„Hat nichts mit Wirklichkeit zu tun“: Habeck geht nach Strombericht auf Rechnungshof los
Der Bundesrechnungshof sieht die Energiewende in Gefahr. Die Ampel-Regierung muss handeln, sonst droht das ambitionierte Projekt zu scheitern.
Berlin – Schleppender Netzausbau und zu hohe Stromkosten für Verbraucher und Industrie: Die Ampel-Koalition ist aus Sicht des Bundesrechnungshofs bei der Energiewende nicht auf Kurs. „Die bisherigen Maßnahmen zur Umsetzung der Energiewende sind ungenügend und bergen deshalb gravierende Risiken für die energiepolitischen Ziele“, sagte Rechnungshofpräsident Kay Scheller am Donnerstag in Berlin. Grundlage für die Kritik ist ein neuer Sonderbericht seines Hauses zur Umsetzung der Energiewende bei der Stromversorgung. „Die Bundesregierung muss umgehend reagieren, andernfalls droht die Energiewende zu scheitern“, heißt es darin. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) reagierte mit Unverständnis.
Rechnungshof zur Energiewende: Massive Kritik an Plänen der Ampel-Regierung
In dem Bericht kritisiert der Rechnungshof zum einen den schleppenden Ausbau der Erneuerbaren Energien, der Stromnetze sowie den mangelnden Aufbau zusätzlicher Erzeugungskapazitäten für den Bedarfsfall.
Im vergangenen Jahr habe die Bundesnetzagentur etwa lediglich die Hälfte der für 2023 vorgesehenen Leistung für Windenergieanlagen an Land per Ausschreibung vergeben können. „Das nicht vergebene Ausschreibungsvolumen von 6,46 GW entspricht der Leistung von vier bis sechs Braunkohle- oder Kernkraftwerken“, heißt es in dem Bericht. Die nicht vergebene Leistung müsse laut Erneuerbare-Energien-Gesetz dann im Folgejahr zusätzlich ausgeschrieben und vergeben werden. In dieser Höhe sei das jedoch nicht realistisch.
Ein weiterer Kritikpunkt sind die hohen Strompreise. Sie gehören demnach zu den höchsten in der EU. Das Wirtschaftsministerium (BMWK) berücksichtige die für den Stromausbau notwendigen Investitionskosten nicht bei seiner Darstellung der Kosten für Strom aus erneuerbaren Energien, teilte der Rechnungshof weiter mit. „Die Bundesregierung muss die Systemkosten der Energiewende klar benennen. Darüber hinaus sollte sie endlich bestimmen, was sie unter einer bezahlbaren Stromversorgung versteht.“
Robert Habeck: „Bericht des Bundesrechnungshofes habe ich zur Kenntnis genommen“
Wirtschaftsminister Habeck erreichten die schlechten Nachrichten während einer Reise in der US-Hauptstadt Washington. Er konnte die Kritik nicht nachvollziehen. „Den Bericht des Bundesrechnungshofes habe ich zur Kenntnis genommen – mehr aber auch nicht“, sagte Habeck zunächst. Um dann doch deutlicher zu werden: „Ich sage nicht, dass wir durch sind. Aber zu sagen, die Bundesregierung tut nicht genug, die Energiepreise runterzubringen, die Energiesicherung umzusetzen, den CO₂-Ausstoß zu reduzieren, ist eine erstaunliche Wahrnehmung, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat“. Die Energiepreise sänken, betonte der Minister und die Regierung setze um, was jahrzehntelang versäumt worden sei. „Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat mächtig Fahrt aufgenommen.“ Auch Genehmigungen für den Netzausbau würden deutlich schneller erteilt.
Das BMWK habe in einer Stellungnahme für den Bericht zugestimmt, dass die Ausbaudynamik erhöht werden müsse. Entsprechende Maßnahmenpakete aus dem Jahr 2022 wirkten erst zeitversetzt. Die Installation und Genehmigungen von Windenergieanlagen an Land hätten im Jahresvergleich aber bereits deutlich zugenommen.
Mit Material von Reuters