Anker-Bereich in Erding: „Absolut zukunftsorientiert“
Die meisten Erdinger Stadträte begrüßen ein Anker-Zentrum, aber sie haben Fragen.
Erding - Es liegt auch am Erdinger Stadtrat, ob künftig im Erdinger Fliegerhorst rund 500 Geflüchtete untergebracht werden. Wie berichtet, möchte die Regierung von Oberbayern eine Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtung (AnkER-Einrichtung) für die Unterbringung von Geflüchteten betreiben.
Oberbürgermeister Max Gotz befürwortet dies nicht nur. Seit fast zwei Jahren forciert er nun schon die Möglichkeit, die leerstehenden Gebäude zu nutzen. Bevor er allerdings in konkrete Verhandlungen gehen kann, benötige er ein Mandat des Stadtrats, sagte er in der Sitzung am Dienstagabend. „Ich werbe dafür, dass wir diesen Weg beschreiten“, sagte er. Der Beschluss fiel in nichtöffentlicher Sitzung und wurde noch nicht bekanntgegeben. Die Wortmeldungen zuvor lassen aber vermuten, dass die Entscheidung pro Anker-Zentrum ausgefallen sein dürfte.
Der geschäftsleitende Beamte Reinhard Böhm hatte den Stadträten die Situation erläutert. „In Abstimmung mit der Stadt Erding und dem Staatlichen Bauamt Freising wurde eine grobe Abgrenzung von Bestandsgebäuden entlang der Rotkreuzstraße erarbeitet, die eine Unterbringung von rund 500 Personen ermöglichen soll und eine weitere Entwicklung der Liegenschaft nicht erheblich behindert.“
Böhm betonte, dass die Zahl der in einer Anker-Einrichtung untergebrachten Geflüchteten dem Landkreis Erding und damit der Stadt Erding voll angerechnet werde. Böhm: „Dies bedeutet, dass Landkreis und Stadt mit Inbetriebnahme der Einrichtung keine weiteren Geflüchteten zur Unterbringung überlassen werden, sofern die rechnerische Zuweisung unter der Zahl der Plätze in der Anker-Einrichtung liegt.“
Die Menschen sind einfach da und müssen untergebracht werden.
Burkhard Köppen (CSU) erinnerte daran, dass OB und Landrat Martin Bayerstorfer lange gegen Widerstände von Bund und Land zu kämpfen hatten („Eigentlich war nur der Innenminister auf unserer Seite“) und lobte nun diesen Erfolg. Für ihn sei klar: „Wir werden nicht umhinkommen, weiter Flüchtlinge aufzunehmen. Die Menschen sind einfach da und müssen untergebracht werden.“ Die Anker-Regelung sei ihm aber deutlich lieber als Gebäudekomplexe wie in der Dr.-Henkel-Straße. „Ich werde also zustimmen, weil ich glaube, dass es für die Stadt der richtige Ansatz ist.“
Johann Egger (Erding Jetzt) befürwortet das Anker-Zentrum ebenfalls („absolut zukunftsorientiert“), hätte aber gern eine konkrete Zahl zur Quote der vom Landkreis aufzunehmenden Flüchtlinge. Angesichts der neuen Häuser in Bergham und der Dr.-Henkel-Straße könnte diese Quote übererfüllt sein. Er fragte nach „den vielen Leuten in den dezentralen Einrichtungen, die man ja wahrscheinlich auch nicht umsiedeln möchte“.
Das wäre der falsche Weg, meinte auch Hans Fehlberger, der in seinem Betrieb einen jungen Mann aus Eritrea eingestellt habe. Es sei eine Erfolgsgeschichte geworden. Fehltage und Verspätungen seien extrem gesunken, nachdem er in eine kleinere Unterkunft gekommen sei. Auch Gotz machte deutlich, dass er die über 80 dezentralen Einrichtungen erhalten wolle.
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Das Aufnahme-Kontingent von Geflüchteten lege die Regierung von Oberbayern für die Landkreise fest, erklärte Gotz. Zwar werde diese von Dorfen, Taufkirchen und Erding „übererfüllt. Allerdings ist es so, dass der Landkreis Erding insgesamt die Quote nicht erfüllt“. Angesichts der weltweiten Krisen etwa im Gaza-Streifen oder im Libanon meint er: „Es ist noch lange nicht vorbei.“
Einen Vorteil sieht der OB im Anker-Zentrum auch darin, „dass wir in keine Verpflichtungen wie Kita oder Schule kommen“. Den Fliegerhorst zu nutzen, sei der richtige Impuls, „bevor irgendwo in anderen Bereichen Turnhallen belegt werden müssen und Kinder keinen Sport mehr machen“.
Stefan Grabrucker (SPD) sagte, er sei „kein Freund von Großunterkünften, aber Kontrolle und Steuerung ist notwendig“. Die Geschichte der Menschheit sei eine Geschichte der Migration. Insofern ergebe die Einrichtung auch Sinn. „Allerdings ist uns von unserer Bundestagsfraktion zurückgespiegelt worden, dass der Investitionsbedarf sehr hoch sei“.
Ankerzentren erbringen keine Integrationsleistung.
Konkrete Kostenberechnungen gebe es noch nicht, antwortete Gotz darauf. Er ließ aber durchblicken, dass der Bund bei einem Bestandsgebäude eine Pacht verlangen wolle, „die ich für erstaunlich halte“.
Auch Wolfgang Kellermann (AfD) meinte, „er begrüße generell die Anker-Einrichtung, wenn die Zahlen angerechnet werden“. Rainer Mehringer (FWE) erinnerte daran, „dass die Stadt mit beiden neuen Unterkünften mit je 180 Personen bereits über die 100 Prozent liegt“. Mit Hinblick auf „Investoren, die sich direkt der Regierung andienen“, fragte er nach den Möglichkeiten, „das dann in die entsprechenden Bahnen zu lenken. Oder kann es uns passieren, dass wir das Ankerzentrum haben und dennoch in ein Dr.-Henkel-3, Dr.-Henkel-4 und 5 rutschen?“ Eine Zustimmung solcher Gebäude werde es von seiner Seite nicht geben, erklärte Gotz und meinte mit Blick auf die Nachbarn: „Jetzt ist Schluss, jetzt müssen sich auch andere Gemeinden beteiligen.“
Können wir in ein Dr.-Henkel-3 oder Dr.-Henkel-4 rutschen?
Helga Stiglmeier (Grüne) gab zu bedenken, „dass Ankerzentren keine Integrationsleistung erbringen“. Das Entscheidende sei hierbei immer gewesen, dass die Menschen, die ankommen und dann registriert werden, auf ihr Asylrecht geprüft wurden. „Das Problem dabei in den bestehenden Ankerzentren war, dass diese Prüfungen einfach immer endlos lang gedauert haben und die Geflüchteten endlos lang in den Ankerzentren saßen mit einer ganz hohen Konfliktbelastung und ohne irgendeine Beschäftigung.“ Sie hoffe, dass sich das bessere.
Je nachdem, wie der Stadtrat am Dienstag abgestimmt hat, wird nun der OB und die Verwaltung in die Verhandlungen mit der Regierung von Oberbayern gehen. Deren Pressestelle meldete gestern, dass es „aufgrund der erforderlichen Bauarbeiten von einer mittelfristigen Inbetriebnahme“ ausgehe, „wobei sämtliche Beschleunigungspotenziale ausgeschöpft werden“.