Ein paar hundert Einwohner und 30 Häuser, das war das Unterpfaffenhofen der 1870er-Jahre. Hier öffnete der Kramerwirt vor 150 Jahren seine Pforten. Seitdem hat die Wirtschaft viele Feste erlebt – und Schwierigkeiten überstanden. Doch eine Tradition hat sich der Kramerwirt in den 15 Jahrzehnten bewahrt: Er war und ist ein bayerisches Wirtshaus mitten im Ort.
Germering –
Die Geschichte des Kramerwirts beginnt am 22. April 1875, mit einer Eingabe an das Brucker Amtsgericht. Josef und Anna Naber beantragten eine Lizenz. Sie wollten Speisen und Getränke anbieten. Das 1862 erbaute und zu Beginn der 1870er-Jahre gekaufte Haus an der Salzstraße, in dem zu dem Zeitpunkt eine Krämerei untergebracht war, war der geeignete Ort. 1896 heiratete August Widmann seine Anna Naber und übernahm mit ihr die Gaststätte, die fortan „Gastwirtschaft von August Widmann“ hieß, in zweiter Generation.
Dass man dort gemütlich einkehren konnte, hatte sich um 1900 bei den Bauarbeitern für die Bahnstrecke von München nach Herrsching herumgesprochen. Allerdings hatten viele davon eine Angewohnheit: „Die wollten morgens schon Branntwein haben“, erzählt Rudolf Widmann junior, aktueller Inhaber in fünfter Generation, aus den Überlieferungen.
Metzgerei mit zwei Filialen obendrauf
Seinen heutigen Namen erhielt der Kramerwirt im Jahr 1930. In den folgenden Jahren entschlossen sich Rudolf und Maria Widmann – die dritte Generation –, eine Metzgerei mit Ladengeschäft zu eröffnen. Dazu war eine Erweiterung des Gebäudes nötig. Noch in den 1950er- und 1960er-Jahren lief die Metzgerei so erfolgreich, dass es im Ort zeitweise eine zweite Filiale gab. Erst 1974 gab man diesen Geschäftszweig angesichts der zunehmenden Konkurrenz durch Supermärkte auf.
Auf eines allerdings legten die Widmanns in allen Generationen Wert: Qualität – und Nachhaltigkeit, obwohl man letzteres damals nicht ständig im Mund führte. Welchen Bedarf das Wirtshaus in einer Woche hatte, zeigt ein Beispiel aus der von Maria Widmann in den 1960er-Jahren akribisch geführten Liste: zwölf Schweine, zwei Kälber und eine Kuh, die allesamt von Landwirten aus der Umgebung gekauft wurden.
Beliebt waren in den 1970er- und 1980er-Jahren die Wildgerichte des Kramerwirtes. „Mein Vater war Jäger im Revier. So standen zwei bis drei Gerichte auf der Karte“, erinnert sich Rudolf Widmann junior. Aber der Durst der Unterpfaffenhofener war ein ebenso großer: 400 Hektoliter Bier wurden im Jahr ausgeschenkt.
48 Pfennig für eine Halbe Bier
1975, beim 100. Jubiläum, war die Wirtschaft proppenvoll, erinnert sich Rudolf Widmann junior. Wohl wegen der Preise, die man für diesen Tag ausgelobt hatte: 3,73 Mark für einen Schweinsbraten, 48 Pfennig für eine Halbe.
1990 zogen sich schließlich Charlotte und Rudolf Widmann senior – die vierte Generation – zurück. Sie verpachteten die Wirtschaft an die Löwenbräu-Brauerei.
Es folgte eine Zeit, in der der Kramerwirt die Zunahme von Vereins-Wirtschaften spürte. „Das war für viele Dorf-Wirtschaften eine schwere Zeit“, so Rudolf Widmann junior. Der Kramerwirt überstand die Durststrecke – auch weil er Vereinen wie politischen Gruppierungen der Stadt seine Räume zur Verfügung stellte.
Und auch die Zukunft des Kramerwirts scheint gesichert. Mittlerweile ist der Betrieb in der sechsten Generation im Familienbesitz, da Rudolf Widmanns Söhne Gregor und Johannes bereits Miteigentümer sind. Ein neuer Wirt scheint ebenso bereits gefunden.