Juso-Chef von Sondierungen „schlichtweg erschüttert“ – er spricht auch von Merz‘ „peinlichen Fehler“

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Von den SPD-Jusos gibt es scharfe Kritik an den bisherigen Sondierungen mit der Union und CDU-Chef Merz. Können die Koalitionsverhandlungen es richten?

Berlin – Der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer hat sich kritisch zu den umstrittenen Ergebnissen der Sondierungen zwischen SPD und Union geäußert. Nach den abgeschlossenen Sondierungsgesprächen stehen jetzt die Koalitionsverhandlungen an. Der Juso-Chef drohte jedoch mit der Ablehnung des Koalitionsvertrages, falls seine Partei keine wesentlichen Verbesserungen in den Verhandlungen erzielen könne.

In den Bereichen Arbeit, Soziales und Migration gebe es Aspekte, „die ich aus tiefster Überzeugung ablehnen muss“, erklärte Türmer am Dienstag dem Stern. „Ich könnte einem Koalitionsvertrag mit diesem Inhalt so nicht zustimmen.“ Besonders die Ergebnisse im Bereich Asyl und Migration hätten ihn „schlichtweg erschüttert“. Er kritisierte, „massive Abschiebungen unter anderem nach Syrien, wo nach aktuellen Berichten gerade 300 alawitische Zivilisten ermordet wurden, das verletzt ganz klar menschenrechtliche Mindeststandards.“

Scharfer Migrationskurs im Sondierungspapier nach Gesprächen zwischen SPD und Union

Die Union hatte im Wahlkampf eine Verschärfung der Migrationspolitik und eine Reduzierung der Zuzugszahlen angekündigt. Im Sondierungspapier, das am Samstag veröffentlicht wurde und als Grundlage für die Koalitionsverhandlungen dienen soll, einigten sich Union und SPD darauf, dass eine „Begrenzung“ der Einwanderung im Aufenthaltsgesetz festgeschrieben werden soll.

Ein Streit über die Interpretation der gemeinsamen Sondierungsvereinbarungen zur Migrationspolitik ist zwischen den Verhandlern entbrannt, insbesondere bei der Zurückweisung an den Grenzen. Der Passus im Sondierungspapier von Union und SPD, der besagt, dass Zurückweisungen künftig „in Abstimmung“ mit den europäischen Nachbarländern erfolgen könnten, sei laut Türmer „weder humanitär noch aus europäischer Perspektive akzeptabel“.

Juso-Chef: Könnte Koalitionsvertrag so nicht zustimmen
Juso-Chef Philipp Türmer hat große Kritik am bisherigen Sondierungsergebnis zwischen Union und SPD. Nach aktuellem Stand wolle er einer möglichen Koalition nicht zustimmen. © Michael Kappeler/dpa

Entzug der Staatsbürgerschaft auf dem Tisch nach Sondierungen – Juso-Chef „fassungslos“

Die Überlegung, Doppelstaatlern unter bestimmten Bedingungen die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, mache ihn „fassungslos“. Türmer betonte, dass damit „ein verfassungswidriger Weg beschrieben und eine rote Linie überschritten“ werde. „Das ist ein absoluter Dealbreaker, der für uns nicht tragbar sein darf.“

Auch in den Bereichen Arbeit und Soziales müsse die SPD-Führung nachbessern. „Noch ist es zwar ein Sondierungs- und kein Koalitionspapier, aber viele sozialdemokratische Ideale scheinen meinem Empfinden nach gerade ordentlich zu wackeln.“

Mit Blick auf das Veto der Grünen gegen CDU-Chef Friedrich Merz‘ Finanzpaket für Riesen-Investitionen sagte der Juso-Chef: „Dass Merz die ganze Zeit so getan hat als wenn die Grünen schon an Bord wären, war natürlich ein peinlicher Fehler.“ Die Grünen würden nun „ein paar berechtigte Punkte“ haben. Merz müsse sich damit „ernsthaft auseinandersetzen“ muss.

SPD-Mitglieder dürfen noch über Koalition mit der Union nach Verhandlungen abstimmen

Angesichts der Streitfragen forderte Türmer harte Verhandlungen ohne den Zwang, sich einigen zu müssen. „In diesem Sondierungspapier stehen viele Punkte, die für eine sozialdemokratische Partei nicht vertretbar sind“, argumentierte er. Insgesamt müsse das gesamte Paket verbessert werden, sonst werde es mit der Unterstützung der Jusos „sehr schwierig“.

SPD-Parteichef Lars Klingbeil hatte bereits angekündigt, dass die SPD-Mitglieder nach erfolgreichen Koalitionsverhandlungen über die Beteiligung an einer schwarz-roten Koalition noch abstimmen werden. Vor allem aus dem linken Lager der SPD gab es ebenfalls große Kritik am Sondierungspapier. Die SPD-Linken forderten ähnlich wie Türmer eine Verbesserung der Position während den Koalitionsverhandlungen mit CDU-Chef Friedrich Merz. Entschieden ist eine Koalition aus SPD und Union noch lange nicht. (afp/sischr)

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