Cannabis-Gesetz doch nicht zum 1. April? FDP-Verhandlerin mit „ein oder anderen Sorge“

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Ist das Cannabis-Gesetz zum 1. April in Gefahr? Im Interview geht Kristine Lütke (FDP) auf den Stand der Teil-Legalisierung ein. © Imago/Popov//picture alliance/Charisius (Montage)

Verzögert der Bundesrat das Cannabis-Gesetz? Eine Einigung sei längst möglich gewesen, sagt die FDP-Politikerin Kristine Lütke im Interview – scheiterte aber wohl an Karl Lauterbach.

Am Freitag, 22. März, entscheidet sich die Zukunft des Cannabis-Gesetzes. Dann stimmt der Bundesrat darüber ab, ob das Gesetz in den Vermittlungsausschuss muss. In diesem Gremium landen vom Bundestag beschlossene Gesetze, die in der Länderkammer keine Mehrheit finden. Mehrere Bundesländer sehen die Umsetzung des Cannabis-Gesetzes zum 1. April nicht machbar. Sie fordern eine Verlängerung des Inkrafttretens und argumentieren mit einer Mehrbelastung der Justiz.

Die drogenpolitische Sprecherin der FDP, Kristine Lütke, hat das Cannabis-Gesetz maßgeblich mitverhandelt. Im Interview mit IPPEN.MEDIA erklärt sie, wie es um das Cannabis-Gesetz steht.

Frau Lütke, haben Sie Angst vor dem 22. März?

Angst habe ich nicht, aber ich habe natürlich die ein oder andere Sorge, dass das Cannabis-Gesetz im Vermittlungsausschuss landet. Das ist ja das, was man aktuell aus den Länderregierungen vernimmt. Die Stimmung ist sehr angespannt.

Das heißt, Sie können sich vorstellen, dass das Cannabis-Gesetz nicht zum 1. April kommt?

Ich habe natürlich keine Glaskugel. Derzeit laufen weiterhin die Gespräche mit den Ländern, um einen Vermittlungsausschuss abzuwenden. Schlussendlich ist der Bundesrat allerdings ein unabhängiges Verfassungsorgan, das eigenständig Entscheidungen trifft.

Welche Folgen hätten die Einberufung des Vermittlungsausschusses für das Gesetz?

Das Inkrafttreten des Gesetzes würde sich massiv verschieben. Und damit übrigens auch all die Erleichterungen für Cannabis-Patienten. Also die Streichung aus dem Betäubungsmittelgesetz sowie der Wegfall bürokratischer Anforderungen bei Ärzten und Apothekern. Ich kann die Bedenken einiger Kolleginnen und Kollegen nachvollziehen, aber finde es schwierig, einen Vermittlungsausschuss für parteitaktische Spielchen zu missbrauchen.

Wie meinen Sie das?

Wenn man die Äußerungen des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer auf X am Wochenende liest, muss man die Sorge haben, dass es der Union, inklusive der CSU, nicht um eine konstruktive Verbesserung des Gesetzes im Sinne der Länder geht, sondern um die Totalblockade. So wie wir es zuletzt auch mit dem Krankenhaustransparenzgesetz und mit dem Wachstumschancengesetz erlebt haben. Die Unionsvertreter wollen das Cannabis-Gesetz möglichst komplett verhindern.

Michael Kretschmer schrieb, sein Ziel sei, „dass dieses Gesetz niemals wieder aus dem Vermittlungsausschuss herauskommt“. Ähnliches befürchtet Karl Lauterbach. Was würde das denn bedeuten?

Für die Länder gäbe es bestimmte Möglichkeiten, eine Behandlung im Vermittlungsausschuss herauszuzögern. Etwa indem man das Cannabis-Gesetz gar nicht auf die Tagesordnung setzt oder weitere Gutachten einfordert. Da kann schon viel Zeit vergehen. Ich kann einige Kolleginnen und Kollegen verstehen, da gerade die Amnestieregelung eine große Herausforderung für die Staatsanwaltschaft und die Justiz ist, vor allem in der Kürze der Zeit. Das rührt aber auch daher, dass wir ursprünglich davon ausgegangen sind, dass wir den Bundesrat am 22. Februar erreichen – was aber die SPD-Fraktion zu verhindern wusste.

Cannabis-Gesetz: „Karl Lauterbach hätten den Vermittlungsausschuss verhindern können“

Die Länder sagen, die Justiz brauche mehr Vorbereitung. Wie kann man ihnen da entgegenkommen?

Wir haben mehrfach den Vorschlag eines Änderungsgesetzes gemacht. Wir haben angeboten, die Frist der Amnestie nach hinten zu verschieben, zum Beispiel um sechs Monate. Schon in der Woche der Verabschiedung war das Thema und auch vergangenen Donnerstag kam dann der Vorschlag aus dem Bundesjustizministerium. Vorher hatten wir es schon ohne Fristverkürzung angedacht, aber das wurde leider vom Bundesgesundheitsminister abgewehrt. 

Das heißt, man hätte den drohenden Vermittlungsausschuss schon im Vorfeld verhindern können?

Ja, ganz explizit Karl Lauterbach hätte den Vermittlungsausschuss verhindern können, wenn er denn auf die Vorschläge der FDP eingegangen wäre. Die Grünen wären da auch mitgegangen. Es wäre auch den Anliegen der Länder gerecht geworden. Die Amnestieregelung ist verständlicherweise schwierig.

Die Länder sprechen teils von 100.000 Akten, die händisch geprüft werden müssten. Das Gesundheitsministerium wiederum geht von 7500 Akten aus. Was stimmt denn nun?

Die Wahrheit liegt wohl irgendwo zwischen diesen Zahlen. Wenn die Justizminister in den Ländern sagen, es ist schwierig, sollten wir diese Bedenken ernst nehmen. Ich glaube aber, dass es zu Beginn ein Aufwand ist, langfristig aber ja weniger Fälle nachkommen.

„Niemand wird verpflichtet, Cannabis zu konsumieren, nur weil man es darf“

Neben der Belastung für die Justiz bringen einzelne Bundesländer noch andere Anpassungen ins Spiel, etwa bei den Abstandsregeln oder den Besitzmengen von Cannabis, die aus Jugendschutzgründen verändert werden sollten. Können Sie sich noch Nachverhandlungen vorstellen?

Wir haben uns die Abstandsregelung und die Besitzmengen im Gesetzgebungsprozess genau angeschaut. Wir wollten hier eine praktikable Lösung, um den Drang auf den Schwarzmarkt zu verhindern. Würde man jetzt die legalen Besitz- oder Abgabemengen in den Cannabis-Clubs zu gering fassen, ist für jemanden, der viel Cannabis konsumiert, der Gang auf den Schwarzmarkt leider immer noch die einzige Option. Das wollen wir natürlich nicht. Sprechen kann man über alles. Aber nach meinen Gesprächen mit den Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern ist der wichtigste Punkt die Amnestieregelung.

In einer Stellungnahme des Bundesrats-Gesundheitsausschusses geht es auch um die Folgen des Gesetzes. Konkret ist die Rede von einem „erwartbar steigenden Konsuminteresse bei Inkrafttreten des Gesetzes“. Kritiker befürchten, dass in Deutschland bald mehr gekifft wird. Glauben Sie das auch?

Das glaube ich nicht. Auch mit Blick auf andere Länder wie Kanada kann ich mir einen Ausprobiereffekt vorstellen. In Kanada zum Beispiel gab es zu Beginn einen Anstieg der Konsumenten, interessanterweise vor allem bei der Gruppe der über 65-Jährigen. Aber das hat sich dann auch wieder stabilisiert. Das ist ein Totschlagargument. Niemand wird verpflichtet, Cannabis zu konsumieren, nur weil man es legal konsumieren darf.

Kristine Lütke in der 9. Sitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude. Berlin
Kristine Lütke sitzt seit 2021 für den Wahlkreis Roth im Deutschen Bundestag. Die gebürtige Nürnbergerin ist Obfrau im Gesundheitsausschuss und drogenpolitische Sprecherin der FDP. © Christoph Hardt/Imago

Lütke über Bayerns Drogenpolitik: „Wie Kanonen auf Spatzen schießen“

Sie kommen aus Nürnberg. Wie Markus Söder, der das Cannabis-Gesetz „extrem restriktiv“ umsetzen möchte. Wer kiffen möchte, solle das „woanders machen“. Wie finden Sie solche Aussagen?

Die CSU tut aktuell gerne so, als gäbe es überhaupt keine Drogen in Bayern. Aber dem ist leider nicht so. Nürnberg ist die Stadt mit einer der höchsten Zahl an Drogentoten in Deutschland. Das wird nicht besser, wenn wir einfach nur so tun, als gäbe es das nicht. Gleichzeitig hat die Bayerische Staatsregierung sechs Millionen Euro für eine zentrale Cannabis-Kontrolleinheit angekündigt. Das ist schon auch interessant, wenn man bedenkt, was man mit den sechs Millionen Euro alles machen könnte: Präventionsmaßnahmen, Zuschuss für Krankenhäuser, Investitionen in die Bildungspolitik. Aber nein, man braucht unbedingt eine zentrale Drogenkontrolleinheit, die quasi die Wohnungen der Cannabiskonsumenten kontrolliert. Das ist, wie Kanonen auf Spatzen schießen. 

Wird bald legal auf dem Oktoberfest gekifft?

Das wäre auf jeden Fall spannend. Wobei ja gerade in den Bierzelten nach wie vor das Hausrecht gilt. Wenn also dort jemand sagt „bei mir kein Cannabiskonsum“, dann ist das natürlich zu respektieren. Genauso gilt das Nichtraucherschutzgesetz auch für den Cannabiskonsum. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass die bayerische Staatsregierung zur Vernunft kommt. Denn der bisherige Weg der Repression und Prohibition, der in Bayern sehr stark durchgeführt wird, ist gescheitert. Wir haben überall steigende Cannabis-Konsumentenzahlen, auch in Bayern.

Interview: Andreas Schmid

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