Zählt etwa das Hochfahren des Rechners zur Arbeitszeit?
Um arbeiten zu können, müssen viele Angestellte erst Computer oder Maschinen hochfahren. Wird die dafür aufgewendete Zeit vergütet?
Für die meisten Menschen beginnt der Arbeitstag mit einem festen Ritual: Das Einschalten des Computers, das Anlegen der Dienstkleidung oder das Hochfahren von Maschinen. Üblicherweise werden diese Schritte ganz automatisch erledigt, da sie längst Routine sind. Ein wichtiger Aspekt sorgt allerdings immer wieder für Fragen: Zählt diese sogenannte Rüstzeit bereits als bezahlte Arbeitszeit? Tatsächlich ist die Rechtslage in diesem Fall nicht immer eindeutig.

Arbeitsrecht: Was ist die sogenannte Rüstzeit?
Als Rüstzeit wird die Zeit bezeichnet, die Arbeitnehmer benötigen, um ihre Arbeitsmittel so vorzubereiten, dass sie ihrer eigentlichen Tätigkeit nachkommen können. Dazu gehört uinter anderem das Einrichten einer Maschine, das Hochfahren eines Computers oder das Anlegen von Schutzkleidung. All diese Vorbereitungen sind notwendig, um einen reibungslosen Arbeitsablauf zu gewährleisten. Wie lange die Tätigkeiten dauern, hängt von der individuellen Arbeit ab.
Auch nach getaner Arbeit greift die sogenannte Rüstzeit wieder: Dann muss der Arbeitsplatz in den ursprünglichen Zustand versetzt werden. Der PC wird heruntergefahren, die Dienstkleidung ausgezogen. Weitere Beispiele sind das Reinigen von Maschinen und das Aufräumen des Arbeitsplatzes. Sowohl die Vor- als auch Nachbereitung der tatsächlichen Arbeit zählen dazu.
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Gilt die Rüstzeit als vergütungspflichtige Arbeitszeit?
Im Arbeitszeitgesetz (ArbZG) wird die Arbeitszeit als „Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen“ definiert (§ 2 Abs. 1 S.1 ArbZG). Arbeitszeiten bei mehreren Arbeitgebern sind zusammenzurechnen. Angaben zur Rüstzeit gibt es im ArbZG jedoch nicht. Umso schwieriger ist es, eine pauschale Aussage zu treffen, ob sie als Arbeitszeit zählt. Vielmehr spielen individuelle Faktoren eine entscheidende Rolle. Generell lohnt sich der Blick in den Arbeits- oder Tarifvertrag. Dort legen Arbeitgeber oft fest, was als vergütungspflichtige Arbeitszeit deklariert wird. Manchmal ist die Arbeitszeit auch in einer speziellen Betriebsvereinbarung geregelt.
Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zur sogenannten Rüstzeit
Auch wenn es keine konkrete gesetzliche Regelung zur Rüstzeit gibt, bieten die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) wichtige Orientierungshilfen.
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2012 gab das BAG einer OP-Krankenschwester recht, die gegen die Änderung einer Dienstvereinbarung ihres Arbeitgebers klagte. Das Krankenhaus wollte nicht mehr für die täglich 30 Minuten Umziehzeit aufkommen. Ursprünglich hatte der Arbeitgeber jedoch angeordnet, dass das An- und Ausziehen der Berufskleidung vor Ort stattfinden sollte. Das BAG urteilte, dass das Tragen der Dienstkleidung vor allem der Hygiene am Arbeitsplatz und somit dem Interesse des Arbeitgebers dient. Deshalb mussten die Umziehzeiten in diesem Fall vergütet werden. (BAG-Urteil vom 19.09.2012, Az. 5 AZR 678/11)
Ein wichtiger Beschluss des BAG stammt aus dem Jahr 2009, auch bekannt als „IKEA-Entscheidung“. Dabei ging es um Angestellte des schwedischen Möbelhauses und ihre Dienstkleidung. Da die auffällige blau-gelbe Arbeitskleidung die Angestellten außerhalb der Arbeit sofort als IKEA-Mitarbeiter identifiziert, wurde das An- und Ausziehen der Dienstkleidung als vergütungspflichtige Arbeitszeit deklariert. In diesem Fall hat die Kleidung einen so hohen Wiedererkennungswert, dass das Tragen einzig dem Interesse des Arbeitgebers dient. Für den Arbeitnehmer stellt es dagegen eine Zumutung dar, die auffällige Kleidung außerhalb der Arbeitszeit zu tragen.
Bezeichnet wird dieser Sachverhalt mit dem Begriff „Fremdnützigkeit“. Voraussetzung ist, dass die Berufskleidung vom Arbeitgeber vorgeschrieben wird und eine private Nutzung ausgeschlossen ist. (BAG-Urteil vom 10.11.2009 – Az. 1 ABR 54/08, wiedergegeben auf Lexetius.com).
Wann die Rüstzeit zur Arbeitszeit gehört
Anhand dieser konkreten Fälle lassen sich allgemeine Kriterien ableiten, wann die „Rüstzeit“ als vergütete Arbeitszeit gilt.
- Der Arbeits- bzw. Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung legen fest, dass sie als Arbeitszeit vergütet wird.
- Der Arbeitnehmer ordnet das Ausführen der Tätigkeit am Arbeitsort an. Beispiel: Die Schutzausrüstung oder der OP-Kittel dürfen erst am Arbeitsplatz angezogen werden, etwa aus hygienischen Gründen.
- Die Tätigkeit ist fremdnützig und liegt ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers. Arbeitnehmer können nicht verpflichtet werden, sehr auffällige Dienstkleidung schon auf dem Weg zur Arbeit zu tragen.
- Das Verrichten der Tätigkeit ist für die tatsächliche Arbeit zwingend notwendig und lässt sich nur am Arbeitsort ausführen (zum Beispiel Einstellen von Maschinen).
Aus diesen Punkten wird ersichtlich, dass die Rüstzeit in den meisten Fällen als vergütungspflichtige Arbeitszeit angerechnet wird. Trotzdem kommt es wegen der uneindeutigen Gesetzeslage immer wieder zu Rechtsstreitigkeiten.