ARD-Filmtipp: Günther Maria Halmer in Rainer Kaufmanns großartigem Film „Trapps Sommer“

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Charmantes Duo: Günther Maria Halmer und Senita Huskic harmonieren perfekt. Er spielt den knorrigen alten Professor, sie seine Pflegekraft. Den Akzent, den sie spricht, hat sie sich mühsam draufgeschafft. Mit der Hilfe ihres Papas. © Hardy Spitz/ARD

Günther Maria Halmer brilliert im Residenztheater in Franz Xaver Kroetz’ „Brandner Kaspar“. Nun spielt er in Rainer Kaufmanns ARD-Film „Trapps Sommer“. Ein Interview.

An diesem zauberhaften Film ist nur der Sendetermin ärgerlich: Warum, fragt man sich, läuft Rainer Kaufmanns „Trapps Sommer“ im August, während der Sommerferien? Man hätte dieser gelungenen Tragikomödie einen prominenteren Sendeplatz gewünscht. Am 8. August 2025 um 20.15 Uhr statt Biergarten also lieber „Trapps Sommer“. Oder in der ARD Mediathek nachschauen. Günther Maria Halmer (82) gibt darin einen knorrigen ehemaligen Professor, der sich eingestehen muss, dass er daheim nicht mehr so ganz ohne fremde Hilfe auskommt. Er stellt die Pflegekraft Sofia (eine Entdeckung: Senita Huskic) an – aber bitteschön nur zum Ordnungmachen. Alles andere könne er schließlich allein. Einmal mehr gelingt es Kaufmann, der zuletzt etwa mit dem Kammerspiel „Weißt du noch“ mit Halmer und Senta Berger in den Hauptrollen begeisterte, über den Anbruch der letzten Phase des Lebens voller Wahrhaftigkeit zu erzählen. Wir sprachen mit seinem Hauptdarsteller, der zeigt, dass man auch mit über 80 mitten im Leben stehen kann. Gerade feiert er etwa in Franz Xaver Kroetz’ Neufassung des „Brandner Kaspar“ am Münchner Residenztheater große Erfolge. Ein Gespräch über Altern, Bereuen – und den fehlenden Mut im Fernsehen.

Im Film heißt es: „Ich werde bald 80. Ich hab geglaubt, in dem Alter kann mich nichts mehr aus der Ruhe bringen.“ Sie sind 82: Sind Sie gelassener geworden?

Ja, natürlich. Man ist nicht mehr so ehrgeizig. Man weiß, man hat eigentlich alles erledigt. Theater spiele ich jetzt beispielsweise wieder – aus reiner Freude.

Die Hauptrolle in den „Gschichtn vom Brandner Kaspar“ im Resi. Ich hab‘s gesehen: Bezaubernd!

Das ist schön, dass Sie das sagen. Man ist sehr froh, wenn die Premiere gut gelaufen ist und die Leute auch in den Vorstellungen danach noch happy sind. Beim Film hört man ja gar kein Feedback, außer ab und zu bei Premieren oder Interviews. Beim Theater aber bekommst du die Rückmeldung bei jeder Vorstellung. Das ist ganz erfreulich.

Bei der Vorstellung, die ich besucht habe, war Premierenstimmung. Die Leute sind ausgeflippt.

Ja, das tun sie immer, bei jeder Vorstellung. Da ist das ganze Theater glücklich, vom Beleuchter bis zum Techniker, weil ja alle an dem Theater hängen. Und ich freue mich außerdem, dass den Boanlkramer mit Florian von Manteuffel ㈠jemand spielt, den ich schon als Baby kannte. (Kroetz schreibt den „Boanlkramer“ ohne „d“.)

Wirklich?

Ja, weil ich mit seinem Vater auf der Otto-Falckenberg-Schule war. Felix von Manteuffel und ich haben in den Kammerspielen zusammen auf der Bühne gestanden. Und jetzt spiele ich mit seinem Sohn. Das ist schön, das freut mich sehr. Er ist dem Papa unheimlich ähnlich. Wenn ich so mit ihm spiele, habe ich das Gefühl, das ist der Felix. Ich habe wirklich einen gleichen Spaß wie damals mit seinem Vater.

Wie ist das, sich in Ihrem Alter mit der eigenen Endlichkeit auf der Bühne auseinanderzusetzen?

Natürlich weiß man, dass die letzten Jahre kommen. Im Stück sag’ ich zum Boanlkramer: „Ich mag nimmer leben, aber das heißt noch lange nicht, dass ich sterben will.“ Das ist das Dilemma, was er sehr gut beschrieben hat, der Kroetz.

Sie wirken auf mich nicht wie jemand, der diesen Satz sagen würde.

Nein, das stimmt. Ich bin dankbar, dass ich noch fit bin, dass ich mir den Text merken kann. Aber ich weiß auch, dass das Damoklesschwert immer über mir hängt.

Wie über uns allen.

Aber das Pferdehaar, an dem es hängt, ist mit über 80 wirklich schon sehr dünn geworden. Angesichts dieses Wissens genießt man vielleicht einfach mehr, man hat seine Arbeit gemacht, man schaut weit zurück. Und ich habe den Eindruck, dass man irgendwie als alter Mensch mehr gemocht wird als als jüngerer. Die Leute wundern sich und sagen: „Der kann immer noch da auf der Bühne stehen.“ Wenn ich 60 wäre, würde das nicht honoriert werden. Man kriegt auch ein bisschen einen Bonus durchs Alter.

Theaterglück: Im „Brandner Kaspar“ in der Fassung von Franz Xaver Kroetz spielt Halmer die Hauptrolle. An seiner Seite als Boanlkramer: Florian von Manteuffel. Mit dessen Vater hat Halmer schon während seiner Zeit an der Schauspielschule auf der Bühne gestanden.
Theaterglück: Im „Brandner Kaspar“ in der Fassung von Franz Xaver Kroetz spielt Halmer die Hauptrolle. An seiner Seite als Boanlkramer: Florian von Manteuffel. Mit dessen Vater hat Halmer schon während seiner Zeit an der Schauspielschule auf der Bühne gestanden. © Sandra Then

Im Film geht es darum, die letzten Jahre dazu zu nutzen, mit sich und der Welt ins Reine zu kommen. Glauben Sie, dass es sich immer lohnt, alte Konflikte noch mal anzugehen?

Ich habe eigentlich nie viele Streitigkeiten in meinem Leben gehabt, aber mit Helmut Dietl schon. Als ich gehört habe, dass er stirbt, habe ich ihm geschrieben. Er hat sofort geantwortet, wir haben uns dann getroffen. Und haben uns wieder, wenn man so will, versöhnt. Haben uns unsere alten Geschichten erzählt, sind wieder junge Burschen geworden. Also, das war gut so und ich bin da im Frieden mit dem Helmut. Und er mit mir glaube ich auch. Ansonsten kann ich mich nicht erinnern, dass ich etwas zu bedauern oder zu lösen habe.

Ihr Verhältnis zu Ihrem Vater war zeitlebens schwierig. Konnten Sie auch mit ihm versöhnlich auseinander gehen?

Ja, ich habe ihm eigentlich verziehen. Er war natürlich furchtbar streng und als ich geboren wurde, wusste er quasi schon, dass ich einen zweifachen Doktor machen muss. Wir beide waren uns völlig fremd. Er war Jurist und hat sich dann einen Juristen als Sohn vorgestellt. Ich war Schauspieler und mein Leben hat er überhaupt nicht begriffen. Aber ist okay, ich bin mit ihm in Frieden auseinandergegangen. Als er gestorben ist, war ich da. Wenn man so ein reifer Mensch geworden ist, wie ich, dann sieht man vieles anders. Dann weiß man, dass viele gar nichts dafür können, wie sie sind. Sie mussten aufgrund ihrer Erziehung und ihrer Erfahrungen so werden. Das ist das Schöne im Alter: Man kann leichter verzeihen.

Gerade deshalb ist es schade, dass es im Fernsehen selten Filme wie „Trapps Sommer“ gibt, in denen gezeigt wird, welche positiven Seiten das Alter hat.

Das ist sehr wahr. Deshalb kann ich nicht verstehen, warum sie mit der Ausstrahlung so lange gewartet haben: Das ist natürlich nicht die beste Zeit im August. Da schauen nun wirklich die wenigsten Leute fern. Vielleicht haben sich die Verantwortlichen des Senders nicht getraut, denn das Fernsehen ist ja sehr misstrauisch dem Alter gegenüber. Ich merke das, wenn mir Drehbücher geschickt werden. Jetzt wieder für eine Serie – da wurde bei der Rolle, die ich spielen sollte, das Alter von 63 angegeben. Ich nehme an, weil die Autoren nie wagen würden zu schreiben „80 Jahre“.

Kult: Günther Maria Halmer mit Therese Giehse 1974 in Helmut Dietls „Münchner Geschichten“.
Kult: Günther Maria Halmer mit Therese Giehse 1974 in Helmut Dietls „Münchner Geschichten“. © Archiv

Woher kommt diese Angst vor dem Alter?

Ich weiß es nicht. Doch zu den alten Menschen fällt den Autoren eigentlich nur ein, dass einer gebrechlich ist oder dement. Deswegen freut man sich auch, wenn es solche Filme wie „Weißt du noch“ oder „Trapps Sommer“ gibt: dass man eine angemessene Rolle bekommt und nicht von Anfang an der Depp ist. Aber mir scheint, entweder will das der Sender nicht oder die Fantasie der Drehbuchautoren ist so begrenzt. Wenn ich daran denke, dass die mächtigsten Männer der Welt Ende 70, Anfang 80 sind. Der Joe Biden ist älter als ich, der Donald Trump ist 79, dann gibt es den Rupert Murdoch, der mit 94 die ganze Weltpresse unter sich hat: Das ist die Realität.

Und auch das Publikum erkennt sich ja nicht nur in gebrechlichen Menschen wieder.

Genau. Ich will nicht jammern, denn ich kriege ja Rollen. Doch ich bekomme mehrheitlich Drehbücher, bei denen ich nach dem Lesen sagen muss: Den Schmarrn spiele ich nicht. So etwas hätte ich angenommen, als ich zwei junge Kinder hatte und die Miete zahlen musste – da macht man das, weil man muss. Auch das ist ein Vorteil des Alters, wissen Sie, da kann man mit lockerer Hand sagen: Nein, lehne ich ab, mache ich nicht mehr. Ganz schön, oder? (Lacht.)

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