Mobilisierung im Ukraine-Krieg: „Auf keinen Fall!“ – Klare Antwort auf USA aus Kiew

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„Was soll der Ratschlag sein?“ – Wolodymyr Selenskyjs Fraktionsvize äußert sich im Interview klar zu Mobilisierungsschritten im Ukraine-Krieg.

Vilnius – Es ist eine der großen und in mehrerlei Hinsicht existenziellen Fragen im Ukraine-Krieg: Wie lange kann sich die Ukraine mit ihren (mittlerweile) knapp 38 Millionen Einwohnern gegen Russlands Überfall verteidigen? Zu „Verlusten“ im Krieg ist von beiden Seiten wenig bis nichts Offizielles bekannt – doch klar ist: Wladimir Putin verfügt über ein wesentlich größeres Reservoir an Soldaten. Und er setzt es nur zu bereitwillig rücksichtslos ein.

Wolodymyr Selenskyj zeichnet einen Front-Soldaten aus
Wolodymyr Selenskyj zeichnet Front-Soldaten aus – viele Ukrainer kämpfen unter Einsatz ihres Lebens gegen Russlands Angriff. (Archivbild) © IMAGO/Ukraine Presidency

Es geht nicht nur um militärische Fragen. Sondern gerade für die Ukraine um das Schicksal und Leben vieler junger Menschen. Im April 2024 hat Präsident Wolodymyr Selenskyj das Mobilisierungsalter von 27 auf 25 Jahre gesenkt. Werden bald noch jüngere Rekruten (zwangs-)eingezogen werden müssen? Die Fraktionsvize von Selenskyjs Partei „Diener des Volkes“ gibt im Interview mit dem Münchner Merkur eine klare Antwort – und erteilt auch den USA nochmals eine Absage.

Mobilisierung im Ukraine-Krieg: Selenskyjs Fraktionsvize macht klare Ansage – auch gegen US-Druck

„Wenn Ihre Frage ist, ob wir eine weitere Absenkung diskutieren, dann lautet die Antwort ‚nein‘“, sagte Jevheniia Kravchuk unserer Redaktion am Rande einer Konferenz der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Vilnius. Selenskyj habe sich klar positioniert – und diese Ansage gelte weiterhin.

Yevheniia Kravchuk in der „Rotušė“, dem Rathaus von Vilnius.
Yevheniia Kravchuk in der „Rotušė“, dem Rathaus von Vilnius. © Florian Naumann

Kravchuk bestätigte indirekt gewissen Druck der USA in dieser Frage. Darüber hatte die Agentur Reuters im November unter Berufung auf informierte Kreise der damaligen Regierung Joe Biden berichtet. „Es gab Fragen der USA in dieser Hinsicht“, erklärte Kravchuk. „Es hieß, ‚als wir im Korea-Krieg kämpften, war das Mindestalter 18‘.“

Sie wies derartige Überlegungen aber vehement zurück. „Wir haben immer noch Brigaden, die keine ordentliche Ausrüstung besitzen“, sagte die Abgeordnete der ukrainischen Rada. „Also, was bitte soll der Ratschlag sein – dass wir eine Brigade aus Schulabsolventen bilden und sie ohne Munition sitzenlassen? Auf keinen Fall!“ Ein anderer Faktor sei das tägliche Leben in der Ukraine: Auch die Wirtschaft müsse weiterlaufen.

Russlands „Fleischangriffe“ im Ukraine-Krieg: Kiew handle ganz anders

Kravchuk betonte, die Ukraine schätze jedes einzelne Leben ihrer Bürgerinnen und Bürger wert – anders als Putins Regime, das Soldaten in sogenannte „Fleischangriffe“ und damit den nahezu sicheren Tod schicke.

Diese Darstellung ist durchaus plausibel – jedenfalls in weiten Teilen. So zog sich die Ukraine mehrfach aus strategischen Positionen vergleichsweise frühzeitig zurück, um Leben ihrer Soldatinnen und Soldaten zu schützen. Kritik gab es indes im Laufe des Krieges auch: Etwa an für die Militäreinheiten gefährlichen Offensive in der Region Kursk oder im Sommer 2023 (laut Beobachtern teils aufgrund Mangels an Minenräum-Gerätschaften schlecht vorbereiteten) Vorstößen in der Gegenoffensive in russisch besetzten Gebieten der Ukraine. Berichte über die blutigen „Fleischangriffe Russlands“ gibt es aus vielen Quellen.

Fakt ist indes auch, dass die Rekrutierung weiterer Soldaten unter vielen Betroffenen in der Ukraine für Schrecken und teils auch für Fluchtversuche sorgt. Die Ukraine habe nicht um diese Situation gebeten, betonte Kravchuk: „Es ist ein Kampf um die Existenz und Freiheit.“ Die Entscheidung über das Mobilisierungsalter liege beim Militär und bei Präsident Selenskyj – werde aber vom Parlament unterstützt. Mit Blick auf tägliche Angriffe Russlands auch auf zivile Ziele forderte Kravchuk Deutschland über den Münchner Merkur nochmals zur Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern auf. (Aus Vilnius berichtet Florian Naumann)

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