Ukraine-Wende? In Wahrheit macht Trump den Krieg nur zum endlosen Geschäft
Donald Trump kündigt massive Waffenlieferungen für die Ukraine an und droht gleichzeitig mit Sanktionen und Strafzöllen. Doch sein scheinbarer Kurswechsel wird den Frieden nicht beschleunigen – im Gegenteil: Er rückt eher in weite, wenn nicht gar endlose Ferne.
Trump macht den Krieg zum endlosen Geschäft
Zumindest kommt man zu diesem Schluss, wenn man den Krieg wie einen Wirtschaftskonflikt zwischen Marktteilnehmern betrachtet. Und das ist ein legitimer Ansatz – denn Trump selbst sieht die Welt durch die Brille eines Unternehmers. Warum also nicht auch wir?
Zudem funktioniert auch die reale Wirtschaft oft wie Krieg: mit Allianzen, Interessenkonflikten, Machtspielen und strategischer Psychologie – von Verhaltensökonomie über Spieltheorie bis hin zur Change-Management-Logik. Der Ukrainekrieg folgt erstaunlich ähnlichen Mustern.
Und unter diesem Blickwinkel wird klar: Trump und die USA sind nur weitere Akteure, die – aus wirtschaftstheoretischer Sicht – vom Krieg profitieren.
In Ukraine-Kurswechsel wird jahrzehntealtes Trump-Mantra deutlich
Bislang waren die USA der größte Geldgeber der Ukraine. Wer zahlt, hat naturgemäß ein Interesse daran, dass der Konflikt irgendwann endet. Doch nun dreht sich die Rollenverteilung: Die USA liefern – und europäische Staaten bezahlen.
Genau das ist Trumps jahrzehntealtes Mantra: „Wir beschützen euch, aber ihr bezahlt dafür.“ Sicherheit wird zum Geschäftsmodell.
Selbst wenn Trump es ernst meint mit einem möglichen Frieden – sei es aus Mitgefühl oder weil ihm der Friedensnobelpreis winkt, den schon Obama erhielt – wird die Realität der Wirtschaft seine Interessenlage beeinflussen. Denn: Warum sollte man ein lukratives Geschäftsmodell freiwillig beenden?
Gerade für Trump, dessen politisches Handeln oft ökonomisch getrieben ist, gilt: Profit wiegt meist schwerer als Moral.
Trump handelt nicht anders als Pharmariesen
Dabei handelt Trump nicht anders als Pharmariesen. In der Gesundheitsbranche gibt es das Phänomen der „Disease Maintenance Markets“ – Märkte, in denen Medikamente zwar Symptome lindern, aber keine Heilung bringen. Beispiel: Insulin.
Die Behandlung ist dauerhaft lukrativ, eine Heilung hingegen wirtschaftlich unattraktiv. Also wird lieber in die Forschung chronischer Therapien investiert, statt in endgültige Lösungen.
Genauso könnte in den USA bald die Erkenntnis reifen: Ein langer Krieg bedeutet stabilen Absatz – ein „War Maintenance Market“.
Über Kishor Sridhar
Kishor Sridhar, Executive Berater, Keynote Speaker und Buchautor, ist anerkannter Experte für Change, Führung und Digitalisierung. Er begleitet deutsche und internationale Entscheider und Führungskräfte operativ in der Unternehmensentwicklung und bei Veränderungsprozessen. In Change-Prozessen bringt er dabei praxisbewährte Erkenntnisse aus seinen Wirtschaftsstudien, wie z.B. „KI in deutschen Unternehmen“ ein und verknüpft diese mit psychologischen Effekten zum „Erfolgsfaktor Mensch“. Kishor Sridhar lehrt an der International School of Management in München u.a. Cross Cultural Leadership und New Work.
Der Krieg gibt Russland ein Geschäftsmodell mit Richtung
Vor dem Krieg war Russlands Wirtschaft schwach diversifiziert. Keine industrielle Dynamik, keine technologische Führungsrolle – oder wirtschaftlich gesprochen: kein echter Markenkern, außer Öl und Gas.
Seit Putins Amtsantritt stagniert der Anteil der Industrieproduktion am BIP. Doch der Ukrainekrieg hat das geändert.
Plötzlich gibt es einen klaren Produktionsauftrag, einen „Forced Focus“ wie man im Management sagen würde: massive Nachfrage nach Rüstungsgütern, neue Arbeitsplätze, Investitionen in Infrastruktur und Forschung.
Russland hat zum ersten Mal seit Jahrzehnten einen Business Case, um wirtschaftlich zu steuern – und sozialen Zusammenhalt über Beschäftigung zu sichern.
Deshalb ist auch die Vorstellung mancher deutscher Politiker naiv, man müsse nur Waffenlieferungen einstellen, um Verhandlungen zu fördern.
Was, wenn Frieden einfach das schlechtere Geschäftsmodell ist? Was will man dann Russland anbieten?
China und Indien sind die lachenden Dritten
China und Indien sind derzeit die lachenden Dritten. Sie kopieren schlicht das frühere deutsche Erfolgsmodell: billige Energie als Wachstumsbasis. Russlands Isolation sorgt dafür, dass sie Öl und Gas zu stark rabattierten Preisen bekommen – und diese Verhandlungsposition weidlich ausnutzen.
In der Wirtschaft nennt man das „Kundenmacht durch Segmentverschiebung“. Russland hat seine Hauptkunden (Europa) verloren – und ist nun auf neue, kleinere Abnehmer angewiesen, die ihre Preisvorteile durchsetzen.
Genauso verlor Intel mit dem Aufstieg von ARM und Apple seine wichtigsten Großkunden. Übrig blieben kleinere Industriekunden, die ihre neu gewonnene Macht ausspielten – etwa durch Sonderkonditionen oder individuelle Chipdesigns.
China und Indien agieren ähnlich: Sie nutzen die asymmetrische Abhängigkeit Russlands, um strategisch billig einzukaufen – und haben kein Interesse an einem baldigen Frieden, der ihre Einkaufsmacht beenden könnte.
Europa und die NATO betreiben strategisches Outsourcing
Europa und die NATO betonen, dass sie einen schnellen Frieden anstreben. Tatsächlich wird jedoch so dosiert geliefert, dass die Ukraine nicht verliert – aber auch nicht entscheidend gewinnen kann.
Denn ein Ende des Krieges würde bedeuten: Russland könnte sich erholen, modernisieren – und in einigen Jahren erneut zuschlagen. Solange die Ukraine Russland beschäftigt, bleibt Europa sicherer. Das Sicherheitsrisiko wurde outgesourct.
Vergleichbar mit westlichen Firmen wie, die riskante Produktionsschritte an Zulieferer auslagern: Diese Partner kämpfen mit Umweltauflagen und Arbeitsrecht – während der Konzern davon profitiert und sich auf margenstarke Bereiche konzentriert.
Europa agiert ähnlich: Lieber heute ukrainische Männer in den Schützengräben als morgen europäische oder gar deutsche.
Ein zynischer, aber realpolitisch nachvollziehbarer Gedanke. In der Wirtschaft nennt man so etwas eine Risikominimierungsstrategie durch strategisches Outsourcing.
Die Ukraine spielt in den Abwägungen die geringste Rolle
Damit kommen wir zu jenen, denen ein schnelles Kriegsende wirklich helfen würde: den Ukrainerinnen und Ukrainern. Doch zynischer Weise spielen sie in den wirtschaftlichen und politischen Abwägungen die geringste Rolle.
Wie sagte schon Remarque in Der schwarze Obelisk: „… das ist wohl so, weil ein einzelner immer Tod ist – und zwei Millionen immer nur eine Statistik.“
Leider wird Weltpolitik eben oft getrieben durch Zahlen, Statistiken, Wirtschaftsinteressen und Profit. Und das sind keine guten Nachrichten für die Ukraine.
Dieser Beitrag stammt aus dem EXPERTS Circle – einem Netzwerk ausgewählter Fachleute mit fundiertem Wissen und langjähriger Erfahrung. Die Inhalte basieren auf individuellen Einschätzungen und orientieren sich am aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis.