Spionage für die Türkei: Generalbundesanwalt erhebt Anklage
Die Generalbundesanwaltschaft hat Anklage wegen Spionage für den türkischen Geheimdienst MIT erhoben. Ein Mann soll Anhänger der Gülen-Bewegung bespitzelt haben.
Düren - Zehntausende Menschen sind nach dem Putschversuch 2016 in der Türkei nach Deutschland geflüchtet. Vor allem Anhänger der sogenannten Gülen-Bewegung sowie Kurden mussten fliehen, da sie wegen angeblicher Terrordelikte in ihrer Heimat angeklagt waren und ihnen jahrelang Haft und Folter drohte. Doch auch in ihrer neuen Heimat spüren diese Menschen den langen Arm von Präsident Recep Tayyip Erdogan. Vor allem türkische Nationalisten und Anhänger von Erdogan haben immer wieder die Daten von Gülenisten und kurdischen Aktivisten an den türkischen Geheimdienst weitergeleitet.
Tätigkeit für türkischen Geheimdienst: Anklage gegen Mann in Düsseldorf
Jetzt hat der Generalbundesanwalt Anklage gegen einen dieser vermeintlichen Spitzel erhoben. „Die Bundesanwaltschaft hat am 14. November 2024 vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf Anklage gegen den türkischen Staatsangehörigen Mehmet K. erhoben“, heißt es in einer aktuellen Mitteilung der Behörde. Der Mann wird verdächtigt, für einen ausländischen Geheimdienst tätig gewesen zu sein.
„Mehmet K. wandte sich zwischen September 2018 und August 2021 mehrmals mit anonymen Schreiben über die türkische Polizei an den türkischen Geheimdienst. Darin übermittelte er Kontaktdaten und weitere Informationen zu Personen aus seinem Umfeld im Raum Düren (Nordrhein-Westfalen), die er der Bewegung des islamischen Predigers Gülen zuordnete“. Mehmet K. befinde sich derzeit jedoch auf freiem Fuß.

Spionage für türkischen Geheimdienst: „Angriff auf ihre Grundrechte“
Die Stiftung Dialog und Bildung (SDuB), das als Vertretung der Gülen-Bewegung (Hizmet-Bewegung) agiert, zeigt sich empört. „Die mutmaßliche Spionage gegen Menschen, die hier in Deutschland Zuflucht und Sicherheit suchen, ist ein Angriff auf ihre Grundrechte, auf unsere demokratischen Werte und die Rechtsstaatlichkeit, die unsere Gesellschaft auszeichnen. Wir erleben seit Jahren, wie Engagierte der Hizmet-Bewegung Zielscheibe von Diffamierungen, Überwachungen und sogar Bedrohungen werden – nicht nur in der Türkei, sondern weltweit“, sagt die Geschäftsführerin der SDuB, Hilal Akdeniz, im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.
Es dürfe nicht sein, dass die Türkei und ihr Geheimdienst MIT andere Länder wie einen persönlichen Hinterhof missbraucht. „Es ist offensichtlich, dass der türkische Geheimdienst auch hierzulande versucht, mit illegalen Methoden Druck auf KritikerInnen und Andersdenkende auszuüben“, sagt Akdeniz.
Kemal Karanfil, ein ehemaliger Richter am obersten Berufungsgericht in der Türkei (Yargitay), wundert es nicht, dass die Anhänger des türkischen Präsidenten in Deutschland und global Regimegegner weiterhin bespitzeln. „Auch nach über acht Jahren nach dem Putschversuch ist der Hass von Erdogan und seinen Partnern, den Ultranationalisten, gegen die Gülen-Bewegung noch immer nicht erschöpft ist. Noch immer laufen in der Türkei fast jeden Tag gegen 50 bis 100 Personen Razzien“, erzählt der Richter a.D. im Gespräch mit unserer Redaktion.
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Gewalt durch türkischen Geheimdienst: Exiljournalist wird vor Augen seiner Tochter zusammengeschlagen
Besonders schwer traf es den türkischen Journalisten Ahmet Dönmez, der ins Visier des türkischen Geheimdienstes MIT und dessen Helfershelfer geraten ist. Im Februar 2022 fuhr Dönmez in Stockholm ein Wagen an, nachdem er seine Tochter aus dem Kindergarten abgeholt hatte. Als Dönmez anschließend aus dem Auto ausstieg, wurde er von den Insassen des anderen Autos brutal zusammengeschlagen, vor den Augen seiner Tochter. Mehrere Tage verbrachte der Familienvater auf der Intensivstation eines Krankenhauses.
Auch Schweden nicht sicher für Regimegegner aus der Türkei
„Nach acht Jahren musste ich gemeinsam mit meiner Frau und meinen beiden Kindern Schweden verlassen – aus Sicherheitsgründen“, erzählt uns Dönmez, der heute in den USA lebt. „Es wundert mich nicht, dass es freiwillige Spitzel gibt, die für den MIT spionieren“. Der Grund für den Angriff auf den Exiljournalisten liegt ganz klar auf der Hand. Dönmez berichtet regelmäßig von den Machenschaften des türkischen Präsidenten, seinen Geheimdiensten und ihren Verbindungen zur Mafia, die von Ultranationalisten beherrscht wird.
Später erzählen Dönmez Informanten, dass die Männer, die ihn zusammengeschlagen haben, türkische Nationalisten aus Deutschland seien, die von der türkischen Mafia beauftragt wurden. In der Türkei wird die „Drecksarbeit“ der türkischen Regierung in der Regel von der Mafia gemacht. Dönmez ist nur ein Beispiel von vielen, die unter dem Einfluss Erdogans Leid erfahren. Der Exiljournalist Abdullah Bozkurt wurde ebenfalls in Stockholm zusammengeschlagen, sein Kollege Erk Acerer vor seinem Wohnhaus in Berlin.
Im Visier des türkiscehn Geheimdienstes: Festnahme bei Einreise in die Türkei
Doch auch weniger bekannte Menschen sind von den Spitzeleien türkischer Nationalisten betroffen. Wessen Name dem türkischen Geheimdienst mitgeteilt wird, wird bei der Einreise in die Türkei festgenommen. In vielen Fällen folgt dann Ärger: Festnahme, Gerichtsprozesse, lange Haft und Ausreiseverbote sind dann die Folge dieser Aktionen. Die Informationsbeschaffung läuft oft auch automatisch. Dazu gibt es mehrere Hotlines türkischer Behörden und auch die Spitzel-App der türkischen Polizei, „EGM“. (erpe)