„Verkehrskollapse“ befürchtet: Polen startet Grenzkontrollen – So geht es jetzt weiter

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Polen führt vorübergehend Kontrollen an der Grenze zu Deutschland ein: Die Maßnahme ist eine Antwort auf deutsche Kontrollen – Staus sind vorprogrammiert.

Berlin – Ab diesem Montag führt Polen vorübergehend Grenzkontrollen zu Deutschland ein. Die Maßnahme ist eine Reaktion auf die bereits seit Oktober 2023 bestehenden deutschen Kontrollen an der Grenze, die zur Eindämmung irregulärer Migration dienen sollen. Auf der polnischen Seite führen sie oft zu langen Staus.

Grenzkontrollen in Polen: Maßnahme vorerst bis zum 5. August befristet

Die polnischen Kontrollen sollen stichprobenartig erfolgen und betreffen laut einem Grenzschutzbeamten vor allem Busse, Kleinbusse und Pkw mit vielen Insassen, wie er der polnischen Nachrichtenagentur PAP mitteilte.

Auch Fahrzeuge mit getönten Scheiben sollen im Fokus stehen. Es wird keine Schlagbäume oder Absperrungen geben, stattdessen sollen die Fahrbahnen vor den Kontrollpunkten verengt oder Schilder zur Verlangsamung des Verkehrs aufgestellt werden.

Die Kontrollen werden von Kräften des polnischen Grenzschutzes, der Militärpolizei, des Heimatschutzes sowie der Polizei durchgeführt. Zunächst sind die Kontrollen bis zum 5. August befristet.

Grenzkontrollen in Polen: Reaktion auf deutsche Maßnahmen

Hintergrund für die polnischen Kontrollen ist ein ähnliches Vorgehen aus Deutschland: Polen gehört seit 2007 dem Schengenraum an – der verspricht unbegrenzte Reisefreiheit ohne Schlagbäume und Grenzposten. Doch seit zwei Jahren kontrolliert Deutschland an seinen Ostgrenzen, um Migranten ohne erforderliche Papiere die Einreise zu verwehren. Seit Anfang Mai wurden diese Regeln unter der neuen Bundesregierung verschärft. Jetzt können auch Menschen abgewiesen werden, die ein Asylbegehren äußern – anders als zuvor.

Laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) registrierte die Bundespolizei seit dem 8. Mai an allen deutschen Landgrenzen 7.960 unerlaubte Einreisen und wies 6.193 Menschen unmittelbar zurück (Stand 1. Juli). Allein an der deutsch-polnischen Grenze gab es rund 1.300 Zurückweisungen, wovon in jedem zehnten Fall ein Asylgesuch geäußert wurde.

Auf Straßen in Richtung Polen: Politik stellt sich auf „lange Wartezeiten“ ein

Auf deutscher Seite befürchtet Brandenburgs Innenminister René Wilke bei beidseitigen Kontrollen „mögliche Verkehrskollapse“, die Hunderttausende betreffen könnten. Auch Sachsens Wirtschaftsminister Dirk Panter (SPD) beklagt sich gegenüber der dpa: Er geht davon aus, dass die deutschen Kontrollen bereits eine Belastung für Pendler seien und nun die polnischen Kontrollen hinzukämen, was zu „langen Wartezeiten, Planungsunsicherheit und gestörtem Warenverkehr“ führe. Allein nach Sachsen pendeln täglich 13.000 Menschen aus Polen, nach Brandenburg über 14.000.

Die Wirtschaft schlägt indes Alarm: Industrie- und Handelskammern in Brandenburg sprechen laut dpa von einer Eskalation. Polen ist Brandenburgs wichtigster Außenhandelspartner, mit Exporten von 4,1 Milliarden Euro und Importen von 4,5 Milliarden Euro im Jahr 2024. Der Logistikverband BGL verzeichnete 2024 gut 9,7 Millionen Ein- und Ausfahrten mautpflichtiger Lkw an den deutsch-polnischen Grenzübergängen.

Die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg warnt vor Einbußen durch Staus, die sich auf den gesamten EU-Wirtschaftsraum auswirken könnten. Auch polnische Transportunternehmer sind in Sorge: Jan Buczek, Vorsitzender des polnischen Verbandes der internationalen Transportunternehmen, äußerte gegenüber der Zeitung Dziennik Gazeta Prawna, dass bei Verzögerungen Strafen für Hersteller und Lieferanten drohen und er hundertprozentige Kontrollen befürchte, die zu Blockaden von Stunden oder sogar Tagen führen könnten.

Grenzkontrollen Polen - Deutschland
Deutschlands Kontrollen an der Grenze zu Polen sorgen für Unruhe. Jetzt, wo Polen diese erwidert, sind lange Staus und Planungsunsicherheiten zu erwarten. (Archivbild) © Patrick Pleul/picture alliance/dpa

Polens neue Grenzkontrollen: Innenpolitische Spannungen steigen

Polens Entscheidung für Grenzkontrollen hat vor allem innenpolitische Gründe. Die Zurückweisungen aus Deutschland sind ein Reizthema für viele Polen, das von der rechtskonservativen Oppositionspartei PiS aufgegriffen wird, um antideutsche Ressentiments mit der Angst vor Migranten zu verbinden. Die PiS, deren Kandidat Karol Nawrocki kürzlich die Präsidentenwahl gewann, erhöhte den Druck auf die proeuropäische Regierung von Donald Tusk, bis diese sich zur Einführung der Grenzkontrollen entschied.

Gleichzeitig organisieren polnische Rechtsextreme, angeführt von dem bekannten Rechtsradikalen Robert Bakiewicz, sogenannte Bürgerwehren. Diese „Bewegung zur Verteidigung der Grenzen“ hält eigenmächtig Fahrzeuge an, fragt Passanten nach Dokumenten und fahndet nach Migranten. Die Regierung in Warschau betrachtet diese Gruppierungen als Dorn im Auge, und Innenminister Tomasz Siemoniak hat angekündigt, Fälle von Amtsanmaßung und Beamtenbeleidigung konsequent zu bestrafen. Die Gewerkschaft der Polizei befürchtet zudem ein „Pingpong-Spiel“ beim Zurückweisen von Asylbewerbern, obwohl Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) dies verneint und die gute Zusammenarbeit mit den polnischen Grenzschützern betont.

Grenzkontrollen von Polen und Deutschland: Gemeinsames europäisches Asylsystem könnte Grenzlage entspannen

Die polnischen Kontrollen sind zunächst bis zum 5. August befristet. Wann sich die Lage insgesamt normalisiert, ist jedoch nicht abzusehen. Es hängt unter anderem davon ab, wie sich die Regeln des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) in der Praxis bewähren. Dieses soll ab Mitte Juni 2026 gelten.

Die Reform sieht vor, dass Schutzsuchende künftig an den EU-Außengrenzen registriert werden, inklusive Identitätsfeststellung und biometrischer Daten. Für Menschen aus Staaten mit niedriger Anerkennungsquote sollen beschleunigte Asylverfahren an den Außengrenzen durchgeführt werden. (kox/dpa)

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