Direkt nach Putin-Telefonat: Trump ruft Europa an – „brüskiert“ aber zentralen Ukraine-Helfer
Trump telefoniert im Ukraine-Krieg mit Putin – und informiert Europa „unmittelbar“. Giorgia Meloni ist in der Leitung. Ein zentraler Kollege nicht.
Zwei aus europäischer Sicht äußerst – wenn auch nicht ganz in gleichem Maße – gefährliche Männer haben am Montagabend miteinander telefoniert: US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin. Natürlich ging es um den Ukraine-Krieg. Und natürlich geht derzeit bei jedem solcher Termine in Europa eine Sorge um. Nämlich die, dass Trump und Putin über die Köpfe Europas und der Ukraine hinweg einen möglicherweise verheerenden „Deal“ schließen. Sie grassierte auch schon vor den letztlich wirkungslosen Verhandlungen in Istanbul.
Die offiziellen Statements Trumps und Putins nach dem Telefonat konnten weitere Besorgnis schüren, aber keine Panik. Offenbar waren sich die beiden nicht einig geworden. „Ich glaube, es ist sehr gut gelaufen“, sagte Trump zwar, einen Deal hatte er aber nicht im Gepäck.
Eine gute Nachricht für Europa: Nach dem Termin rief der US-Präsident in Europa an. Das ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Verwunderung und womöglich auch Verstimmungen könnte aber die Teilnehmerliste des Calls verbreitet haben.
Trump spricht im Ukraine-Krieg wieder mit Europa – die Teilnehmerliste des Telefonats überrascht
Denn dass wieder häufiger zwischen Europas Hauptstädten und Washington gesprochen wird, dafür hatte zuletzt vor allem ein europäisches Quartett gesorgt: Der Franzose Emmanuel Macron und der Brite Keir Starmer hatten Wolodymyr Selenskyj nach dem Eklat im Weißen Haus demonstrativ in ihre Mitte genommen und dann das Gespräch mit Trump gesucht. Zuletzt, bei einer gemeinsamen Reise in die Ukraine, stießen Neu-Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und der polnische Regierungschef Donald Tusk zur Gruppe. Dort und auch zuletzt bei einem Gipfel in Tirana rief die neu formierte Runde Trump zusammen an.

Am Montagabend nun hat Trump nach eigenen Angaben Europa unmittelbar nach dem Putin-Telefonat über den Fortgang informiert. Die Bundesregierung bestätigte das kurz vor 20 Uhr – samt der Teilnehmerliste der Runde. „Teilnehmer des Gesprächs waren neben Bundeskanzler Friedrich Merz die Präsidenten Finnlands, Frankreichs und der Ukraine sowie die italienische Ministerpräsidentin und die EU-Kommissionspräsidentin“, heißt es in der Mitteilung.
Dabei waren also wie zu erwarten (oder zumindest zu erhoffen) Merz, Macron und Selenskyj. Dazu der Finne Alexander Stubb, der mit Trump unlängst Golf spielte. Giorgia Meloni wird bereits seit Längerem ein guter Draht zu Trump nachgesagt, vielleicht gerade wegen ihrer scharf rechten Parteizugehörigkeit. Schon etwas überraschender wirkt, dass Ursula von der Leyen mit in der Leitung war. Noch vor kurzem hatte Trumps Außenminister Marco Rubio EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas bei einem Termin in Washington versetzt. Ins Auge fallen aber die fehlenden Namen: Tusk und Starmer waren nicht in der Leitung.
„Trump brüskiert Starmer Minuten nach Putin-Telefonat“ – Häme in London
Das blieb in London nicht unbemerkt. „Trump brüskiert Keir Starmer Minuten nach Putin-Telefonat“, titelte der nationalkonservative Daily Express über den sozialdemokratischen Premierminister. Ob die offizielle Erklärung aus Starmer Regierungssitz Downing Street 10 überzeugt, liegt wohl im Auge des Betrachters. Starmer sei bei einem Geschäftsempfang gewesen und das Telefonat mit Trump kurzfristig umterminiert worden. Ob Großbritanniens Premier – der sich als Co-Anführer der europäischen Ukraine-Unterstützer in Szene setzt – tatsächlich für das Telefonat nicht kurz die Veranstaltung hätte verlassen können, scheint fraglich.
Tusk hatte schon am Sonntag gefehlt, als Starmer, Macron, Merz und Meloni Trump vor dem Putin-Telefonat ins Gebet nahmen. Allerdings war an diesem Tag auch die erste Runde der wichtigen polnischen Präsidentschaftswahl über die Bühne gegangen. Womöglich beschäftigte sie Tusk auch am Montag noch. Sein Kandidat Rafal Trzaskowski war nur mit knappem Vorsprung vor dem rechten Hardliner Karol Nawrocki ins Ziel gekommen. Eine Stichwahl folgt in knapp zwei Wochen.
Noch Stunden vor dem Termin mit Trump hatte Starmer das Vereinigte Königreich nach dem Brexit wieder näher an die EU geführt. Er unterzeichnete nach Gesprächen unter anderem mit von der Leyen und Kallas mehrere Abkommen, etwa zu Sicherheit und Verteidigung sowie zu Handel und Fischerei. In den sozialen Medien kursierten daraufhin scharfe Vorwürfe von Rechtsaußen: Starmer habe Großbritannien an die EU verkauft – und sei von Trump durchschaut worden. Diese These immerhin scheint reichlich unwahrscheinlich.
Ende für den Ukraine-Krieg: Es ist komplex – USA könnten ein „taktisches Spiel“ spielen
In jedem Fall scheint ein komplexes diplomatisches Spiel rund um mögliche Friedensverhandlungen mit Russland zu laufen – bei dem die Ukraine und Europa nun wieder festerer Bestand von Trumps Runde sind. Meloni, von der Leyen und auch Stubb äußerten sich nach dem Telefonat mit Trump positiv. Womöglich aber auch aus taktischen Gründen: Man versucht offenbar, den wankelmütigen Trump nicht zu verprellen. Selenskyj sprach am Montag gleich zweimal mit Trump. Es sei „für uns alle von entscheidender Bedeutung, dass sich die Vereinigten Staaten nicht von den Gesprächen und dem Streben nach Frieden distanzieren“, betonte er. Diese Gefahr scheint nach Einschätzung von Politikwissenschaftler und IPPEN.MEDIA-Kolumnist Alexander Görlach durchaus real.
Am Sonntag hatte Selenskyj zum ersten Mal seit dem Eklat im Weißen Haus auch wieder Trumps Vizepräsident J.D. Vance getroffen und ihm freundlich die Hand geschüttelt. Auf einem anderen Blatt könnte stehen, wie intern gesprochen wird. Der litauische Ex-US-Botschafter Žygimantas Pavilionis hatte unserer Redaktion im März Einblick in Stimmungslage und Gepflogenheiten von US-Politikern gegeben. Die USA spielten „ein taktisches Spiel“, um Putin zu Verhandlungen zu bringen, erklärte er. Zugleich gelte: „Hinter verschlossenen Türen kann man offen sprechen, aber in der Öffentlichkeit muss man sehr vorsichtig sein.“ In den USA gebe es „ein Protokoll, es gibt klare Regeln“.
Putin und Trump: Wer spielt mit wem?
Ob Trumps Plan im Umgang mit Putin aufgeht, scheint allerdings ebenfalls offen. Der Kremlchef kündigte am Montagabend ein „Memorandum über ein mögliches zukünftiges Friedensabkommen“ an. Viele Beobachter erwarten aber, dass Putin ebenfalls taktiert – bislang hat Russland immer wieder lange bekannte und für die Ukraine untragbare Bedingungen für einen Frieden gestellt, etwa die Preisgabe ukrainisch kontrollierter und völkerrechtlich ukrainischer Gebiete. Zudem forcierte Russlands Armee zuletzt wieder Drohnenangriffe auf die Ukraine.
Putin scheine nach wie vor „nicht wirklich ernsthaft an Frieden, an einem Waffenstillstand interessiert zu sein, jedenfalls nicht zu Bedingungen, die für andere akzeptabel sind“, sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius am Dienstag. Er werde nur noch „Taten und Handlungen“ Russlands bewerten. Der SPD-Politiker forderte unterdessen weitere Sanktionen gegen Russland, vor allem beim für Putins Kriegskasse wichtigen Energie-Export: „Der Strom von Geld, der schon geringer geworden ist, muss noch mehr zu einem Rinnsal werden.“ (fn)