Alternative zu Russland: Dieses Land wittert die Chance für eine Gas-Offensive nach Europa

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Mit neuen Lieferverträgen positioniert sich die Türkei als Drehscheibe für Gaslieferungen nach Europa. Ein strategischer Schachzug mit doppeltem Ziel.

Ankara – Die Türkei strebt an, eine bedeutendere Position im Gasexport nach Europa einzunehmen. Bisher war das Land stark von Gasimporten aus Russland und dem Iran abhängig. Jüngst hat das staatliche türkische Energieunternehmen Botas jedoch mehrere umfangreiche Lieferverträge für Flüssigerdgas (LNG) mit europäischen und amerikanischen Unternehmen abgeschlossen. Der dadurch generierte Gasüberschuss soll nach Europa verkauft werden.

„Die Türkei verfolgt mit ihrer Gasimportoffensive zwei Ziele: Erstens will sie die Importmengen aus Russland und dem Iran senken. Zweitens hofft die Türkei, sich als Drehscheibe für Gaslieferungen zu positionieren, da die europäischen Abnehmer nicht genügend langfristige Gasverträge unterzeichnet haben“, so Professorin Brenda Shaffer, Energieexpertin an der US Naval Postgraduate School, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Gas für Europa: Türkei schließt neue Lieferverträge mit Total, Shell und Exxon

Am vergangenen Mittwoch (18. September) hat die türkische Energiegesellschaft Botas einen LNG-Liefervertrag mit dem französischen Energiekonzern TotalEnergies unterzeichnet. Der Vertrag hat eine Laufzeit von zehn Jahren und umfasst insgesamt 1,1 Millionen Tonnen LNG pro Jahr, wie aus einer Pressemitteilung von TotalEnergies hervorgeht. Die ersten Lieferungen werden voraussichtlich 2027 in der Türkei erwartet. Bereits Anfang September gab Botas einen Liefervertrag mit dem Ölkonzern Shell über 2,9 Millionen Tonnen LNG bekannt, ebenfalls ab 2027. Auch mit dem amerikanischen Unternehmen ExxonMobil wurde bereits ein Vertrag abgeschlossen.

Energie-Terminal „Deutsche Ostsee“ im Hafen Mukran
Ein LNG-Tanker liegt im Energie-Terminal "Deutsche Ostsee". © Stefan Sauer/dpa

Der Vertrag mit Shell enthalte eine Option für die Lieferung des Gases an europäische Terminals außerhalb der Türkei, erklärte der türkische Energieminister Alparslan Bayraktar gegenüber dem US-Medium Bloomberg. Auch der Vertrag mit TotalEnergies soll laut Medienberichten eine solche Klausel enthalten.

Türkischer Energieminister: „Wir können die europäischen Märkte beliefern“

Wenn man alle Lieferverträge zusammenzählt, verfüge die Türkei nun über einen Gasüberschuss, den sie nach Europa exportieren könnte, zitiert Reuters Energieminister Bayraktar: „Wir können die europäischen Märkte beliefern, insbesondere die Märkte in Südosteuropa, die Gas benötigen.“ Zuletzt hat auch die Gasförderung im Schwarzen Meer in der Türkei Hoffnungen geweckt. 2020 wurde dort das größte Gasvorkommen des Landes entdeckt und seit dem vergangenen Jahr wird Erdgas gefördert.

Zusätzlich zu den Einnahmen aus Exporten erlangt die Türkei einen weiteren strategischen Vorteil. Durch die bereits abgeschlossenen Verträge erhält das Land am Bosporus mehr Flexibilität in den Verhandlungen mit Russland und dem Iran. Die Lieferverträge für Erdgas mit diesen beiden Ländern laufen 2025 und 2026 aus, so Reuters.

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