Söder im Lichterglanz des Märchenkönigs

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In feurigem Rot – sicher nicht die Lieblingsfarbe des schwarzen bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder – erstrahlt wahlweise die Venusgrotte. Der Regierungschef und sein Finanzminister Albert Füracker (r.) sind beim Ortstermin am Mittwoch schwer beeindruckt von dem Lichterspiel im einstigen Refugium des Wittelsbacher Märchenkönigs. © Andreas Mayr

Diese 60 Millionen Euro an Steuergeldern sind gut angelegt. Das finden zumindest Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und sein Staatskabinett. Da steht es außer Frage, dass der Regierungschef höchstpersönlich zur offiziellen Wiedereröffnung der Venusgrotte in Schloss Linderhof vorbeischaut.

Linderhof – Ohne die übliche Portion Söder-Prätention geht es an diesem Tag natürlich nicht. Schon gar nicht an diesem Ort. Die Venusgrotte zu Schloss Linderhof ist einerseits ein Symbol des Größenwahns und der Verschwendung von König Ludwig II., andererseits ein Beleg, warum der Monarch nach wie vor als Märchenkönig verehrt wird. Er ließ sie für viel Geld errichten, um einen ganz persönlichen Rückzugsort zu haben, an dem er sich wahlweise im Muschelkahn über den künstlichen See fahren ließ oder auf dem Kristallthron zur Ruhe kam.

„Wenn die Leute an Deutschland denken, meinen sie eigentlich Bayern“, hielt also Markus Söder, der Ministerpräsident des Freistaats, fest und kam am Ende des Gedankenspiels freilich in Schloss Linderhof an. Denn der kleine Bruder von Neuschwanstein und Herrenchiemsee gehört wie die großen Schlösser zu den Wahrzeichen und Tourismus-Magneten Bayerns. 345 000 Besucher zählte die Schlösserverwaltung im Jahr 2023. Zum Vergleich: In den 1990ern waren’s mal über 900 000. Aber damals waren die weltpolitischen Probleme auch noch kleiner. 

Jedenfalls, erklärt Ettals Bürgermeisterin Vanessa Voit, „gibt es viele, die sich einen Schub erwarten“. Im Sommer, das erhoffen sich alle, soll Linderhof als Teil der Königs-Schlösser Weltkulturerbe werden. Die Chancen, munkelt man, stehen nicht schlecht. Außerdem ist jetzt die Venusgrotte wieder geöffnet.

Nach zehn Jahren aufwändigster Restaurierung. Vor Markus Söders Besuch, der um zweieinhalb Wochen verschoben werden musste, betrachteten bereits 15 000 Besucher die künstliche Tropfsteinhöhle auf den Anhöhen des Schlossparks. Nur Bilder drangen nicht nach draußen. Fotografieren ist verboten. Das erste, was die Öffentlichkeit sehen sollte, ist der Ministerpräsident, der die Inszenierung wie kein Zweiter beherrscht, an diesem mystischen Ort. Und ja, es entstanden prächtige Bilder an jenem Mittwoch. Mal leuchtete die Grotte blau wie ihr Vorbild aus Capri, mal rot oder weiß, je nachdem welchen Knopf der Grottenmeister auf seinem Tablet drückte. Die Venusgrotte anno 2025 ist wie 150 Jahre zuvor ein technisches Meisterwerk, das auf jeden Fall einmal 50 wenn nicht gar 150 weitere Jahre halten sollte, wie Martin Bosch versichert, der Zuständige im Baureferat. 

Zudem war es nur richtig, dass Markus Söder diesen einmaligen Platz wieder eröffnete. Als Finanzminister hatte er seinerzeit die Gelder bereit gestellt. Wobei man dazu wissen sollte, dass die einzige Alternative war, „sie verrotten zu lassen“, wie Albert Füracker, der jetzige Finanzchef, festhielt.

Damals ging die Staatsregierung noch von etwa 25 Millionen Euro Erneuerungskosten aus. Dieser Ballon blies sich ob der Komplexität auf nicht ganz 60 Millionen Euro auf. Die Leute, die diesen Sprung en detail erklären können, sitzen in Schloss Nymphenburg zu München, genannt Restaurierungszentrum. Sie hatten schon 2007 begonnen, die Grotte mit Laserscan auszumessen. „Zehn Jahre vorher wäre das nicht möglich gewesen“, sagt Martin Bosch. 

Am Eingang dieser Attraktion von Schloss Linderhof wartet die Ettaler Bürgermeisterin Vanessa Voit auf das Eintreffen der vielgefragten Polit-Prominenz aus München gewartet.
Am Eingang dieser Attraktion von Schloss Linderhof wartet die Ettaler Bürgermeisterin Vanessa Voit auf das Eintreffen der vielgefragten Polit-Prominenz aus München gewartet. © Andreas Mayr

Sie hatten einen Tanz mit vielen Verrenkungen aufzuführen. Einmal versuchten sie, das Original zu bewahren, das Tannhäuser-Gemälde, die Throne, das Lichtkonzept. Dazu kämpften sie mit neuen Sicherheitsanforderungen, mit Feuchtigkeit, mit Verfall an den unmöglichsten Stellen. „Wie man es jetzt sieht, so hat es der König gesehen“, erklärt Stefanie Correll, die leitende Restauratorin. Am besten vermögen Zahlen auszudrücken, wie es zu der Kostensteigerung in zehn Jahren Bauzeit kam. 750 Arbeiter leisteten über eine halbe Million Stunden ab. 465 künstliche Stalagmiten sowie an die 40 000 kleine Stalaktiten geben der Venusgrotte ihren Charakter, inzwischen ohne Kontakt zum Wasser. 272 LED-Lampen sorgen für die theatrale Beleuchtung. „Ein architektonisches Juwel – für den privaten Gebrauch, könnte man sagen“, so beschreibt Albert Füracker den Sehnsuchtsort des Märchenkönigs. Ludwig II. soll sogar das Wasser im See auf Badewasser-Temperatur erwärmen haben lassen. 

König Ludwig bleibt der James Dean der Wittelsbacher.

Söders Besuch gipfelt in einer Vorführung der technischen Wunderwerke. Schon bei Inbetriebnahme 1878 sorgten 24 Dynamomaschinen – das erste fest installierte Kraftwerk der Welt – für Spektakel. Zu Richard Wagners Tannhäuser-Leitmotiv schießt heute wieder der künstliche Wasserfall in den See hinunter. Im Hintergrund spannt sich ein Regenbogen auf, und der Ministerpräsident hält mit seiner üblichen Nonchalance fest: „König Ludwig bleibt der James Dean der Wittelsbacher.“

Ins Goldene Buch der Gemeinde trägt er sich auch noch ein – neben Thomas Gottschalk und dem Dalai Lama. Drei Stunden später ist Söder abgefahren, und es betreten wieder Touristen die Grotte. Acht Euro kostet ein Ticket. Bei der erstmaligen Öffnung nach dem Tod des Märchenkönigs zahlte man noch umgerechnet 450 Euro. „Wir haben Gott Lob andere Möglichkeiten“, sagt der Finanzminister.

Bei all der Megalomanie des Königs kann man nach nun über 44 Millionen Besuchern sagen: Diese Investition hat sich gelohnt.

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