Wissenschaftlicher Durchbruch: Rätsel um verschwundene Mars-Atmosphäre könnte gelöst sein
Vom „urlaubsähnlichen Strand“ zum lebensfeindlichen Wüstenplaneten: Forscher haben den Mechanismus entdeckt, der dem Mars sein Wasser raubte.
Boulder – Seit Jahrzehnten beschäftigt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine faszinierende Frage: Was geschah mit dem Wasser, das einst die Oberfläche des Mars bedeckte? Die Beweise für die einstige Existenz von Wasser auf dem roten Planeten sind überwältigend. Sowohl der Nasa-Rover „Curiosity“ als auch sein Nachfolger „Perseverance“ haben zahlreiche Hinweise darauf entdeckt.
Einige Forschende vertreten sogar die These, dass der Mars in seiner frühen Geschichte von einem gewaltigen Ozean bedeckt war, mit Küstenlinien, die an „urlaubsähnliche“ Strände auf der Erde erinnern könnten. Doch sowohl das Wasser als auch die schützende Atmosphäre, die das flüssige Wasser erst möglich machte, sind längst verschwunden – ein kosmisches Rätsel, das nun seiner Lösung näher zu sein scheint.
Nasa-Raumsonde „Maven“ beobachtet, wie die Mars-Atmosphäre zerstört wird
Ein internationales Wissenschaftsteam hat jetzt erstmals einen Prozess direkt beobachtet, der erklären könnte, wie der Mars seine Atmosphäre und damit auch sein Wasser verlor. Die Nasa-Raumsonde „Maven“ (Mars Atmosphere and Volatile Evolution), die seit 2014 den roten Planeten umkreist, lieferte die entscheidenden Daten für diese Entdeckung. Die Sonde konnte ein Phänomen namens „atmosphärisches Sputtern“ nachweisen – ein Vorgang, bei dem hochenergetische Teilchen Atome aus der Atmosphäre eines Planeten regelrecht herausschlagen und ins All befördern.
Shannon Curry, leitende Wissenschaftlerin der „Maven“-Mission an der Universität von Colorado Boulder und Hauptautorin der Studie, veranschaulicht den Prozess mit einem bildlichen Vergleich: „Es ist wie eine Kanonenkugel in einem Schwimmbecken. Die Kanonenkugeln sind in diesem Fall die schweren Ionen, die sehr schnell in die Atmosphäre eindringen und neutrale Atome und Moleküle herausschleudern.“
Chemischer Prozess schlägt Teilchen aus der Mars-Atmosphäre heraus
Bereits zuvor hatten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler indirekte Hinweise auf diesen Prozess gefunden. Besonders aufschlussreich war dabei das Verhalten des Edelgases Argon in der Mars-Atmosphäre. Es existieren dort sowohl leichte als auch schwere Isotope dieses Elements, wobei die leichteren Varianten in höheren Atmosphärenschichten zu finden sind. Die Analysen zeigten jedoch ein deutliches Ungleichgewicht: Es gab wesentlich weniger leichte Argon-Isotope als schwere – und die leichten Isotope können nur durch Sputtern aus der Atmosphäre entfernt werden.
Das war ein starkes Indiz, dass dieser Prozess auf dem Mars stattfinden musste. „Es ist, als ob wir die Asche eines Lagerfeuers gefunden hätten“, beschreibt es Curry. „Aber wir wollten das eigentliche Feuer, in diesem Fall das Sputtern, direkt sehen.“ Die „Maven“-Sonde machte dies möglich. Durch die koordinierte Arbeit mehrerer Instrumente, die gleichzeitig Messungen in der Mars-Umlaufbahn durchführten, konnte das Team eine detaillierte Karte des Sputter-Phänomens erstellen. Diese zeigte deutlich den Zusammenhang mit dem Sonnenwind – jener Strom geladener Teilchen, der ständig von der Sonne ausgeht.
Verlust der Mars-Atmosphäre wird durch Sonnenstürme beschleunigt
Die Ergebnisse, die im renommierten Fachjournal Science Advances veröffentlicht wurden, enthielten eine Überraschung: Das atmosphärische Sputtern findet mit einer viermal höheren Rate statt als zunächst angenommen. Bei Sonnenstürmen verstärkt sich dieser Effekt sogar noch weiter. „Diese Ergebnisse belegen die Rolle des Sputterns beim Verlust der Mars-Atmosphäre und bei der Bestimmung der Geschichte des Wassers auf dem Mars“, betont Curry. Die Entdeckung könnte erklären, wie der einst möglicherweise lebensfreundliche Mars zu der trockenen, kalten Wüstenwelt wurde, die wir heute kennen. (tab)