Der Bahn fehlen Millionen – Bahnverbände warnen vor Ausbaustopp

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Die Bundesregierung steckt Milliarden in den Ausbau des deutschen Gleisnetzes. Das Haushaltsurteil warf einen Teil dieser Pläne um. Schon schlagen die Bahn-Verbände Alarm.

Berlin – Es fehlen 773 Millionen Euro für den neuen Güterverkehrs-Korridor zwischen Uelzen nach Halle, 16 Millionen Euro für die Digitalisierung der Hamburger S-Bahn, 186 Millionen Euro im Güterverkehr. Das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts hat Milliardenlöcher in die Planung zum Ausbau der Schiene gerissen. Statt Neubau steht jetzt die Sanierung der maroden Gleise auf der Prioritätenliste ganz oben. Vonseiten der Bahnverbände kommen bereits Warnungen, dass am Ende der Fahrgast dafür büßt.

Neupriorisierung bei Bahn-Unternehmen – Sanierung statt Neubau

Die Bahn hatte auf das Chaos um den Bundeshaushalt mit einer Neupriorisierung ihrer Projekte geantwortet. Zum Beispiel hatte die Infrastruktur-Gesellschaft DB InfraGo angekündigt, sich vorerst um die Sanierung des bestehenden Netzes zu kümmern. Dafür gerieten vielerlei Modernisierungsmaßnahmen aufs Abstellgleis. Über ein entsprechendes Schreiben hatte zuerst der Spiegel berichtet.

29.01.2024, Berlin - Deutschland. Bahnhof Potsdamer Platz. *** 29 01 2024, Berlin Germany Potsdamer Platz station
Der Bahn fehlen Millionen – Bahnverbände warnen vor Ausbaustopp © IMAGO / Sabine Gudath

Vonseiten der Bahn hieß es, dass der Staatskonzern „unverändert“ an Neu- und Ausbauvorhaben festhalte. „Der Fokus bei der Umsetzung liegt, wie mit dem Bund vereinbart, zunächst auf der Modernisierung und Erneuerung des Bestandsnetzes und auf den Projekten, die bereits im Bau sind“, erklärte der Staatskonzern. Ein Mitglied des Bahn-Betriebsrats hatte angegeben, dass die Bahn „offensichtlich Planspiele zum Stopp von Neubauvorhaben“ durchführe. Auf Ippen-Anfrage diesbezüglich hatte sich der Konzern noch nicht zurückgemeldet.

Bahn-Verbände schlagen Alarm

Nachdem diese Pläne vor wenigen Tagen an die Öffentlichkeit geraten waren, melden sich nun die Bahnverbände zu Wort und befürchten gravierende Folgen für die Fahrgäste. „Wir brauchen parallel zur Sanierung maroder Gleise auch neue Schienenverbindungen“, sagte Dirk Flege, Geschäftsführer des Verbands pro Schiene, gegenüber Funke-Zeitungen. Ansonsten würde der Deutschlandtakt „frühestens 2070“ kommen.

Einen ähnlichen Ton schlägt Karl-Peter Naumann an, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn. Er nannte die Kürzungen einen „schweren Schlag gegen die Verkehrswende“. Außerdem würden sie das Ziel der Klimaneutralität gefährden. Zwar würden sich die Aus- und Neubauprojekte „nur“ verzögern, aber auch dies zeuge nicht „von einer zukunftsgewandten Verkehrspolitik“. Es seien zusätzliche Kapazitäten notwendig, wenn sich der Personen- und Güterverkehr auf die Schiene verlagern soll.

Klimaziele leiden unter neuen Plänen – und der Fahrgast auch

Die Allianz pro Schiene hatte weiterhin bemängelt, dass sich all die Verzögerungen negativ auf die Klimaziele der Bundesregierung auswirken würden. „Bei allem Verständnis für die schwierige Haushaltssituation: Wer Lkw-Transport auf die Schiene verlagern will, darf keine 186 Millionen Euro bei den Güterbahnen streichen“, sagte Flege dazu in einer Verbandsmeldung. Auch die Kürzung um 250 Millionen Euro beim europäischen Zugsicherungssystem sei „ein ganz schlechtes Signal“ für die Digitalisierung des Zugverkehrs.

Allerdings bewertete die Allianz die Bemühungen der Bundesregierung, weiter hohe Summen in die Schieneninfrastruktur zu investieren, positiv. Als Beispiel nannte Flege hier die Sanierung der Hochleistungskorridore. Pro Schiene schlägt einen mehrjährigen Fonds für die Schieneninfrastruktur vor – eine solche Maßnahme würde Finanzierungssicherheit geben und ein „zuverlässigeres System Schiene“ schaffen.

Europa investiert in Deutschlands Schiene

Zusätzlich holt sich die Bundesregierung Hilfsmittel aus EU-Töpfen, um den Ausbau der Schiene zu finanzieren. Auf Europa-Ebene ist die sogenannte „Connecting Europe Facility“ (CEF) zentral für die Finanzierung von Infrastruktur verantwortlich. Erst vor wenigen Tagen hatte der CEF-Ausschuss einem Vorschlag der Europäischen Kommission zugestimmt, der sich auf die Förderung von „Dual Use“-Projekten im transeuropäischen Verkehrsnetz bezog. Damit sind alle Projekte gemeint, die einen doppelten Verwendungszweck haben. Gleise zum Beispiel dienen sowohl dem Personenverkehr als auch militärischen Transporten.

„Mit den in Höhe von fast 92 Millionen Euro in Aussicht gestellten EU-Mitteln aus der Connecting Europe Facility wird einem weiteren deutschen Projektantrag vollumfänglich entsprochen“, teilte das Bundesministerium für Digitales und Verkehr dazu mit. Bundesminister Volker Wissing (FDP) sagte dazu: „Für die Verteidigung Europas brauchen wir eine starke Schiene. Ich begrüße es sehr, dass wir dabei erneut von der EU unterstützt werden. Das Geld fließt in den Neu- und Ausbau strategisch wichtiger Infrastrukturen und Anlagen, von denen neben den militärischen in erheblichem Maße auch die zivilen Güterverkehre profitieren.“

Über die letzten drei Jahre hatte das BMDV Fördermittel in Höhe von mehr als 296 Millionen Euro eingeworben. Die EU beteilige sich hier mit 50 Prozent an den Gesamtkosten von Verkehrsprojekten, die insgesamt über 592 Millionen Euro schwer sind. Überwiegend handelt es sich um Projekte zum Ausbau der Ten-V-Kernnetzkorridore und zur Verbesserung von Umschlagkapazitäten für den Güterverkehr. Das BMDV nennt hier im Besonderen Überholgleise, Brückenertüchtigung und den Ausbau von Terminals für den kombinierten Verkehr.

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