Reaktion auf Putins hybriden Krieg: NATO-General fordert „aggressiveres“ Vorgehen

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Die Sabotageakte gegen europäische Staaten aus Russland nehmen zu. Das Problem: nicht immer kann man eindeutig beweisen, dass Russland seine Finger im Spiel hat.

Brüssel/Moskau – Die NATO erwägt einen Strategiewandel im Umgang mit russischen Hybrid-Angriffen. Admiral Giuseppe Cavo Dragone, Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, kündigte gegenüber der Financial Times an, dass das westliche Militärbündnis eine aggressivere Haltung gegenüber Moskaus Cyber-Attacken, Sabotageakten und Luftraumverletzungen prüfe.

Kreml-Chef Wladimir Putin teste die Grenzen der NATO immer wieder durch hybride Angriffe aus. © ALEXANDER NEMENOV/AFP

„Wir überprüfen alles … bei Cyber sind wir im Prinzip reaktiv. Aggressiver oder proaktiv statt reaktiv zu sein, ist etwas, worüber wir nachdenken“, erklärte Dragone. Europa ist seit Beginn des Ukraine-Kriegs immer häufiger Zielscheibe von Sabotageakten geworden. Nicht immer lässt sich eine direkte Beteiligung Russlands nachweisen. Erst Mitte November kam es in Polen zu einem Sprengstoffanschlag auf eine strategisch wichtige Bahnlinie. Polen machte für den Sabotageakt Russland verantwortlich.

Sabotage in Polen – Deutsches Institut warnt vor Putins hybriden Krieg gegen Europa

Nach den Worten des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk ging es den mutmaßlichen Tätern nicht nur „um die direkten Folgen solcher Handlungen“, sondern auch um ihren „politischen und sozialen Auswirkungen“. Sie zielten darauf ab, „Unruhe, Chaos, Panik, Spekulationen und Unsicherheit“ zu verbreiten und „radikale antiukrainische Gefühle zu schüren“, betonte der Regierungschef.

Besonders Diplomaten aus osteuropäischen Ländern drängen die NATO, nicht länger nur reaktiv zu agieren, sondern zurückzuschlagen. Eine solche Antwort wäre bei Cyber-Attacken am einfachsten umsetzbar, da viele Länder über offensive Fähigkeiten verfügen. Gezielte Sabotageakte in Russland sind jedoch schwieriger zu realisieren.

Die Denkfabrik „Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik“ (DGAP) warnt ebenfalls vor den Gefahren der russischen hybriden Kriegsführung. „Das vorrangige Ziel dieser Maßnahmen besteht darin, die öffentliche Unterstützung für die Ukraine zu untergraben, indem in den europäischen Ländern ein Gefühl der Unsicherheit geschaffen wird.“ Neben diesen unmittelbaren Zielen wolle Moskau die Sicherheitsmechanismen der NATO und der EU untergraben. „Und damit die europäische Sicherheitsarchitektur nach seinen eigenen Interessen neu zu gestalten.“

Traditionelle Abschreckung wirkt nicht gegen Putins hybriden Krieg - Admiral fordert „Proaktivität“

Eine große Herausforderung für Europa ist es, dass man diese Sabotageakte nicht immer eindeutig Russland zuschreiben könne, schreibt die DGAP. „Die Leugnungsmöglichkeit und die daraus resultierenden Probleme der Identifizierung und Zuordnung sind die Gründe, warum traditionelle Abschreckungsmaßnahmen Russland weitgehend nicht davon abhalten können, aktive Maßnahmen zu ergreifen.“ Genau wie Adimral Dragone schreibt das Institut, dass deswegen die europäischen Gegenmaßnahmen bisher vor allem „reaktiv“ gewesen seien.

Admiral Giuseppe plädiert gegenüber der Financial Times daher ebenfalls, für einen „präventiven Schlag“ als mögliche „Verteidigungshandlung“, fügte jedoch hinzu: „Das ist weiter entfernt von unserer normalen Denkweise und unserem Verhalten.“ Er ergänzte: „Aggressiver zu sein im Vergleich zur Aggressivität unseres Gegenübers könnte eine Option sein.“ Dabei gebe es jedoch auch rechtliche Fragen zu klären. Erste Erfolge konnte die NATO bei der Baltic-Sentry-Mission verzeichnen. Schiffe, Flugzeuge und Marinedrohnen patrouillieren die Ostsee, um eine Wiederholung der zahlreichen Kabeldurchtrennungen von 2023 und 2024 durch Schiffe der russischen Schattenflotte zu verhindern. „Seit Beginn von Baltic Sentry ist nichts passiert. Das bedeutet, dass diese Abschreckung funktioniert“, so Dragone. (Quellen: Financial Times/DGAP/AFP) (sischr)