Massive Zoll-Drohungen: Zerstört Donald Trump Taiwans Schutzschild gegen China?

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Donald Trump droht Taiwan mit Zöllen auf Halbleiter – um die Fertigung in die USA zu holen. Wie lange schützt die Chip-Industrie das Land noch vor einem China-Angriff?

„Zölle“ sei das „schönste Wort im Wörterbuch“, erklärte Donald Trump im Oktober. Mittlerweile hat der neue US-Präsident die Rangliste seiner Lieblingsbegriffe zwar ein wenig umgestellt – ganz vorne rangieren nun Gott, Liebe und Religion, erst auf Platz vier folgen die Zölle, wie Trump unlängst bei einer Veranstaltung in seinem Golfclub verriet. An seiner Obsession bezüglich der Steuern auf Einfuhren hat sich indes nichts geändert.

Am 1. Februar schon will Trump Zölle auf Importe aus Kanada, Mexiko und China erheben; im Abschiebestreit mit Kolumbien setzte Trump Zoll-Drohungen sogar als Waffe ein, um das südamerikanische Land zur Rücknahme aus den USA ausgewiesener Staatsbürger zu zwingen.

Auch Taiwan könnte schon bald den Zoll-Zorn zu spüren bekommen. „In naher Zukunft werden wir Zölle auf die ausländische Produktion von Computerchips, Halbleitern und Arzneimitteln erheben, um die Produktion dieser wichtigen Güter in die Vereinigten Staaten zurückzuholen“, sagte Trump am Montag vor republikanischen Abgeordneten des Repräsentantenhauses. Taiwan habe den USA ihre Chip-Industrie gestohlen, behauptete Trump und drohte mit Zöllen bis 100 Prozent.

Trump-Zölle auf Taiwan-Chips könnten Schutzschild des Landes zestören

Das Märchen vom Industrie-Klau hatte Trump an anderer Stelle schon häufiger erzählt – wahrer wird es dadurch nicht. Denn tatsächlich ist Taiwan vielmehr dank einer genialen Geschäftsidee zur Halbleiter-Supermacht aufgestiegen: Statt sich auf die Entwicklung von Computerchips zu konzentrieren, die noch heute vor allem in den USA stattfindet, fokussierten sich Unternehmen wie TSMC auf die hochkomplexe Fertigung der winzigen Bauteile. So wurde Taiwan in den letzten Jahren zum Weltmarktführer, der etwa 60 Prozent aller Halbleiter und 90 Prozent der besonders fortschrittlichen Chips herstellt.

Ein angeblicher Nebeneffekt dieser Dominanz: Weil Halbleiter heute in so ziemlich jedem technischen Gerät stecken, vom E-Auto bis zum Wasserkocher, ist die Weltwirtschaft auf die Versorgung mit taiwanischen Chips angewiesen. Das weiß auch China –Taiwans großer Nachbar, der sich das Land friedlich, notfalls aber auch mit Gewalt einverleiben will.

Die Theorie vom sogenannten „Halbleiter-Schutzschild“ besagt, dass China wohl kaum einen großangelegten Angriff auf Taiwan starten werde, weil ein Krieg um die Insel die Fertigung und den Export von Chips massiv stören würde. Die gesamte Weltwirtschaft würde in den Abgrund gerissen, auch China selbst wäre massiv betroffen. „Jeder Angriff auf Taiwan würde nicht nur Taiwans Sicherheit bedrohen, sondern auch die weltweite wirtschaftliche Stabilität gefährden. Das ist der Kern des Halbleiter-Schutzschildes“, schreibt Wu Jieh-min von der Academia Sinica in Taipeh.

Nach dieser Lesart würde eine Abwanderung von Teilen der taiwanischen Chip-Industrie in die USA, so wie es Donald Trump sich wünscht, den Schutzschild des Landes beschädigen. Und einen Angriff Chinas wahrscheinlicher machen.

Donald Trump bei einer Veranstaltung in Las Vegas
Donald Trump hat Taiwans Chip-Industrie ins Visier genommen. © Mandel Ngan/AFP

Für China ist die Angliederung Taiwans eine „historische Mission“

Die große Unbekannte in dieser Gleichung ist allerdings die chinesische Regierung. Die Angliederung Taiwans an die Volksrepublik ist für Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping eine „historische Mission“, für die er wohl auch gewaltige wirtschaftliche Kosten in Kauf nehmen würde. Zudem könnte China versuchen, sich Taiwan auch ohne einen direkten militärischen Angriff einzuverleiben, etwa durch eine Blockade oder eine Quarantäne der Insel. Schon jetzt führt China regelmäßig sogenannte Grauzonen-Aktivitäten durch, um das Land zu zermürben: Fast täglich schickt Peking Kriegsschiffe und Kampfjets in die Nähe des demokratisch regierten Inselstaats, zuletzt durchtrennte offenbar ein Schiff aus China ein wichtiges Unterseekabel vor der Küste des Landes.

Für Taiwan ist die Chip-Industrie nicht nur angebliche Sicherheitsgarantie, sondern vor allem ein Wirtschaftsfaktor. So trugen die Halbleiter-Exporte im Jahr 2022 fast ein Viertel zur taiwanischen Wirtschaftsleistung bei. Taiwan hat sich also – und das ist die Kehrseite der Erfolgsgeschichte – von seiner Chip-Industrie wirtschaftlich massiv abhängig gemacht. Auf Trumps Zoll-Drohung reagierte das Wirtschaftsministerium in Taipeh am Dienstag denn auch mit dem Hinweis, dass sich die Halbleiter-Industrien beider Ländern „in hohem Maße ergänzen“ und beide Länder von der Arbeitsteilung bei Entwicklung und Forschung „profitieren“ würden.

Ohnehin baut der taiwanische Weltmarktführer TSMC schon jetzt eigene Halbleiterwerke in den USA; im Bundesstaat Arizona investiert das Unternehmen die gigantische Summe von 65 Milliarden US-Dollar. Gefertigt werden sollen dort allerdings nicht die fortschrittlichsten Mikrochips – die weltweit leistungsfähigsten Halbleiter sollen auch in Zukunft „Made in Taiwan“ bleiben.

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