Hat die Bundeswehr genug Ärzte für einen Krieg? Unfallchirurg warnt vor Problemen

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Die Zeichen in Deutschland stehen auf Aufrüstung. Vor allem die militärische Produktion wird angekurbelt. Doch wie sieht es mit der gesundheitlichen Versorgung aus?

Berlin – Die Bundesregierung will Deutschland massiv gegen die russische Bedrohung aufrüsten. Neben den Plänen, das Verteidigungsetat weiter zu erhöhen, sollen auch Strukturreformen auf den Weg gebracht werden. Doch nicht nur die Verteidigungsbranche, sondern auch das Gesundheitswesen muss kriegstüchtig werden. Wie gut könnte Deutschland im Kriegsfall die Menschen ärztlich versorgen?

Kann Deutschland genug Ärzte im Kriegsfall zur Verfügung stellen? „Sind weit entfernt“

Aus Sicht des Unfallchirurgen Dietmar Pennig ist schneller Handlungsbedarf gefordert. Deutsche Kliniken seien nicht auf Kriegsfälle vorbereitet, zudem müssten mehr Ärzte darauf ausgebildet werden, Kriegsverletzte behandeln zu können. „Es braucht etwa 3000 Ärzte in Deutschland, die Kriegsverletzungen behandeln können. Davon sind wir weit entfernt“, sagte Pennig im Interview mit der Welt. Patienten mit Herzinfarkten oder Schlaganfällen werde es auch im Kriegsfall geben. 

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kündigte in seiner ersten Regierungserklärung an, Deutschlands Armee zur stärksten in Europa zu machen
Eine Panzerhaubitze 2000 bei einer Übung der Bundeswehr. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kündigte in seiner ersten Regierungserklärung an, Deutschlands Armee zur stärksten in Europa machen zu wollen (Archivbild). © IMAGO/Thomas Imo/photothek.net

Er kritisiert, dass die Politik zu wenig Maßnahmen ergreift, um die Gesundheitsbranche zu trainieren. Fortbildungen für Ärzte würden nicht aus öffentlichen Mitteln gefördert. Auch die Versorgung im Kriegsfall müsse sichergestellt werden. Insgesamt beziffert Pennig die Kosten für alle nötigen Vorkehrungen auf 420 Millionen Euro.

Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD angekündigt, Rahmenbedingen für den Gesundheitssektor und den Rettungsdienst im Zivilschutz- sowie Verteidigungs- und Bündnisfall mit abgestimmter Koordinierung und eindeutigen Zuständigkeiten aufzustellen. Dafür vorgesehene Gesetzesinitiativen sind laut Angaben der Bundesregierung in einer Vorbereitungs- und Konzeptionsphase. Doch werden die Bemühungen reichen und wie ernst ist die Lage?

Hat Deutschland genug ausgebildete Ärzte für Kriegsszenarien? Bundesregierung gibt Auskunft

Die Zahlen der Bundesregierung dürften zunächst erste Auskünfte geben, wie gut das Versorgungssystem ausgelastet ist. Nach Angaben der Ärztestatistik der Bundesärztekammer waren zum Stichtag 31. Dezember 2024 in Deutschland im Bereich der Chirurgie insgesamt 41.839 Ärztinnen und Ärzte registriert (ambulant, stationär und andere Bereiche).

Im Fachbereich Orthopädie waren es 4.340 Ärzte, 15.212 im Fachbereich Orthopädie und Unfallchirurgie, 1.640 mit dem Schwerpunkt Unfallchirurgie. Besonders relevant zu wissen ist wohl die Anzahl der Ärzte in der speziellen Unfallchirurgie. Es handelt sich um eine Zusatzweiterbildung, die Ärzte auf die Behandlung von Verletzten und Schwerverletzten trainiert. Um ein Beispiel zu nennen, welche Verletzungen im Kriegsfall üblich sein könnten: In der Ukraine kommt es häufig zu Gesichts- und Schädelverletzungen, Verletzungen an Armen und Beinen sowie Explosionsverletzungen. „Es ist Hitze, es kommt zu Verbrennungen am Körper und ich inhaliere Rauchgase“, sagt der Bundeswehrarzt Dr. Daniel Forstner.  

Versorgung im Kriegsfall: So viele Fachärzte sind derzeit tätig

Laut Angaben der Bundesregierung sind 3.542 Fachärzte mit der Zusatzweiterbildung berufstätig. Nach Angaben des Bundesarztregisters der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zum 31. Dezember 2024 waren insgesamt 14.752 in der Fachgruppe Chirurgie und Orthopädie in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung tätig. Das geht aus einer Regierungsantwort auf Anfrage der AfD-Fraktion vom 19.06.2025 vor.

In der Bundeswehr sind nach Angaben 64 Sanitätsstaboffiziere als Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie qualifiziert. Dabei verfügt Baden-Württemberg mit 14 Fachärzten über die größte Zahl. In Schleswig-Holstein und Thüringen gibt es jeweils nur einen daraus qualifizierten Facharzt. 23 Sanitätsstaboffiziere in der Bundeswehr haben die Qualifikation Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie der Zusatzweiterbildung „Spezielle Unfallchirurgie“ abgeschlossen.

Bundesregierung weist auf Ernst der Lage im Kriegsfall hin

Die Bundesregierung räumt ein, dass konkrete Personalmängel im Krisenszenario sich nicht konkret vorhersagen lassen. Umso wichtiger sei es, Möglichkeiten zur Sicherstellung von ausreichenden Personalressourcen vorzusehen und Vorkehrungen zu treffen. Im Verteidigungsfall müsse Deutschland mit einer Lage rechnen, die mit den üblichen Ressourcen nicht zu bewältigen sei.

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