Was vor 200 Millionen Jahren als Meer begann, wird bald Prenzlaus Häuser heizen. Der ambitionierte Plan kostet Millionen – doch die Stadtwerke sind zuversichtlich.
Prenzlau – Ein beeindruckender 40 Meter hoher Bohrturm dominiert derzeit das Stadtbild am Thomas-Müntzer-Platz in Prenzlau. Dieser markante Anblick symbolisiert ein wegweisendes Geothermie-Projekt, das kurz vor seinem erfolgreichen Abschluss steht. Die brandenburgische Stadt setzt auf eine nachhaltige Energiewende durch die Nutzung von Erdwärme.
Den Stadtwerken Prenzlau ist ein bedeutender Erfolg gelungen: In 983 Metern Tiefe haben Bohrungen eine salzhaltige Sandsteinformation erreicht, die Wasser aus einem rund 200 Millionen Jahre alten Meer enthält. Dieses Thermalwasser-Vorkommen soll ab 2027 etwa 60 Prozent der städtischen Wärmeversorgung übernehmen.
Geothermie in Prenzlau: „Wir sind angekommen, wo wir hinwollen“
Harald Jahnke, Leiter der Stadtwerke Prenzlau, äußerte sich gegenüber dem Fachmagazin ZfK zufrieden: „Wir sind angekommen, wo wir hinwollen.“ Die Erdwärmenutzung hat in der Stadt eine besondere Geschichte, denn bereits in den 1980er-Jahren existierte während der DDR-Zeit eine entsprechende Anlage. Das damalige Projekt scheiterte jedoch an der Materialqualität – die verwendeten Rohre korrodierten aufgrund des hohen Salzgehalts, wie Jahnke vor Projektbeginn im Oktober dem Nordkurier erklärte.
Das aktuelle Projekt profitiert von technologischen Fortschritten. Mit korrosionsbeständigen Materialien ausgestattet, folgt die Anlage einem effizienten Prinzip: Stündlich werden 130 Kubikmeter Wasser mit einer Temperatur von 44 Grad aus der Tiefe gefördert. Über Wärmetauscher und leistungsstarke Wärmepumpen wird das Wasser auf 80 Grad erhitzt, bevor es ins städtische Fernwärmenetz eingespeist wird.
DDR-Bohrung führt abgekühltes Wasser in den Untergrund zurück
Interessanterweise erhält die historische Bohrung aus DDR-Zeiten eine neue Funktion – sie dient nun als Rückführung für das abgekühlte Wasser in den Untergrund. Für den Betrieb der Wärmepumpen sind zwei Windkraftanlagen der Stadtwerke vorgesehen, deren Genehmigung in Kürze erwartet wird. Das Gesamtprojekt erfordert Investitionen von 20,7 Millionen Euro. Eine substanzielle Unterstützung kommt vom Bund, der acht Millionen Euro über ein Förderprogramm für effiziente Wärmenetze beisteuert, berichtet focus.de.
Wieso ist das Wasser in der Tiefe wärmer?
Das Erdinnere hat eine Temperatur von mehreren tausend Grad Celsius. Das bedeutet: Je tiefer man in die Erde bohrt, desto wärmer wird es dort. Für Deutschland gilt, dass es im Erdboden pro 100 Meter Tiefe im Mittel um drei Grad wärmer wird, schreibt der Bundesverband Geothermie auf seiner Website.
Die Energieversorgung in Prenzlau steht vor einem grundlegenden Wandel: Aktuell basiert die Fernwärme noch zu 82 Prozent auf Erdgas. Nach der geplanten Inbetriebnahme der Geothermie-Anlage im Jahr 2027 soll die Erdwärme etwa 60 Prozent abdecken, zusätzlich werden etwa 20 Prozent des Wärmebedarfs durch Abwärme einer Biogasanlage gedeckt. Die Stadtplanung sieht für 2030 eine vollständig regenerative Wärmeversorgung vor, bei der auch Speichersysteme eine wichtige Rolle spielen werden.
Viele Anwohner wollen angeschlossen werden
Besonders bemerkenswert ist die positive Resonanz in der Bevölkerung in Prenzlau. Obwohl keine Anschlusspflicht besteht, wird mit einem Anstieg der angeschlossenen Gebäude von 3700 auf 5500 gerechnet – mehr als die Hälfte aller Häuser in Prenzlau. „Die Leute kommen freiwillig“, berichtet Jahnke. Für Dezember ist ein Testbetrieb geplant, der Aufschluss über die tatsächlich erschließbare Wärmemenge geben wird. Die Ergebnisse werden zeigen, ob das ambitionierte Ziel einer weitgehend geothermischen Wärmeversorgung für Prenzlau realistisch ist. (Quellen: ZfK, focus.de, Bundesverband Geothermie) (tab)