Mit DDR-Bohrung zapft Prenzlau jetzt 200 Millionen Jahre altes „Urmeer“ an

Mitten in der Stadt Prenzlau steht seit einigen Wochen ein 40 Meter hoher Bohrturm. Vor wenigen Tagen erreichte der Bohrkopf in exakt 93 Metern Tiefe die salzhaltige Sandsteinschicht eines vor 200 Millionen Jahren entstandenen „Urmeers“. Das 44 Grad warme Wasser soll künftig gepumpt, über Wärmepumpen auf 80 Grad aufgeheizt und ins Fernwärmenetz eingespeist werden. Ab 2027 soll diese Erdwärme rund zwei Drittel des Fernwärmebedarfs in Prenzlau decken.

„Wir sind angekommen, wo wir hinwollen“, sagt Harald Jahnke, Geschäftsführer der Stadtwerke Prenzlau, dem Branchenmedium ZfK“. 

Prenzlau startet neues Geothermie-Projekt mit DDR-Bohrung

Geothermie ist in Prenzlau kein Neuland. Bereits in den 1980er-Jahren gab es hier eine Anlage, die jedoch wegen technischer Probleme wieder aufgegeben wurde. „Die Leitungen waren nicht für den hohen Salzgehalt geeignet, weswegen sie durchrosteten“, sagte Jahnke dem Nordkurier vor dem Startschuss des Projekts im Oktober. „Das passiert mit modernen Rohren und Werkstoffen aber nicht mehr.“ 

„Heute machen wir eigentlich das Gleiche wie damals – nur mit weitaus besseren Materialien“, erklärt Jahnke. Eine alte DDR-Bohrung diene nun als Rückleitung für das abgekühlte Wasser.

Das Prinzip ist einfach: 

  1. 44 Grad warmes Wasser wird mit 130 Kubikmetern pro Stunde gefördert.
  2. Über Wärmetauscher und große Wärmepumpen wird es auf 80 Grad gebracht.
  3. Anschließend wird das Wasser ins Fernwärmenetz eingespeist.
  4. Das abgekühlte Wasser (ca. 15 Grad) fließt zurück in die Tiefe. 
     

Der Strom für die Wärmepumpen soll aus zwei neuen Windparks der Stadtwerke kommen, die kurz vor der Genehmigung stehen. Das Gesamtprojekt am Thomas-Müntzer-Platz kostet 20,7 Millionen Euro. Acht Millionen Euro wurden durch eine Bundesförderung für effiziente Wärmenetze bezuschusst.

Potenzial, Vor- und Nachteile

Das Potenzial für Geothermie variiert stark, je nach geologischen Bedingungen. Hohes Potenzial in Deutschland besteht in Regionen mit heißen Aquiferen (Wasserlagerstätten), wie etwa dem Oberrheingraben, dem Norddeutschen Becken und dem Bayrischen Molassebecken. Eine bundesweite Ampelkarte markiert „grüne“ Zonen mit uneingeschränktem Potenzial für Erdwärmesonden, „gelbe“ Zonen haben Einschränkungen, „rote“ sind ungeeignet. In München entsteht gerade die größte Geothermieanlage in Kontinentaleuropa.

Erdwärme ist nahezu unbegrenzt verfügbar, verursacht kaum CO2-Emissionen bei der Nutzung und reduziert die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Dazu kann sie wetterunabhängig eingesetzt werden. Tiefbohrungen sind jedoch teuer und risikoreich: Im Vorfeld weiß man nie, ob man genügend heißes Wasser findet.

100 Prozent regenerative Energie bis 2030

Bisher wird das Prenzlauer Fernwärmenetz zu 82 Prozent mit Erdgas gespeist. Das Verhältnis soll sich künftig auf rund 60 Prozent Geothermie und 20 Prozent Abwärme aus einer Biogasanlage umlagern. Bis 2030 soll mit der Nutzung von Wärmespeichern eine Wärmeversorgung aus 100 Prozent regenerativer Energie entstehen.

„Die Leute kommen freiwillig“

Trotz des Erfolgs bleibt ein Wermutstropfen: die Genehmigungsverfahren. „Die Behörden waren schlicht überfordert“, sagt Jahnke. Genehmigungen kamen oft erst in letzter Minute, einmal mussten die Stadtwerke Material für fünf Millionen Euro auf eigenes Risiko bestellen.

Anders als in manchen anderen Städten gibt es in Prenzlau keinen Fernwärme-Anschlusszwang. Dennoch sollen künftig statt 3700 rund 5500 Gebäude ans Netz – mehr als die Hälfte aller Gebäude der Stadt. „Die Leute kommen freiwillig“, berichtet Jahnke.

Ein Testlauf im Dezember wird nun zeigen, wie viel Wärme tatsächlich gefördert werden kann.