus brachte sie in Untersuchungshaft und schließlich vor das Amtsgericht Regensburg. Richter Daniel Killinger listet ihre Vorstrafen auf: Trunkenheit im Verkehr, Fahren ohne Führerschein, Ladendiebstahl – meist Lebensmittel und Alkohol.

Frei erfundene Vergewaltigung löste breite Debatte aus

2024 wurde Natascha R. obdachlos. Sie hielt sich oft am Regensburger Hauptbahnhof auf. Am 19. Januar desselben Jahres, stark alkoholisiert, erzählte sie der Polizei eine Geschichte, die bundesweit für Schlagzeilen sorgte, Ängste schürte und eine von rassistischen Ressentiments geprägte Debatte über die Sicherheit am Bahnhof auslöste.

Am helllichten Tag, so behauptete sie, hätten zwei Männer „mit arabischem Aussehen“ sie in der Fürst-Anselm-Allee in ein Gebüsch gezerrt und vergewaltigt. Die Polizei ermittelte intensiv, veröffentlichte einen Fahndungsaufruf. Kamerateams und Reporter strömten zum vermeintlichen Tatort. Hinweise führten kurzzeitig zu Ermittlungen gegen drei Verdächtige.

Wenige Monate später: Noch ein Vergewaltigungsvorwurf

Zwei Wochen später stellte sich heraus: Die Geschichte war erfunden. Nun ermittelte die Polizei gegen Natascha R. wegen falscher Verdächtigung. Doch es blieb nicht dabei.

Am 2. September, wenige Monate später, meldete sie sich erneut bei der Polizei. Ihr Exfreund und ein Unbekannter hätten sie am Vorabend mit einem schwarzen Auto entführt, zu einem Parkplatz gebracht und mehrfach vergewaltigt.

Auch hier ergaben die Ermittlungen Widersprüche. Zwar deutet ein Verfahren gegen einen möglichen Beteiligten auf ein Sexualdelikt hin, doch die Tat geschah nicht wie von Natascha R. geschildert. Bereits am nächsten Tag räumte sie ein, dass ihre Darstellung nicht stimmte. Seit Oktober sitzt sie in Untersuchungshaft, da sie zu diesem Zeitpunkt noch unter Bewährung stand.

Exzessiver Alkoholkonsum: Angeklagte kann sich kaum noch erinnern

Über ihren Anwalt Philipp Janson gesteht Natascha R. die Vorwürfe ein – zumindest objektiv. Warum sie die Anzeigen erstattete, kann sie selbst nicht erklären. Ihr exzessiver Alkoholkonsum habe ihre Erinnerungen stark getrübt.

„Sie übernachtete unter Brücken, auf Parkbänken oder bei flüchtigen Bekannten und trank, was sie finden konnte“, sagt Janson. Alkohol, keine Drogen. In diesem Zustand habe sich ihre Fantasie verselbstständigt. „Ein Brei“ aus Realität und Einbildung, so der Anwalt. Nach der Anzeige im Januar habe sie, aus Angst vor Konsequenzen wegen ihrer Bewährung, an der Geschichte festgehalten. „In der Hoffnung, dass niemand gefunden wird.“

Vielleicht ein Übergriff, aber ganz anders

Der zweite Vorwurf vom September bleibt Gegenstand der Ermittlungen. Videoaufnahmen und Chatverläufe deuten darauf hin, dass Natascha R. zunächst einvernehmlichen Geschlechtsverkehr mit einem oder zwei Männern hatte – in deren Wohnung. Ein Video auf ihrem Handy zeigt jedoch auch mögliche Übergriffe, während sie bewusstlos auf einem Bett liegt.

Zudem dokumentierten Ärzte Hämatome an ihrem Körper. Was genau geschah, weiß Natascha R. nicht mehr. Mit den Widersprüchen und dem Video konfrontiert, zeigte sie sich überrascht und unsicher, ob sie die Frau auf dem Video ist.

Eine Ehe geprägt von Gewalt und Alkohol

Einem psychiatrischen Gutachter schilderte sie ihre Lebensgeschichte. 2017 kam sie aus Russland nach Regensburg, ein Jahr nach dem Tod ihrer Mutter, die bei einem Hausbrand starb. Ihr Vater machte ihr Vorwürfe, sie begann zu trinken. Über eine Internet-Plattform lernte sie einen 30 Jahre älteren Regensburger kennen und heiratete ihn. Die Ehe war geprägt von Alkohol, Gewalt und Klinikaufenthalten mit bis zu vier Promille im Blut.

Nach dem Verlust ihres Führerscheins und einer Vorstrafe schaffte sie es, über ein Jahr trocken zu bleiben. Sie arbeitete als Pflegehelferin, bestand die MPU und erhielt ihren Führerschein zurück. Doch im Urlaub überredete ihr Mann sie zu einem Drink. Es folgten der Rückfall, die Scheidung, Arbeitslosigkeit und schließlich die Straße.

Gutachter empfiehlt Unterbringung in Entziehungsanstalt

Im Bahnhofsmilieu, ständig betrunken, war sie zunächst überzeugt, vergewaltigt worden zu sein, so der Gutachter. Hinweise auf eine dauerhafte psychische Beeinträchtigung oder Hirnschädigung fand er jedoch nicht.

In der Untersuchungshaft begann Natascha R. eine Therapie gegen ihre Alkoholsucht – 25 Stunden bisher. Der Gutachter sieht gute Chancen für eine erfolgreiche Behandlung in einer Entziehungsanstalt (§64 StGB). „Das ist meine einzige Chance, mein Leben in den Griff zu bekommen“, sagt sie.

Richter: „Ihre Aussage hat das Sicherheitsgefühl in der Stadt erheblich beeinträchtigt“

Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Killinger folgt dieser Einschätzung. Zwar erfülle Natascha R. den Tatbestand der falschen Verdächtigung, doch ihr Alkoholkonsum habe ihre Steuerungsfähigkeit erheblich eingeschränkt. Es gebe keine Hinweise, dass sie gezielt jemanden schädigen oder sich in den Mittelpunkt rücken wollte.

Verantworten muss sie sich dennoch für den hohen Ermittlungsaufwand, den ihre Vorwürfe auslösten – inklusive Öffentlichkeitsfahndung. „Ihre Aussage hat das Sicherheitsgefühl in der Stadt erheblich beeinträchtigt“, so der Richter.

Urteil: Zwei Jahre und vier Monate

Das Gericht verurteilt Natascha R. zu zwei Jahren und vier Monaten Haft, ordnet aber ihre Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Die Strafe umfasst auch ihre offene Bewährung.

In ihrem Schlusswort entschuldigt sie sich für die Folgen ihrer Behauptungen. Nach der Haft und einem hoffentlich erfolgreichen Entzug will sie Bayern verlassen und in einem anderen Bundesland neu anfangen.

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen und Leser,
wir bitten um Verständnis, dass es im Unterschied zu vielen anderen Artikeln auf unserem Portal unter diesem Artikel keine Kommentarfunktion gibt. Bei einzelnen Themen behält sich die Redaktion vor, die Kommentarmöglichkeiten einzuschränken.
Die Redaktion