Mehr Piratenangriffe auf Handelsschiffe – möglichen Folgen für die deutsche Wirtschaft

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Wenn Piraten vor der Küste Somalias Schiffe angreifen, hat das auch in tausenden Kilometern Entfernung einen Effekt. Zumindest indirekt. Denn in Zeiten der Globalisierung hängt alles mit allem zusammen.

Hamburg – In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden weltweit 33 Handelsschiffe von Piraten angegriffen, warnte der Verband Deutscher Reeder (VDR) unter Verweis auf Daten der Internationalen Handelskammer vom Mittwoch (10. April). Damit waren es bereits 20 Prozent mehr Attacken als im Vorjahreszeitraum. Etwa 90 Prozent des Welthandels läuft über internationale Seewege – indirekt lassen die Piratenangriffe hierzulande die Preise steigen.

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Ein Angestellter arbeitet auf einem Schiff in somalischen Gewässern: Ein Stacheldraht soll Piraten vom Betreten abhalten. © IMAGO / ZUMA Wire/ Subrata Dey

VDR über Anstieg der Piratenangriffe: „Wir beobachten die Entwicklungen mit Sorge“

Im Januar, Februar und März wurden laut Reederverband vor allem Schiffe aus Indien von Piraten überfallen, gefolgt von Schiffen mit deutscher Beteiligung. „Wir beobachten diese Entwicklung mit Sorge“, erklärte VDR-Geschäftsführer Martin Kröger. Die Sicherheit der Schiffe und Seeleute müsse gewährleistet sein, so Kröger weiter. Nur so könne auch der reibungslose Ablauf des internationalen Handels sichergestellt werden. Die Gewässer von Bangladesch waren den Zahlen zufolge am gefährlichsten: Dort fanden sieben Überfälle statt, sechs bei Indonesien, jeweils fünf bei Somalia und der Straße von Singapur sowie vier bei Angola.

Neben der Piraterie fordere auch das schwierige geopolitische Umfeld im Roten Meer, in weiten Teilen des Schwarzen Meers und im Indo-Pazifik die Schifffahrt momentan heraus, erklärte Kröger weiter. Zwei somalische Gangmitglieder bestätigten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass sie von der Ablenkung durch die Angriffe der Huthi-Rebellen einige hundert Seemeilen weiter nördlich profitierten, um nach vergleichsweise ruhigen Jahren wieder in die Piraterie einzusteigen. Im Jahr 2011 war die Piraterie-Aktivität laut International Maritime Bureau mit 237 angegriffenen Schiffen bislang am höchsten.

Auswirkungen auf Schifffahrtsrouten: Umwege und erhöhte Fahrgeschwindigkeiten

Lange Umwege, ein Umstieg auf die Luftfahrt und reduzierte Handelsvolumen sind Folgen der Bedrohung durch Piraterie, so eine Analyse des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) aus dem Jahr 2022. Teils erhöhen Schiffe als Reaktion auch ihre Fahrtgeschwindigkeit, damit Piraten weniger leicht an Bord gelangen. Die Reedereien würden ihre Schiffe zudem „mit bewaffnetem Wachpersonal, Elektrozäunen, Stacheldraht, Wasserwerfern und anderen Verteidigungsmechanismen ausstatten“, hieß es weiter. Hinzu kämen höhere Versicherungsprämien, Lösegeldzahlungen und die Notwendigkeit erhöhter Militärpräsenz.

All das schlägt sich in höheren Transportkosten nieder. „Dies dürfte sich zumindest zum Teil auch in steigenden Verbraucherpreisen widerspiegeln“, so das IfW weiter. 60 Prozent der deutschen Exporte werden über internationale Seewege abgewickelt. „Die Freiheit und Sicherheit der Handelswege ist für die deutsche Wirtschaft wichtig. Steigende Übergriffe auf Schiffe gefährden letztlich auch den deutschen Wohlstand“, hieß es 2021 vom Auswärtigen Amt. Die Gesamtkosten durch Piraterie seien laut IfW schwer zu beziffern, lagen Schätzungen zufolge aber pro Jahr bei sieben bis 12 Milliarden US-Dollar (etwa 7,5 bis 12,9 Milliarden Euro).

Schlüssel im Kampf gegen Piraterie: Höhere Präsenz der Marine – und Armutsbekämpfung

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Ein bewaffnetes indisches Marinekommando steht hinter gefangengenommenen somalischen Piraten (Archivbild, Januar 2024). © Uncredited/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Wichtig für den Schutz sei vor allem die Deutsche Marine, die durch ihre Beteiligung an internationalen Operationen maßgeblich dazu beitrage, die Gefahr der Piraterie einzudämmen und die Sicherheit auf den Weltmeeren zu gewährleisten, betonte der Reederverband. Denn was Reedereien und Besatzungen selbst tun können, ist laut VDR begrenzt. Dabei gehe es neben der Sicherung der Schiffe durch Wasserwerfer oder Zäune an der Rehling unter anderem um die Beachtung von Warnhinweisen und die Anmeldung in Meldesystemen. Zuletzt hatte Indien seine Präsenz auf den Meeren der Region verstärkt.

Die erhöhte Marinepräsenz in den betroffenen Regionen vor der somalischen Küste sei ein richtiger Schritt gewesen, der zum Nachlassen der Piraterie seit ihrem Höhepunkt im Jahr 2011 beigetragen habe, bestätigte auch das IfW. „Piraterie auf See ist und bleibt damit ein Problem, welches von der internationalen Gemeinschaft ernst genommen werden muss“, so die IfW-Experten weiter und mahnten: „Langfristig kann jedoch nur eine Verbesserung der Lebensbedingungen in den betroffenen Ländern vermeiden, dass Menschen zu kriminellen Aktivitäten greifen müssen, um sich und ihre Familien zu ernähren.“

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