Bürgergeld-Bezieher sollen arbeiten – doch die Ampel streicht die Förderung

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Die Ampel-Koalition verschärft Sanktionen für Bürgergeld-Bezieher und spart gleichzeitig bei der Arbeitsvermittlung. Die Folgen sind gravierend.

Berlin – Die Ampel-Koalition will Bürgergeld-Bezieher schneller zum Arbeiten bewegen. Dabei setzt die Regierung vor allem auf höheren Druck auf die Arbeitslosen. Zum einen hat das Bündnis Sanktionen verschärft. Gleichzeitig sind die Anforderungen, etwa bei der Definition einer zumutbaren Arbeit, erhöht worden.

Trotz des Ziels, möglichst viele Bürgergeld-Empfänger wieder einen Job zu beschaffen, will die Ampel-Koalition im Haushalt 2025 bei den Jobcentern und deren Mitteln für die Eingliederung von Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt sparen. Dabei haben es gerade Langzeitarbeitslose schon jetzt schwer, in Förderprogramme aufgenommen zu werden.

Ampel-Koalition will Bürgergeld-Bezieher schnell in Arbeit bringen – gleichzeitig schläft Förderung ein

Beispielhaft zeigt sich das bei der „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“. Das Förderprogramm ist eigentlich ein zentrales Element des Teilhabechancengesetzes, einem Prestigeprojekt von Bundesarbeits- und Sozialminister Hubertus Heil (SPD). In diesem Programm übernehmen Jobcenter zwei Jahre lang einen Teil des Gehalts und bieten den Geförderten in den ersten sechs Monaten der Wiederbeschäftigung ein Coaching an. Voraussetzung für die Teilnahme ist eine Arbeitslosigkeit von mindestens zwei Jahren. Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kann auf diese Weise die Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt verbessert werden.

Hubertus Heil hält eine Rede im Deutschen Bundestag.
Hubertus Heil hat die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen auf den Weg gebracht, doch die Zahl der Förderungen bricht ein. (Archivfoto) © Philip Dulian/dpa

Immer weniger Arbeitslose haben jedoch die Möglichkeit, auf diesem Weg einen geförderten Arbeitsplatz zu erhalten. Gerade für Langzeitarbeitslose gestaltet sich die Jobsuche damit schwierig. Vor dem Hintergrund der Debatte rund um sogenannte „Totalverweigerer“, die lieber Bürgergeld beziehen als zu arbeiten, fällt Linken-Bundestagsabgeordnete Heidi Reichinnek bei IPPEN.MEDIA ein hartes Urteil gegenüber der Ampel: „Dass die Bundesregierung behauptet, Arbeitslose wollen nicht arbeiten, und sie gleichzeitig nicht angemessen beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt unterstützt, ist heuchlerisch.“

„In launigen Sonntagsreden erzählt uns Sozialminister Heil, wie viel diese Regierung für die Wiedereingliederung von Bürgergeldbeziehern tut. Und noch lauter erzählen uns Union, FDP und AfD die Mär der angeblich faulen Arbeitslosen“, fügte Reichinnek hinzu. Aus diesem Grund habe die Linke bei der Bundesregierung nach „konkreten Fakten“ gefragt.

Chancen auf Förderung für Arbeitslose werden immer geringer: Sparmaßnahmen der Ampel als Ursache?

Die Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf die Linken-Anfrage liegt IPPEN.MEDIA vor. Sie zeigt: Während der Amtszeit der Ampel-Koalition, die den Großteil der Laufzeit des Förderprogramms ausmacht, ist die Zahl der Teilnehmer am Förderprogramm deutlich gesunken. Laut der Bundesagentur für Arbeit gab es 2019 noch 10.000 Eintritte, 2023 waren es nur noch 3.628. Für das gesamte Jahr 2024 wird erwartet, dass die Zahl der neu geförderten Arbeitslosen bei 3.000 liegt. Nur etwa ein Prozent der berechtigten Langzeitarbeitslosen befindet sich demnach in der Förderung. Dabei ist die Zahl der Arbeitslosen, die die Voraussetzungen erfüllen, laut den Linken um mehr als 100.000 Menschen gestiegen.

„Schuld daran sind die Sparmaßnahmen der Ampel, die bei den Mitteln der Jobcenter kürzt“, erklärte Reichinnek gegenüber IPPEN.MEDIA. Tatsächlich sinken die Ausgaben im Rahmen des Förderprogramms zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen. 2020 waren es noch etwa 166 Millionen Euro, 2023 nur noch 116,7 Millionen Euro. Gleichzeitig sind die Kosten pro gefördertem Fall und Monat von 1.280 Euro im Jahr 2019 auf 1.545 Euro gestiegen.

Jobcenter beschreiben unsichere Finanzierung der Förderung für Bürgergeld-Bezieher als Problem

Auch einige Jobcenter beschreiben die unsichere Finanzierung der Förderprogramme für Langzeitarbeitslose als ein Problem. In einer Bewertung des IAB zum Teilhabechancengesetz heißt es, dass das „fehlende Vertrauen bei Teilen der Jobcenter in den Fortbestand und in die Finanzierung des Programms zumindest mitverantwortlich“ dafür sei, dass die Zugänge zu einem anderen, ähnlichen Förderprogramm stark zurückgegangen sind.

„Ohne eine verlässliche und angemessene Finanzierungszusage ist die gesetzliche Existenz solcher Förderinstrumente allein freilich wenig wert“, so der Abschlussbericht des IAB zum Teilhabechancengesetz. „Es braucht – aller derzeitigen Unsicherheiten im Bundeshaushalt zum Trotz – eine stabile Finanzierung für den Einsatz dieser Instrumente.“ Ohne entsprechende Planungssicherheit sei die Umsetzung von „vergleichsweise kostenintensive Instrumenten“ für die Jobcenter ein „großes ökonomisches Wagnis“.

Ampel-Koalition sieht im Haushalt 2025 weniger Mittel für Bürgergeld und Jobcenter vor

Ob sich die finanziellen Mittel für die Jobcenter und deren Förderprogramme verbessern, ist jedoch fraglich. Die Ampel-Koalition streitet sich um die Höhe des Bürgergeldes, im Haushaltsentwurf sind für 2025 weniger Mittel vorgesehen. „Viele langzeitarbeitslose Menschen können und wollen arbeiten, bekommen aber wegen der Sozialkürzungen keine Chance“, sagte Reichinnek. „Das muss sich wieder ändern.“

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