Nachteil Atomausstieg – die neue CO₂-Formel der EU stellt Deutschland ins Abseits
Die EU möchte künftig standortbezogene Emissionsdaten als Berechnungsgrundlage für gehandelte Produkte wie Batterien heranziehen. Doch für deutsche Hersteller kann sich dies als Nachteil herausstellen.
Berlin – Die EU-Kommission hat einen Entwurf zur Berechnung des CO₂-Fußabdrucks für E-Auto-Batterien im Zusammenhang mit der EU-Batterieverordnung vorgelegt. Darin wird eine neue Berechnungs-Methode beschrieben, die sich an der CO₂-Intensität des nationalen Strommixes orientiert. Nun erheben sich allerdings kritische Stimmen.
Der Verband der Automobilindustrie e.V (VDA) hat in einer Stellungnahme mitgeteilt, dass der von der EU-Kommission vorgelegte Entwurf abgelehnt wird: „Mit dem Entwurf definiert die Europäische Kommission die Spielregeln der Ökobilanzierung neu“, hieß es seitens VDA-Präsidentin Hildegard Müller zur Welt am Sonntag. Weitere Experten fürchten, dass dadurch ein erheblicher Standortnachteil für Deutschland entstehen könne.
Laut aktuellem Entwurf der EU-Kommission lehnt die neue Berechnung Erneuerbare-Energien-Zertifikate ab. Die Grünstromzertifikate, oder auch Zertifikate für erneuerbare Energien, erfassen die Umwelteigenschaften einer Megawattstunde (MWh) Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Hersteller von Batterien konnten sich somit bisher das Beziehen grünen Stroms für die Produktion auf die CO₂-Bilanz anrechnen lassen. Wie aus der neuen Vorlage hervorgeht, reicht ein solcher Vertrag („Power Purchase Agreements“) mit entsprechenden Stromlieferanten nicht mehr aus. Damit würde ein Anreiz für die Industrie verloren gehen, „selbst in erneuerbare Energie zu investieren“, so Experte Achim Teuber vom Beratungsunternehmen Systemiq.
Teuber spricht infolgedessen von großen Nachteilen, die für Produkte aus Deutschland, Polen oder Italien resultieren würden. Denn nach der Ökodesign-Richtlinie, die alle Gegenstände erfasst, „deren Nutzung den Verbrauch von Energie in irgendeiner Weise beeinflusst“, muss für ebendiese Produkte innerhalb der EU ein CO₂-Fußabdruck und ein Umwelt-Fußabdruck ausgewiesen werden. Mit dieser Richtlinie beabsichtigt die EU bis 2030 europaweit jährlich etwa 46 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalenten pro Kilowattstunde einzusparen – etwa der jährliche Energieverbrauch Dänemarks.
Deutschlands Atomausstieg: Kohleenergie belastet CO₂-Fußabdruck
Obwohl für das vergangene Jahr ein deutlicher Zuwachs von 52 Prozent an erneuerbaren Energien in Deutschland erzielt wurde, betrug der Anteil an Stein- und Braunkohle laut Daten der Bundesnetzagentur noch immer 23,8 Prozent. Der CO₂-Abdruck lag im Jahr 2023 für Deutschland mit 381 Gramm pro Kilowattstunde über dem europäischen Durchschnitt, wie eine Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt. Damit liegt Deutschland hinter den meisten europäischen Nachbarländern auf Platz 22. Frankreich beispielsweise nutzt weiter Atomenergie und erzeugt einen CO₂-Abdruck von gerade mal 56 Gramm.

Für einen Importüberschuss von 11,7 Terawattstunden sorgte hierzulande der Atomausstieg im April 2023. „Der starke Anstieg von Stromimporten nach Abschaltung der deutschen Kernkraftwerke ist unübersehbar. Zu Zeiten, in denen Erneuerbare nicht verlässlich liefern, ist Deutschland sehr abhängig vom Ausland geworden“, sagte Michael Kruse, energiepolitische Sprecher der FDP gegenüber dem Tagesspiegel. Deutscher Atomstrom ist demnach mit französischem Atomstrom ersetzt worden.
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Laut dem Kommissions-Entwurf sollen künftig standortbezogene Energiedaten für die CO₂-Berechnung herhalten. Dementsprechend würde Deutschland in Europa einen erheblichen Standortnachteil erleiden. „Dies widerspricht dem Ziel, den Anteil der erneuerbaren Energien in Europa auszubauen“, monierte Müller vom VDA. Demnach stehe der Vorschlag der Kommission in Widerspruch zur Strategie der EU „und würde für bestehende Standorte in Deutschland signifikante Nachteile mit sich bringen“.
Ausbau der Erneuerbaren Energien: Ampelkoalition will Abschaltung der Kohleanlagen beschleunigen
Mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, der im Februar 2022 begann, rutschte Deutschland aufgrund der Sanktionen gegenüber Russland in eine Energiekrise. Auf Kohle, Erdöl und auch bestimmte Gasimporte verhängte man seitens der Regierung Einfuhrverbote. Experten zweifelten an der Sicherheit der Energieversorgung.
Am 15. April 2023 wurden zudem die letzten drei Atomkraftwerke eingestellt. Noch immer muss russisches Gas importiert werden, um die Versorgung Europas zu sichern. Die Preise für Strom und Gas sind infolgedessen enorm gestiegen und haben besonders energieintensive Branchen stark belastet. Um die Abhängigkeit von Russland zu verringert, begann die Ampelkoalition mit Diversifizierung-Maßnahmen. Das weitere Nutzen Kohleenergie sei für die Sicherung der Energieversorgung in Land unvermeidlich gewesen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erklärte, dass durch den vorangetriebenen Ausbau von erneuerbaren Energien mittlerweile mehrere Kohlekraftwerke nicht mehr benötigt würden. Über Ostern wurden im Rheinischen Revier und Brandenburg sind laut Angaben des Energieunternehmens RWE sieben Braunkohlekraftwerke stillgelegt worden. Zudem seien acht mittlere und kleinere Steinkohleanlagen ebenso abgeschaltet, wie die Bundesnetzagentur mitteilte. „Angesichts der sich verschärfenden Klimakrise sind die Stilllegungen von Kohlekraftwerken eine wichtige Maßnahme, um Treibhausgase zu reduzieren“, bestätigte Bundestagsabgeordnete Kathrin Henneberger (Grüne).
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