Lauterbachs Cannabis-Versprechen vor dem Aus: Wohl keine Gras-Geschäfte – Schwarzmarkt bleibt
Karl Lauterbach versprach den unkomplizierten Cannabis-Kauf in Geschäften. Nun sagt selbst der zuständige SPD-Berichterstatter: Das wird nichts.
Im April 2023 präsentierte Karl Lauterbach ein „Fortschrittsprojekt“. Nach monatelangem Hin und Her konnte der Gesundheitsminister die Eckpunkte für sein Cannabis-Gesetz vorstellen. Das Kabinett einigte sich auf ein Zwei-Säulen-Modell, das den Konsum in Deutschland liberalisieren soll. Im Kern sieht es folgendes vor:
- Säule 1: Eigenanbau und Besitz von Cannabis erlaubt, Abgabe in Cannabis-Clubs möglich
- Säule 2: Verkauf in lizenzierten Fachgeschäften in bestimmten Modellregionen
Säule 1 ist seit April 2024 umgesetzt. Erwachsene dürfen auch in der Öffentlichkeit kiffen und bis zu 25 Gramm Cannabis mitführen. Zu Hause darf man bis zu 50 Gramm besitzen. Wer nicht selbst anbauen möchte, kann sein Gras in Cannabis-Clubs bekommen. Weil diese in den meisten Bundesländern noch nicht öffnen dürfen, bleibt für viele Konsumenten bislang nur der Schwarzmarkt.
Säule zwei: Lauterbach wollte im Sommer 2023 Entwurf vorlegen
Säule 2 soll einen kommerziellen Markt darstellen. Wie in anderen Ländern soll man in ausgewählten Regionen in Fachgeschäfte gehen und dort sein Cannabis kaufen können. Das könnten zum Beispiel Apotheken sein. „Wir wollen durch regionale Modellvorfahren kommerzielle Lieferketten aufbauen“, versprach Lauterbach 2023. „Dadurch gestalten wir den Anbau noch sicherer und können die Regelungen von staatlicher Seite noch besser kontrollieren.“
Zu Säule 2 hieß es im April 2023, ein Gesetzesentwurf werde nach der Sommerpause vorgestellt. Zwei Sommerpausen später ist allerdings immer noch nichts passiert. Und so scheint es äußerst unwahrscheinlich, dass Karl Lauterbach sein Versprechen überhaupt noch umsetzt. Selbst innerhalb der SPD gibt es Zweifel.
SPD zweifelt an Cannabis-Gesetz: „Ministerium hat keinen Entwurf vorgelegt“
Dirk Heidenblut ist SPD-Berichterstatter für das Cannabis-Gesetz. Er geht derzeit nicht davon aus, dass das Gesetz noch kommt, wie er unserer Redaktion erklärt. Woran es scheitert, ist unklar. „Genau kann ich das leider nicht sagen, offensichtlich gibt es zwischen den beteiligten Ressorts keine Einigung“, so Heidenblut. Involviert sind unter anderem auch das Landwirtschafts-, Justiz- oder das Verkehrsministerium. „Das Gesundheitsministerium hat bisher auf jeden Fall keinen Entwurf vorgelegt.“ Dabei drängt die Zeit, in einem Jahr findet die nächste Bundestagswahl statt. „Es müsste zumindest sehr kurzfristig einen Referentenentwurf geben“, so Heidenblut.
Danach sieht es nicht aus. „Die Arbeiten der Bundesregierung an der Vorbereitung der zweiten Säule umfassen komplexe fachliche und rechtliche Fragen und erfordern eine Abstimmung zwischen den beteiligten Ressorts“, heißt es aus dem Ministerium recht unkonkret auf unsere Anfrage. „Diese regierungsinterne Abstimmung ist noch nicht abgeschlossen.“
Die FDP macht dementsprechend Druck: „Das Bundesgesundheitsministerium hat zugesagt, an einem Entwurf für die zweite Säule der Legalisierung zu arbeiten“, sagt uns die drogenpolitische Sprecherin der FDP, Kristine Lütke. „Hier nehme ich den Minister beim Wort.“ Lütke weiter: „Säule zwei muss jetzt so schnell wie möglich kommen.“
Cannabis-Gesetz: „Ziele, den Schwarzmarkt einzudämmen, werden verfehlt“
Kritik kommt auch aus der Opposition. Der drogenpolitische Sprecher der Linken, Ates Gürpinar, sagt IPPEN.MEDIA: „Ich rechne nicht mehr mit einem Gesetz zur zweiten Säule bis Ende der Wahlperiode.“ Linke-Nachfragen bei den zuständigen Ampel-Politikern sowie dem Gesundheitsministerium „liefen ins Leere“, so Gürpinar. „Damit bricht die Bundesregierung mit ihrem Versprechen, Cannabis umfassend zu legalisieren. Die Ziele, den Schwarzmarkt einzudämmen, werden dadurch verfehlt.“
Denn: Wer nicht anbauen möchte oder kann, muss damit weiter zum Dealer gehen. Denn selbst die Cannabis-Clubs dürften nicht alle erreichen. Zumal es einige Freizeitkonsumenten geben dürfte, die sich nicht in einem Cannabis-Club anmelden möchten. Sie hatten auf die zweite Säule gehofft und sich ein Szenario wie etwa in den Niederlanden gewünscht: Rein in den Shop, Joint kaufen, konsumieren. Gerne auch in seriösen Apotheken statt windigen Coffee-Shops. Doch daraus wird mit dem mutmaßlichen Ende der Säule zwei nichts. Es bleibt nur der Schwarzmarkt.
Der Union dürfte das abermalige Hin und Her beim Cannabis-Gesetz Recht sein, ist sie doch ohnehin strikt gegen die Cannabis-Freigabe. „Dieses verantwortungslose und gefährliche Gesetz wird eines der allerersten Ampel-Projekte sein, die wir nach einem Regierungswechsel rückgängig machen werden“, erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU, Tino Sorge, unserer Redaktion.