Vermisster Arian: Hängt Verschwinden mit Kika-Sendung zusammen? Autismus-Expertin ordnet Theorie ein

  1. Startseite
  2. Deutschland

KommentareDrucken

Von Arian aus Bremervörde fehlt weiter jede Spur. Könnte eine Kindersendung etwas mit dem Verschwinden zu tun haben? Für eine Autismus-Expertin wäre das denkbar.

Bremervörde – Der Vermisstenfall Arian sorgt nach wie vor für Rätsel. Vor über einem Monat verschwand der sechsjährige, autistische Junge aus Bremervörde. Neue Hinweise gibt es bislang nicht, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch (23. Mai). Dabei könnte eine Theorie zumindest Hinweise zum Hintergrund des Verschwindens geben.

Der Junge verschwand am Abend des 22. Aprils aus seinem Wohnhaus im Ortsteil Elm. Der Facebook-Post einer Bekannten der Familie legt nahe, dass er mit seiner Familie ferngesehen habe. „Das ist sozusagen ein Familienritual“, heißt es. Der Sechsjährige würde allerdings immer wieder Pausen auf der Treppe einlegen, in denen seine Eltern regelmäßig nach ihrem Kind sehen.

Sandmännchen-Sendung auf Kika als Grund für Arians verschwinden? Autismus-Expertin ordnet Theorie ein

Auch den Abend seines Verschwindens soll Arian mit seiner so Familie verbracht haben. Bereits vor mehreren Tagen teilten Leser unserer Redaktion eine brisante Beobachtung mit, der wir nachgingen: Im Fernsehen lief von 18.50 bis 19 Uhr auf dem Sender Kika „Unser Sandmännchen“. Ausgerechnet an diesem Tag ging es darin um einen Cowboy und sein Motorboot, ähnlich wie sie im Hafen von Bremervörde stehen. Arian soll erneut eine Pause auf der Treppe eingelegt haben. Als dann sein Vater nach ihm sehen wollte, habe die Haustür bereits aufgestanden. Er soll gegen 19.15 Uhr verschwunden sein.

Arian wird weiter vermisst. Könnte sein Verschwinden mit einer Kindersendung zusammenhängen?
Arian wird weiter vermisst. Könnte sein Verschwinden mit einer Kindersendung zusammenhängen? © Polizei; Screenshot/“Unser Sandmännchen“, Jan & Henry: Der Cowboy auf dem Motorboot

Könnte die Kindersendung womöglich ein Impuls für den Jungen gewesen sein, das Haus zu verlassen und sich auf den Weg zu den Booten zu begeben? Christine Preißmann, Ärztin und Psychotherapeutin mit dem Schwerpunkt für Autismus, schließt das nicht aus. „Prinzipiell ist es natürlich so, dass jeder autistische Mensch ganz unterschiedlich ist. Generell aber zeigen die Betroffenen eine hohe Anstrengungsbereitschaft, wenn es um ihre Interessen geht, sodass ich mir dieses Szenario durchaus vorstellen könnte“, erklärte die Expertin gegenüber IPPEN.MEDIA.

Zusammenhang von Kindersendung und Arians Verschwinden? Polizei äußert sich

Dabei entwickeln Menschen mit einer Autismus-Spektrum-Störung oft ein besonderes Interesse an bestimmten Themen oder Objekten, heißt es auf der Webseite der Österreichischen Autistenhilfe. Damit würden sie sich „sehr intensiv und ungewöhnlich lange“ beschäftigen.

Ob der kleine Arian die Sendung tatsächlich gesehen und daraufhin sein Elternhaus verlassen hat, ist allerdings unklar. Von Elm zum Hafen in Bremervörde sind es mehr als fünf Kilometer. Er könnte sich auf dem Weg dorthin verlaufen haben. Ob Arian die Möglichkeit gehabt hat, am Abend zum Hafen zu gelangen und auf ein Motorboot zu klettern, konnte auch ein Sprecher der Polizei auf IPPEN.MEDIA-Anfrage nicht beantworten. Ihm ist die Hypothese mit der Kindersendung nicht bekannt. Im Rahmen der Suche seien aber Boote als Versteckmöglichkeit berücksichtigt worden. Dies sei zwar nicht auf Grundlage einer Fernsehsendung passiert, bei der Rekonstruktion von Arians Verschwinden werde aber auch „etwaiger Medienkonsum“ berücksichtigt.

Kriminalwissenschaftler: Sandmännchen-Theorie ein „interessanter Aspekt“

Christian Matzdorf ist Professor für Kriminalistik. Er war 30 Jahre lang bei der Landespolizei Berlin und klärte dort Gewaltdelikte auf, ehe er begann, Kriminalfälle aus der wissenschaftlichen Perspektive zu betrachten. Er beschäftigt sich auch mit aktuellen Vermisstenfällen wie Rebecca Reusch. Den Sandmännchen-Zusammenhang im Fall Arian nennt er einen „interessanten Aspekt“.

Als Ermittlungsperson müsse man sich immer in den Kopf der betroffenen Person hineinversetzen, und gerade bei Kindern ein sogenanntes Reiz-Reaktions-Muster berücksichtigen. „Wir müssen uns sozusagen in eine fremde Welt, in der anders wahrgenommen, bewertet und geschlussfolgert wird, begeben. Das auf ein Kind anzuwenden, gerade mit einer durch Autismus bedingten, besonderen Einschränkung, das kann auch Experten an ihre Grenzen bringen“, sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion.

Ein Video zeigte das womöglich letzte Lebenszeichen des Vermissten. Er soll Richtung Wald gelaufen sein und dabei mit einem Stock auf der Straße gespielt haben. Zudem entdeckte die Polizei kurz nach dem Verschwinden einen schuhlosen Fußabdruck eines Kindes am Fluss Oste. Arian war barfuß unterwegs. Der Abdruck könnte darauf hindeuten, dass er sich in der Nähe des Flusses aufhielt. Eine großangelegte Suchaktion nach Arian, die zeitweise bis zu 1200 Menschen unterstützten, blieb aber ohne Erfolg.

Suche nach Arian bleibt erfolglos: „Naheliegender, an andere Ursachen zu denken“

Dörfer, Wiesen und Wälder wurden durchkämmt. Auch der Fluss Oste wurde wiederholt mit Booten abgefahren, Drohnen und Helikopter überflogen mehrfach die ländliche Region. Nach zwei weiteren Suchtagen im Mai macht die Polizei derzeit keine Angaben zu neuen Suchaktionen.

Auch Autismus-Expertin Preißmann lässt der Vermisstenfall nicht kalt. „Ich finde es äußerst merkwürdig, dass es trotz dieser extrem umfangreichen Suchaktion nicht gelungen ist, den Jungen zu finden, sodass ich es irgendwie fast naheliegender finde, an andere Ursachen (etwa ein Verbrechen) zu denken, leider. Aber das ist natürlich nur eine Vermutung“, räumte sie ein. Kurz nach Arians Verschwinden wollte auch Vermissten-Experte Peter Jamin bei IPPEN.MEDIA nichts ausschließen.

Was mit Arian geschehen sein könnte und warum er verschwand, bleibt vorerst ein Rätsel. Laut Polizei gilt es am wahrscheinlichsten, dass Arian einen Unfall ohne fremde Beteiligung hatte. Die Fußspuren am Flussufer, die möglicherweise von dem autistischen Jungen stammen, würden gegen einen Kriminalfall sprechen. Man habe aber „niemals ausgeschlossen, dass er entführt wurde“, so ein Polizeisprecher Mitte Mai. (kas)

Auch interessant

Kommentare

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

wir erweitern den Kommentarbereich um viele neue Funktionen. Während des Umbaus ist der Kommentarbereich leider vorübergehend geschlossen. Aber keine Sorge: In Kürze geht es wieder los – mit mehr Komfort und spannenden Diskussionen. Sie können sich aber jetzt schon auf unserer Seite mit unserem Login-Service USER.ID kostenlos registrieren, um demnächst die neue Kommentarfunktion zu nutzen.

Bis dahin bitten wir um etwas Geduld.
Danke für Ihr Verständnis!