Kommentar von USA-Experte Josef Braml - Mehrheit im Senat: „In der neuen Trump-Regierung fehlen künftig die 'Erwachsenen'“
Die Amerikaner haben Donald Trump erneut zum Präsidenten gewählt und ihm mit einer „geeinten Regierung“ zusätzliche Machtfülle verschafft. Mit Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses könnte der nächste US-Präsident Trump seine staatsfeindliche Agenda rascher umsetzen, analysiert der USA-Experte Josef Braml.
Die Republikaner gewannen bei dieser Wahl mehr Sitze im Abgeordnetenhaus und auch den Senat zurück. Checks and Balances werden Trump nicht daran hindern, seinen Plan des radikalen Staatsabbaus voranzutreiben.
Trumps Verbündete im Abgeordnetenhaus
Beim „divided government“ wäre der Sprecher des Abgeordnetenhauses der Hauptgegner des Präsidenten, während er bei einem „unified government“ ein Verbündeter ist, der Mehrheiten für die politischen Initiativen des Weißen Hauses organisiert. Obwohl der Sprecher des Abgeordnetenhauses, der Republikaner Mike Johnson, nicht die Sanktionsmittel eines Fraktionschefs wie im deutschen parlamentarischen Regierungssystem hat, stehen ihm durch die Geschäftsordnung dennoch wirksame Machtinstrumente zur Verfügung.
Bereits in seiner ersten Amtszeit hat Trump mithilfe staatsfeindlicher Republikaner sein wichtigstes Ziel, die Steuerreform, erreicht. Mit der künftigen Umsetzung von Trumps Wirtschaftsplänen, die an die „Zauber-Ökonomie“ Ronald Reagans erinnern, werden – wie schon in den 1980er Jahren – die ohnehin schon exorbitanten Staatsschulden weiter ansteigen. Bereits jetzt laufen sie aus dem Ruder: Seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2007/2008 haben sie sich auf derzeit 35 Billionen Dollar vervierfacht; darin sind die Schulden der Einzelstaaten und Kommunen nicht einmal eingerechnet.
Über Josef Braml

Dr. Josef Braml ist einer der weltweit renommiertesten USA-Experten und der European Director der Trilateralen Kommission – einer einflussreichen globalen Plattform für den Dialog eines exklusiven Kreises politischer und wirtschaftlicher Entscheider/innen Amerikas, Europas und Asiens zur kooperativen Lösung geopolitischer, wirtschaftlicher und sozialer Probleme. Dr. Braml verfügt über 20 Jahre Erfahrung in angewandter Forschung und Beratung weltweit führender Think Tanks, unter anderem bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), dem Aspen Institut, der Brookings Institution, der Weltbank und als legislativer Berater im US-Abgeordnetenhaus.
Leere Kassen lassen künftige Regierungen ins Leere laufen. Trumps Schuldenpolitik zielt darauf ab, den Staat auf die minimale Rolle zu reduzieren, wie es Lobbyisten wünschen. Libertäre Strategen wie Grover Norquist wollen den Staat so klein wie möglich machen, damit man ihn „wie ein Baby im Bade ertränken“ könne – so eine häufig zitierte Witzelei des Chefs der Vereinigung „Americans for Tax Reform“.
In seinem Büro in Washington treffen sich wöchentlich bis zu 150 Vertreter zur Diskussion der Steuerpolitik. Norquist hat eine Mehrheit der Republikaner im Abgeordnetenhaus und Senat dazu gebracht, keine Steuererhöhung mehr zu unterstützen. Dies könnte den amerikanischen Staat bald handlungsunfähig machen, besonders angesichts der demografischen Entwicklungen und der Aufrüstung gegen China, die weitere Verschuldung verursachen werden.
Wenig Kontrolle durch den Senat
Trump und die Republikaner haben viel Zeit und Geld investiert, um die Mehrheit im Senat zurückzugewinnen. Diese ist entscheidend für Trumps Pläne zum Staatsabbau, unterstützt von Interessengruppen und wohlhabenden Spendern. Sie finanzieren Wahlkampfspenden und PACs, um den staatlichen Einfluss zu minimieren, besonders in der Energie- und Umweltpolitik, wo sie auf Deregulierung setzen.
Eine demokratische Mehrheit im Senat hätte Trump durch Einfluss auf die Gesetzgebung und die Justiz daran hindern können, Amerika langfristig zu verändern, indem er weitere Richter auf Lebenszeit einsetzt.
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Libertäre Rechtsprechung des Supreme Court
Die Ernennung neuer Richter durch den Präsidenten kann die Entscheidungen des Supreme Court erheblich beeinflussen und damit auch die amerikanische Demokratie und Gesellschaft. Mit seinen Richterbenennungen kann Trump seinen Plan zum „Rückbau des Verwaltungsstaates“ umsetzen.
Bereits unter der ersten Trump-Administration begann die gezielte Neuausrichtung der richterlichen Gewalt, die eigentlich als unabhängiges Kontrollorgan fungieren sollte. Schritt für Schritt beeinflusste das Weiße Haus unter Trump die Bundesgerichtsbarkeit von den unteren Ebenen bis hin zum Supreme Court.
Trumps schnelle und effektive Handlungsfähigkeit zeigte sich in Neil Gorsuchs Nominierung zum Supreme Court nur elf Tage nach Trumps Amtsantritt im Januar 2017. Im Gegensatz zu Obama, der über ein Jahr scheiterte, seinen Kandidaten durchzusetzen, nutzte Trump die (durch die zuvor kurzsichtige Regeländerung der Demokraten ermöglichte) „Nuklearoption“, um die Kontrollmechanismen im Parlament zu umgehen und seine Wahl durchzubringen.
Der auf die Demontage des Staates ausgerichtete Präsident Trump sicherte sich so weitere Mitstreiter an der Spitze der amerikanischen Gerichtsbarkeit: Neil Gorsuch (2017), Brett Kavanaugh (2018) und Amy Coney Barrett (2020) wurden von Trump ernannt und damit eine neue konservative Mehrheit des neun-köpfigen Gremiums etabliert. Diese Ernennungen auf Lebenszeit stärkten Trumps Unterstützung bei christlich Rechten und staatskritischen Gruppen und könnten die US-Gesellschaft langfristig verändern.
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Die Exekutive des radikalen Staatsabbaus
In der neuen Trump-Regierung fehlen künftig die „Erwachsenen“, die während seiner ersten Amtszeit noch Radikaleres verhindert haben. Trumps ehemaliger Chefstratege Stephen Bannon wollte damals den „Rückbau des Verwaltungsstaates“ vorantreiben. Während hochrangige Mitarbeiter wie der damalige Stabschef im Weißen Haus John Kelly und Verteidigungsminister James Mattis früher gegen Trumps radikale „Neigungen“ arbeiteten, hat Trump nun ein Team von Loyalen um sich geschart, die seine Agenda durchsetzen.
Elon Musk, der als „Staatsfeind Nummer Zwei“ bezeichnete Milliardär, will in der künftigen Trump-Nichtregierungsorganisation mitmischen, um dafür zu sorgen, dass der Staat und dessen Regulierungen – auch im Sinne seiner Geschäftsinteressen – auf ein Minimum zurechtgestutzt werden. Unter dem Namen „Projekt 2025“ haben Hunderte Konservative schon seit Längerem die erhoffte zweite Amtszeit von Trump vorbereitet. Ein mit mehr Machtfülle ausgestatteter Präsident soll nach seiner Machtübernahme „eine ganze Armee loyaler, gut vorbereiteter und politisch gut bewaffneter Konservativer zum Einsatz bringen für die Schlacht gegen den 'tiefen Staat'.“ Der Begriff „deep state“ wird von Trump und seinen Anhängern verwendet, um die etablierte, als linksliberal wahrgenommene Regierungsbürokratie zu bezeichnen, die ihrer Meinung nach beseitigt werden soll.
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