Unsichere Weltlage: Unfallklinik gerüstet für den Kriegsfall?
Die BG Unfallklinik Murnau dürfte zu den wenigen Krankenhäusern in Deutschland zählen, die derzeit auf einen Kriegsfall einigermaßen vorbereitet sind. Hilfreich war dabei, dass die Murnauer Ärzte seit dem Ausbruch des Ukraine-Konflikts immer wieder einmal die schweren Verletzungen ukrainischer Staatsbürger, darunter auch Soldaten, operiert und behandelt haben.
Murnau – „Der Umgang mit Schusswunden ist nicht unser tägliches Brot“, erklärte Professor Dr. Fabian Stuby, als die Ärzte der BG Unfallklinik im Jahr 2023 schon mehr als 20 Patienten aus dem Kriegsgebiet der Ukraine versorgt hatten. Der Ausnahmefall könnte allerdings der Normalfall werden.
Kriegsängste in der deutschen Bevölkerung sind kein neues Phänomen. Eine repräsentative Umfrage der R+V-Versicherung hat 2024 ergeben, dass 42 Prozent sich vor einer bewaffneten Auseinandersetzung mit deutscher Beteiligung fürchten – ein Wert, der 2021, vor der russischen Invasion der Ukraine, noch bei 16 Prozent lag. Dem trägt mittlerweile auch die Politik Rechnung. Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) hatte jüngst gefordert, deutsche Krankenhäuser auf einen möglichen Kriegsfall vorzubereiten. Nun warnt der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, Dietmar Pennig, dass das Gesundheitssystem nicht ausreichend auf einen möglichen Kriegsfall eingestellt sei. Er rechnet mit 1000 Verletzten pro Tag, ein Viertel davon schwer.
Angesichts der aktuellen Sicherheitslage gewinnt die Partnerschaft, die die BG Unfallkliniken und damit auch der Standort Murnau seit 2019 mit der Bundeswehr pflegen, weiter an Bedeutung. „Zivilmilitärische Zusammenarbeit im Gesundheitswesen, insbesondere des Verbundes der BG Kliniken mit den fünf Bundeswehrkrankenhäusern, ist für die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands unerlässlich”, sagt Generaloberstabsarzt Dr. Ralf Hoffmann, Befehlshaber des Zentralen Sanitätsdienstes der Bundeswehr.
Diese Planungen betreffen auch die BG Unfallklinik in Murnau, eines der größten überregionalen Traumazentren Deutschlands und Maximalversorger. „Vor dem Hintergrund der immer unsichereren weltpolitischen Lage werden Kliniken mit unserer Expertise im unfallchirurgischen oder Brandverletzten-Bereich unverzichtbarer denn je“, erklärt UKM-Geschäftsführer Markus Schepp. Er hofft aber, dass der Bündnisfall niemals eintritt. „Sich nicht auf dieses Szenario vorzubereiten, wäre jedoch höchst fahrlässig.“ Gegenüber anderen Kliniken besitzt die Murnauer Einrichtung etwas Vorsprung. Seit Ausbruch des Ukrainekriegs wurden immer wieder verwundete Zivilisten und Soldaten in dem Haus an der Prof.-Küntscher-Straße 8 operiert und behandelt. „Dabei hatte man es mit Verbrennungen, Schuss- und Schrapnellverletzungen zu tun“, sagte Stuby, der Ärztliche Direktor der Klinik, in einem etwas zurückliegenden Gespräch. „Das ist alles sehr komplex.“

Der Umgang mit Schusswunden war für die Ärzte damals Neuland. Damit hatte man auch in Murnau in der Vergangenheit eher selten zu tun. Deshalb besteht für die Versorgung nicht das ultimative Wissen und die Routine. Ein Zustand, den auch Pennig ganz allgemein kritisiert. Es fehle an Ärzten und an der notwendigen Ausbildung, sagte er. „Es braucht etwa 3000 Ärzte in Deutschland, die Kriegsverletzungen behandeln können. Davon sind wir weit entfernt.“ Zudem seien Ärzte und Pflegepersonal nicht auf die drohenden Verwundungen vorbereitet. „Wer im Klinikalltag einen Oberschenkelbruch operiert, für den sind abgerissene Gliedmaßen und offene Körperhöhlen eine Ausnahmesituation.“
Sich nicht auf dieses Szenario vorzubereiten, wäre höchst fahrlässig.
Aber nicht nur die Mediziner stehen vor Herausforderungen. Auch die Logistik muss an einen Verteidigungsfall angepasst werden, weil ein Vorrat an zusätzlichen Notfallinstrumenten und -materialien angeschafft und eingelagert werden muss. Etwa vier Wochen, so die Expertenmeinung, sollten Krankenhäuser im Kriegsfall unabhängig weiterarbeiten können. Organisatorisch ist es so, dass es an der Unfallklinik eine AG Krisenmanagement gibt, die sich in einem Verteidigungsfall einbringen würde.
Meine News
Die bayerische Staatsregierung hat die Kliniken gebeten, Auskunft über den Stand ihrer Alarm- und Einsatzplanung für den Ernstfall zu geben. Dabei handelt es sich um eine freiwillige Abfrage. Laut dem bayerischen Katastrophenschutzgesetz sind Krankenhäuser ohnehin verpflichtet, Pläne für externe oder interne Krisenfälle vorzuhalten. Den gibt es auch in Murnau.
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