Heftige Zusammenstöße mit Bären nehmen zu – Experte erklärt, warum

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Schwere, teils tödliche Braunbär-Attacken besorgen Bewohner und Behörden in der Slowakei. Ein Experte erklärt, warum sich solche Zwischenfälle häufen.

Bratislava – Gehetzt, beinahe zornig stürmte ein Bär Mitte März durch die Touristenstadt Liptovský Mikuláš und nahm Fußgänger ins Visier. Videos von Umstehenden auf Social-Media sorgten weit über die Grenzen von Slowakei hinaus für Erstaunen. Allerdings war der wütende Auftritt des Bären längst nicht das einzige Zusammentreffen mit dem Wildtier.

Innerhalb weniger Wochen im März und April 2024 sind mehr als ein Dutzend Menschen zum Teil schwer verletzt worden. Eine Wanderin stürzte auf der Flucht vor einem Braunbären in den Tod. Doch die Zusammenstöße waren mitnichten nur in Waldgebieten – alleine bei dem Vorfall in Liptovsky Mikulas wurden fünf Fußgänger verletzt. Dahinter steckt eine zunehmende Dynamik aus Revierverhalten und Überpopulation, erklärt ein Experte.

„Raubüberfall“ auf Slowakei-Kleinstadt: Ruf nach Bären-Abschuss wird lauter

Spätestens nach dem „Überfall“ in der slowakischen Kleinstadt werden die Rufe von Bewohnern und Politikern nach gezielten Abschüssen der grundsätzlich geschützten Tiere lauter. „Wir hatten einen Fall, bei dem ein Bär die Bewohner von Liptovský Mikuláš brutal und räuberisch angegriffen hat. Eine Person hat fast ein Auge verloren“, sagte ein Gemeindesprecher gegenüber des Nachrichtenportals ta3.com scharf. „Es ist höchste Zeit, etwas gegen die Situation der übermäßigen Bärenzahl zu unternehmen“, wurde damals auch der Bürgermeister von Liptovský Mikuláš deutlich.

Dass die Konflikte zwischen Bär und Mensch zugenommen haben, attestierte auch Jaroslav Slastan. Er gehört der staatlichen Naturschutzorganisation SOPSR an, leitet eines von fünf „Einsatzteams Braunbär“ in der Slowakei. Dass es um den Frühlingsbeginn besonders häufig zu Zwischenfällen kommt, erklärt Slastan damit, dass in dieser Zeit die Bärinnen ihre im Winter geborenen Jungen ausführen. Um sie zu schützen, entschieden sie sich häufig für die Flucht nach vorne.

Zusätzlich erhöht wird ihre Reizbarkeit durch das Phänomen des sogenannten Infantizids: Herumwandernde männliche Bären töten fremde Jungtiere, um sich dann selbst mit deren Mutter zu paaren und die eigenen Gene zu verbreiten. Bärinnen suchen daher gelegentlich mit ihren Jungen die Nähe menschlicher Behausungen, weil sie hoffen, dass die Männchen diesen fernbleiben. Das erhöht aber das Risiko überraschender Begegnungen mit Menschen.

Wildtier-Experte erklärt Bären-Verhalten: Suchen auch Schutz bei Menschen

Das Vordringen von Bären in bewohntes Gebiet hat aber auch mit lokalen Überpopulationen und damit zusammenhängender Verdrängung zu tun, sagt Slastan. Deshalb hält auch er gezielte Reduktionen in solchen Gebieten für unausweichlich. Das Phänomen der „Containerbären“, die in Wohngebieten Mülleimer plündern, wurde in der Slowakei durch Präventivmaßnahmen reduziert.

Ein Bär hetzte Mitte März durch eine Kleinstadt in der Slowakei und verwundete Fußgänger. Der Wildtierexperte Jaroslav Slastan erklärt das Verhalten. (Foto-Collage)
Schwere, teils tödliche Braunbär-Attacken besorgen Bewohner und Behörden in der Slowakei. Ein Experte erklärt, warum sich solche Zwischenfälle häufen. © Facebook/T Taxi Liptov/ dpa

Verlockend bleibt für die Allesfresser jedoch weiterhin das Nahrungsangebot von Obstgärten oder kleinen Nutztieren wie Kaninchen oder Hühnern. Slastans Einsatzteam beobachtete zudem Fälle, in denen sich Forstbedienstete ein illegales Nebeneinkommen beschafften, indem sie absichtlich Nahrung in der Nähe menschlicher Siedlungen auslegten, um Bären als Attraktion für Fototouristen anzulocken.

Bärenzahl steigt und kommt auch Menschen nah – Größte Gefahr jedoch Achtlosigkeit

Die häufigsten Verletzungen von Menschen geschehen aber dann, wenn diese unvorsichtig in das natürliche Umfeld der Bären vordringen, erklärt der Experte. Die wichtigsten Schutz-Regeln gegen Bären klingen nach Slastan einfach: Dicht bewachsenes Gelände abseits markierter Wege meiden, durch hörbares Sprechen, Singen oder andere Geräusche auf sich aufmerksam machen und damit den Bären rechtzeitiges Ausweichen ermöglichen. Bei Regen oder Dunkelheit sei damit zu rechnen, dass Menschen von Bären weniger leicht wahrgenommen werden.

Sollte man trotz solcher Vermeidungsstrategien auf einen Bären stoßen, rät Slastan, nicht davonzulaufen, sondern sich langsam zu entfernen. Lautes Schreien oder Gegenstände nach den Tieren zu werfen, reize sie eher als sie zu verscheuchen. Dass sich Bären durch das Zuwerfen von Futter „ablenken“ lassen, sei ein Irrglaube: „Das Tier greift uns ja nicht aus Hunger an, sondern weil es sich bedroht fühlt“, so der Wildtier-Experte. (rku mit dpa)

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