Die Welt zerfällt in Blöcke - und Deutschlands Autoindustrie steht am Scheideweg

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Die deutsche Autoindustrie steht vor Umwälzungen: Protektionismus in den USA und China zwingt die Hersteller VW, BMW und Mercedes-Benz zu einem Umdenken.

Peking/Washington - Die verhärteten Fronten zwischen den USA und China haben Deutschlands Autoindustrie in eine schwierige Lage manövriert. Nach Jahrzehnten der Globalisierung, in denen im Pkw-Bereich offene Märkte und günstige Produktionsbedingungen den Erfolg von VW, BMW und Mercedes-Benz beflügelten, steht die Branche an der Schwelle zu einer neuen Ära.

China und die USA stellen Deutschlands Autoindustrie vor Probleme

Die Welt zerfällt zunehmend in zwei Blöcke – und Europa steht dazwischen. Die wirtschaftlichen Spannungen setzen besonders deutsche Hersteller unter Druck, denn beide Regionen bilden zwei der wichtigsten Absatzmärkte. Politische und wirtschaftliche Entwicklungen erschweren es, in beiden Regionen einheitliche Modelle zu verkaufen. Stattdessen führen protektionistische Maßnahmen und Vorschriften in den USA und China dazu, dass die Planungssicherheit schwindet und die Komplexität in der Entwicklung und Produktion steigt.

Wie kam es dazu? China hat sukzessive wirtschaftliche und technologische Standards verändert. Vor allem im Bereich der Datenverarbeitung wurden strengere Vorschriften eingeführt, die es ausländischen Unternehmen erschweren, in der Volksrepublik Fuß zu fassen.

Klassiker der Automobilkultur und Symbol des deutschen Wirtschaftswunders: VW Bulli auf einer Automesse in Asien
Klassiker der Automobilkultur und Symbol des deutschen Wirtschaftswunders: VW Bulli auf einer Automesse in Asien. © ZUMA Press Wire/Imago

Westliche Internetdienste wie Google sind in chinesischen Fahrzeugen nicht zugelassen, was eine einheitliche Fahrzeugentwicklung für den globalen Markt praktisch unmöglich macht. In den USA verfolgt die Regierung unter Präsident Joe Biden eine ähnliche Richtung, zum Schutz der amerikanischen Industrie.

Die Einfuhr von Fahrzeugen, die chinesische IT-Bauteile verwenden, soll weitestgehend unterbunden werden. Zudem plant auch Europa, Strafzölle auf chinesische Importe zu verhängen, inklusive der möglichen Folgen für deutsche Hersteller und hiesige Verbraucher.

Deutsche Hersteller und die Blockbildung: VW-Beispiel zeigt Zeitenwende

Der VW Tiguan, seit Jahren mit einer einheitlichen Plattform und Technologie weltweit ein Bestseller, lässt sich als Beispiel für eine aussterbende Modellgattung heranziehen: Was als Symbol der Globalisierung angesehen werden kann, ist bei den derzeitigen geopolitischen Spannungen kaum möglich. Deutsche Hersteller profitierten lange von den offenen Märkten, müssen nun aber auf eine Abkehr der Globalisierung reagieren.

BMW, VW und Mercedes-Benz haben sowohl in China als auch in den USA lokale Produktionsstätten und ein Netz von Zulieferern aufgebaut. Doch die Infrastrukturen stoßen an ihre Grenzen, wenn der Warenverkehr zwischen den beiden Großmächten aufgrund von Blockbildung zum Erliegen kommt: Künftig werden dann für jede Region spezifische Modelle entwickelt, um den unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden.

Wie die Welt schildert, hat Volkswagen für diese Entwicklung unlängst die Weichen gestellt: Der Plan von VW, mit Cariad eine einheitliche Softwareplattform zu entwickeln, ist gescheitert. Der Konzern stattdessen Technologie aus den USA von Rivian ein und für China von XPeng und Horizon Robotics. Dies führt bereits zu einer „Zwei-Welten-Strategie“, bei der für jeden Markt spezifische technologische Lösungen gefunden werden. Diese Trennung der Ökosysteme vergrößert zwar den technologischen Horizont, doch auch die Produktionskosten steigen damit.

Die Autoindustrie und der Absatzschwund in China - „erleben jetzt die Gegentendenz“

Ein besonders drängendes Problem für die deutsche Autoindustrie ist die wachsende Dominanz chinesischer Automarken auf dem heimischen Markt: In den vergangenen fünf Jahren ist deren Marktanteil in der Volksrepublik von 30 auf 66 Prozent gestiegen, führt die Zeitung aus.

Während europäische und amerikanische Marken lange Zeit beim Absatz den Ton angaben, haben chinesische Hersteller ihre Position deutlich verbessert. Deutsche Premiummarken, die vorzugsweise von hohen Margen profitieren, sehen sich in einem Preiskampf gefangen: VW, BMW und Mercedes-Benz kämpfen darum, ihre Gewinne in einem Markt zu halten, der sich zunehmend auf heimische Hersteller konzentriert.

BMW bei einer Zeremonie im chinesischen Shenyang: China wartet das Ende der EU-Ermittlungen und mögliche Strafzölle ab, ehe Gegenmaßnahmen folgen
BMW bei einer Zeremonie im chinesischen Shenyang: Der Münchner Autobauer importiert einen großen Teil seiner Fahrzeuge aus den USA. © Xinhua/Imago

„Nach vielen Jahren des Wachstums durch offene Märkte erleben wir jetzt die Gegentendenz“, benennt Stefan Bratzel, Leiter des „Center of Automotive Management“ in Bergisch Gladbach, das Problem.

Deutsche Hersteller in China: BMW verfrachtet Modelle aus den USA

Der Automobilexperte sieht in der aktuellen Situation jedoch auch Chancen: Bratzel plädiert für eine Regulierung, die dafür sorgt, dass sich chinesische Hersteller in Europa ansiedeln und hier Arbeitsplätze schaffen. Das ist umgekehrt schließlich auch in den USA und China der Fall: Deutsche Anbieter im Reich der Mitte verkauften 2023 rund 4,6 Millionen Neuwagen, bei fünf Prozent handelte es sich um in Deutschland montierte Modelle.

Dabei scheint BMW von dem Handelskonflikt zwischen den USA und China auf besondere Weise betroffen: Laut dem Bericht bedienen die Münchner von ihrem Werk in Spartanburg (South Carolina) massiv den chinesischen Markt für Asien. Kein Wunder also, dass in der Chefetage Strafzölle in der EU oder auch durch China kritisch gesehen werden.

Die von der EU geplanten Strafzölle auf chinesische Elektroautos sollen indes den Standort Europa stärken und gleichzeitig den hiesigen Markt vor der Konkurrenz schützen.

Deutsche Autoindustrie kann „Komplexität der Transformation beherrschen“

Die Transformation der deutschen Autoindustrie ist unumgänglich, doch sehen manche Experten auch eine positive Seite: „Ein großer Vorteil ist, dass deutsche Hersteller in allen wichtigen Märkten präsent sind und sich diesen Märkten bereits angepasst haben“, wird Manuel Kallweit vom Verband der Automobilindustrie (VDA) in der Welt zitiert.

Die deutschen Hersteller hätten die Fähigkeit, bei dem Rückgang der Globalisierung die „Komplexität zu beherrschen“. Die hiesige Autoindustrie steht also vor einem Scheideweg, während die Anpassungsfähigkeit ein Schlüssel zum Erfolg ist. (PF)

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