Warum trotz Streik im Freistaat noch viele Züge fahren – Einblick in Bayerns Schienennetz
Den GDL-Streik ab Mittwoch, 2 Uhr, werden einige Pendler in Bayern kaum spüren. Die Gründe liegen im System selbst: Denn auf Bayerns Schienen ist deutlich mehr los, als manch einer vermutet.
München – In den kommenden Tagen geraten die Fahrgäste im Tarifkonflikt erneut zwischen die Fronten der DB (Deutschen Bahn) und der GDL (Gewerkschaft der Deutschen Lokführer). Vom 10. bis zum 12. Januar wird das Schienennetz bundesweit bestreikt. Doch Streik bedeutet nicht immer Stillstand. Wichtig hierbei ist auch die Frage, wer streikt. Warum, das zeigt ein Blick in das komplexe Konstrukt des bayerischen Schienennetzes.

Nicht nur die DB – Bayern hat viele Eisenbahnunternehmen auf den Schienen
Neben der Deutschen Bahn (DB) gibt es viele weitere Eisenbahnunternehmen in Bayern. So nutzt etwa auch die Österreichische Bundesbahn (ÖBB) das Schienennetz sowie Transdev, das zweitgrößte Eisenbahnunternehmen in Deutschland, welches zum gleichnamigen französischen Mutterkonzern gehört. Daneben fahren auch Züge der Eisenbahnfirma Netinera, das zum italienischen Trenitalia-Konzern gehört und Züge von BeNEX, einer internationalen Beteiligungsgesellschaft von Eisenbahnunternehmen.
Pendlerzahlen steigen in Bayern
Trotz Home-Office ist die Zahl der Pendlerinnen und Pendler zuletzt gestiegen. Das zeigen die aktuellsten Zahlen aus dem Jahr 2022 des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Demnach verließen für die Arbeit bundesweit mehr als 20 Millionen Menschen täglich ihren Wohnort. Ein Trend, der auch in Bayern zu sehen ist. Gut 4,4 Millionen Menschen – und damit 61 Prozent aller bayerischen Pendlerinnen und Pendler (Stand der Daten: 2021) sind laut dem Bayerischen Landesamt für Statistik auf Mobilität angewiesen. Ein verlässliches Netz der öffentlichen Verkehrsverbindungen ist wichtiger denn je. Doch genau daran scheitert es oftmals.
Wer wo fahren darf, entscheidet die BEG, die Bayerische Eisenbahngesellschaft – eine Beteiligungsgesellschaft des Freistaats Bayern. „Die BEG plant, finanziert und kontrolliert den Schienenpersonennahverkehr“, erklärt Thomas Prechtl, Sprecher der BEG-Geschäftsführung. Dabei legt die BEG unter anderem den Fahrplan der Regionalzüge und S-Bahnen fest, wie auch die Umsteigemöglichkeiten. In einem Wettbewerbsverfahren werde die Verkehrsleistung dann an das Eisenbahnverkehrsunternehmen mit dem wirtschaftlichsten Angebot vergeben.
Eisenbahnunternehmen müssen untereinander kooperieren
Wichtig dabei: „Die Eisenbahnunternehmen sind vertraglich dazu verpflichtet, in verschiedenen betrieblichen Bereichen miteinander zu kooperieren“, sagt Prechtl. Gleichzeitig, haben die Unternehmen aber auch selbst ein Interesse daran, gemeinsam eine gute Leistung für die Kunden zu erbringen. „Kooperationen sind also durchaus üblich“, sagt Prechtl. Etwa, wenn mehrere Eisenbahnfirmen eine Strecke parallel bedienen oder man sich bei Fahrzeug- oder Personalausleihen aushelfen.
Klingt für den Kunden erstmal super. Er kann problemlos von Regensburg nach Lindau reisen, ohne groß zu bemerken, dass er dabei womöglich drei verschiedene Anbieter benutzt. Lediglich die Farben und Logos der Züge ändern sich bei den Fahrten.
Bayerns Eisenbahnen: Wer gehört eigentlich zu wem?
Jeder kennt sie: Die Deutsche Bahn (DB). Zu ihr gehört die DB Regio, die roten Züge, die Bayerns kleinere Ortschaften miteinander verbinden. Der Fernverkehr läuft ebenfalls über die DB und über ausländische Eisenbahnunternehmen. Zudem ist die DB InfraGo (bis zum 31. Dezember 2023 DB Netz) Betreiberin der Infrastruktur, sprich der Schienen. Eigentümer ist der Bund.
Transdev ist das zweitgrößte Eisenbahnunternehmen in Deutschland und auch in Bayern stark vertreten. Unter anderem mit der Bayerischen Regionalbahn (BRB), die inzwischen als Marke sämtliche frühere kleinere Marken, wie Meridian und Bayerische Oberlandbahn (BOB) vereint.
Der deutsche Nachbarstaat Österreich benutzt ebenfalls die bayerischen Schienen. Mit der Tochterfirma Go-Ahead, die seit Herbst 2023 zu der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB) gehört.
Ein weiterer Eisenbahnriese ist Netinera: Als Tochterunternehmen der italienischen Trenitalia bedient Netinera etwa die bayerischen Züge des Alex, der Oberpfalzbahn, Regentalbahn/vlexx, Vogtland- und Waldbahn.
BeNEX ist kein Eisenbahnunternehmen, sondern eine Beteiligungsgesellschaft. Darin eingebunden ist das Verkehrsunternehmen Agilis, das vor allem die Strecken Ulm – Ingolstadt – Regensburg und im nördlichen Bayern den Raum zwischen Bamberg – Coburg – Hof – Weiden befährt.
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System Bahn: Gewerkschaften mischen das Spielfeld auf
Von der Komplexität des Systems verschont, bleibt er aber dann doch nicht ganz: Spätestens, wenn sich zwei weitere Figuren mit aufs Schienen-Spielfeld begeben: die Gewerkschaften. Mit der GDL (Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer) und der EVG (Eisenbahn-Verkehrsgewerkschaft) wird dann oft doch alles etwas komplizierter für den Fahrgast. Vor allem dann, wenn sich die Eisenbahnunternehmen und die Gewerkschaften wieder in den Haaren haben.
Gut zu wissen: Go-Ahead, Agilis und Waldbahn werden nicht bestreikt
Die GDL verhandele immer parallel mit mehreren Arbeitgebern, erklärt Prechtl. „Deswegen wird etwa Go-Ahead nicht bestreikt“, da eine Einigung mit der ÖBB, zu der Go-Ahead gehört, am 5. Januar erzielt wurde. Vor Weihnachten hat sich die GDL auch mit Netinera geeinigt, zu dem etwa der Alex oder die Waldbahn gehört. Im Abschluss enthalten: eine Absenkung der Arbeitszeit auf eine 35-Stunden-Woche für Schichtarbeiter, die Einführung einer grundsätzlichen Fünf-Schichten-Woche sowie einer spürbaren Entgelterhöhung.
Bislang keine Einigung zwischen der Deutschen Bahn und Transdev mit der GDL
Nicht geeinigt hingegen, hat sich die GDL mit der DB – „insofern ist der DB Konzern voll betroffen“, sagt Prechtl. Transdev hat die GDL ebenfalls noch im Streikvisier, allerdings mit wenig Erfolg in Bayern. Denn bei der BRB findet sich kaum ein GDL-Mitglied unter den Lokführern, mit dem Ergebnis, das bei den vorangegangenen Streiktagen fast alle Verbindungen fuhren.
Das System Bahn ist ein riesiges Räderwerk. Wenn Teile davon wegbrechen, hat das auch Folgewirkungen.
Trotzdem kann es auch bei den anderen Bahnunternehmen zu Ausfällen kommen. Prechtl: „Das System Bahn ist ein riesiges Räderwerk. Wenn Teile davon wegbrechen, hat das auch Folgewirkungen.“ So geht etwa auch Go-Ahead davon aus, während des Warnstreiks vom 10. bis 12. Januar einzelne Einschränkungen ihres Betriebs zu spüren. Das könne etwa der Fall sein, wenn die Fahrdienstleiter streiken. Die kümmern sich um Weichen, Signalstellung und sind überhaupt für die Sicherheit auf der Schiene verantwortlich. Ohne sie geht nichts.
Fahrdienstleiter arbeiten bei der DB Netz, die sich seit 1. Januar 2024 übrigens DB InfraGo nennt. Auch dort gibt es vereinzelt GDL-Mitglieder.
„Natürlich haben die einzelnen Verkehrsunternehmen Streik- und Notfallpläne, aber es ist klar, dass das immer nur einen Teil abdeckt“, sagt Prechtl. Wie viele Mitarbeiter letztlich tatsächlich streiken, könne niemand vorhersagen. Ob Go-Ahead, Agilis oder BRB – so oder so, müssen sich Reisende dieser Tage wohl auf die ein oder anderen Ausfälle einstellen. Im Fernverkehr stärker als im Regionalverkehr – laut einer Sprecherin der DB werden dann lediglich 20 Prozent der Schnellzüge fahren.
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Gewerkschaft EVG hat mehr Mitglieder als die GDL
Einen schwachen Trost für die Fahrgäste hat Prechtl am Ende doch noch. Neben der GDL gibt es in der Bahnbranche ja auch noch die Gewerkschaft EVG – „in der dürften aktuell die Mehrzahl der Gewerkschaftsmitglieder der Branche organisiert sein.“ Genaue Zahlen kennt man hier nicht. Die EVG hat vergangenes Jahr bereits gestreikt und ihre Tarifverhandlungen erfolgreich beendet. Zudem sehen sich EVG und GDL eher als Konkurrenten, weniger als Partner. Von hier darf die GDL also keine Schützenhilfe erwarten.
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