Abstrafung oder Aufbruch? Klingbeil vor SPD-Parteitag unter Druck

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Der SPD-Parteitag wird wohl zur Bewährungsprobe für Parteichef Lars Klingbeil. Die Sozialdemokraten erwarten Antworten auf drängende Fragen.

Berlin – Die SPD trifft sich zum vorgezogenen Parteitag. Am Freitag (27. Juni) soll es unter anderem um das historisch schlechte Bundestagswahl-Ergebnis der Partei gehen: Parteichef Lars Klingbeil steht unter Druck. Nur ein Teil der Doppelspitze musste nach dem Wahldebakel Konsequenzen ziehen: Saskia Esken verliert ihre Position. Als Nachfolgerin ist Arbeitsministerin Bärbel Bas vorgesehen.

SPD-Parteitag in Berlin: Bewährungsprobe für Parteichef Lars Klingbeil

Für Klingbeil gestaltete sich die Situation völlig anders: Der Parteivorsitzende hatte kurz nach der Wahl die Initiative ergriffen und sich zum neuen Fraktionschef küren lassen. Mit Amtsantritt der schwarz-roten Regierung wartete bereits der nächste Aufstieg: Heute bekleidet Klingbeil die Posten des Vizekanzlers und Finanzministers. Mit Hinblick auf die Bundestagswahl 2029 dürfte dennoch sowohl der Parteivorsitz als auch die Unterstützung der Parteibasis für den Politiker entscheidend sein: Als Kanzlerkandidat der SPD kommt dann womöglich Lars Klingbeil infrage.

Der SPD-Vorsitzende gilt als ehrgeizig und selbstbewusst. Obwohl er sich nicht ausdrücklich zu seinen Ambitionen äußert, scheint eine Kanzlerkandidatur von Klingbeil naheliegend. Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, Kanzler zu werden, antwortete er in einer Talkshow laut Tagesschau-Portrait: „Ich bin SPD-Vorsitzender und total zufrieden.“ Und fügte hinzu: „Aber ich kann mir auch noch mehr vorstellen.“

SPD arbeitet bei Parteitag Bundestagswahl-Ergebnis auf: Klingbeil unter Druck

Bevor der Blick auf 2029 gerichtet werden kann, steht beim dreitägigen SPD-Parteitag zunächst die Bundestagswahl 2025 im Fokus. Die Sozialdemokraten erzielten dort mit 16,4 Prozent das schlechteste Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik. Die SPD sucht nach den Ursachen, und als Teil der Parteiführung steht Klingbeil besonders unter Druck.

Bereits bei Parteitagen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen musste sich der Finanzminister heftiger Kritik stellen. Delegierte in NRW warfen ihm programmatische Planlosigkeit und Ämterhäufung vor. Auch der Parteinachwuchs äußerte sich kritisch. Juso-Chef Türmer bezeichnete Klingbeil nach der Wahl im Februar als einen der „Architekten des Misserfolgs“.

Juso-Chef erwartet auf SPD-Parteitag Antworten von Klingbeil

Kurz vor dem Parteitag in Berlin sagte der Juso-Chef: „Ich kann mich an keine Person mit so viel Macht und Verantwortung in der SPD erinnern“, wie sie derzeit Lars Klingbeil innehat. Mit seiner erneuten Kandidatur fordere der SPD-Vorsitzende „einen Vertrauensvorschuss ein, den er auf dem Parteitag begründen müssen wird“, erklärte Türmer im Gespräch mit ntv. Klingbeil müsse „seine Perspektive auf eine mögliche SPD-Vision liefern und Antworten haben, wie sich die SPD gut für die Zukunft aufstellen kann“.

SPD-Parteitag: Lars Klingbeil kandidiert erneut als Parteivorsitzender. (Symbolbild)
SPD-Parteitag: Lars Klingbeil kandidiert erneut als Parteivorsitzender. (Symbolbild) © Felix Zahn

Die Wahlniederlage wird jedoch nicht das einzige Thema sein, bei dem Klingbeil auf dem Parteitag unter Druck geraten könnte. Auch das Thema Mindestlohn birgt Konfliktpotenzial: Am Freitagmittag soll die Mindestlohnkommission in Berlin die Höhe des Mindestlohns ab 2026 verkünden. Die von der SPD geforderte Erhöhung auf 15 Euro soll es Berichten zufolge wohl noch nicht geben. Zudem könnte das Thema Wehrpflicht zu einer kontroversen Diskussion führen.

SPD-Parteitag: Erhoffter „Wendepunkt“ könnte für Klingbeil mit Abstrafung beginnen

SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf betonte am Dienstag, der Parteitag müsse zu einem „Wendepunkt nach vorne“ werden. Für Klingbeil könnte dieser Wendepunkt mit einer Abstrafung beginnen: Bei der Wahl des Parteivorsitzes wird er voraussichtlich ein schlechteres Ergebnis erzielen als Arbeitsministerin Bas. Der Parteitag dürfte ein erstes Stimmungsbild darüber liefern, ob Klingbeil auch über die kommenden vier Jahren hinaus der einflussreiche Mann in der SPD bleibt – und den Grundstein für eine mögliche Kanzlerkandidatur legen kann. (pav)

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