Parteien rüsten sich für Wahlkampf - Die Ampel wankt – und hinter den Kulissen kursiert bereits ein Neuwahl-Termin
„Wahlsiege lassen sich organisieren“, diese Überzeugung hat SPD-Chef Lars Klingbeil zuletzt mehrfach geäußert. Gespeist wird sie daraus, dass er vor der Bundestagswahl 2021 als damaliger Generalsekretär den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz aus scheinbar aussichtsloser Position ins höchste Regierungsamt gehievt hat. Daran, dieses Kunststück zu wiederholen, arbeiten die Sozialdemokraten nicht erst seit ihrer Vorstandsklausur. Und auch bei der Union werden immer mehr Weichen für den Wahlkampf gestellt.
Zunächst ist das rund ein Jahr vor der für 28. September 2025 angesetzten Bundestagswahl nicht ungewöhnlich. Doch bei den Männern und Frauen in den Parteizentralen ist der Druck diesmal besonders hoch: Denn sie müssen gleich einen doppelten Wahlkampf-Plan aufstellen.
Zwar weiß niemand mit Sicherheit, ob die FDP – oder vielleicht sogar eine andere Ampel-Partei – die Koalition platzen lassen will. Und selbst dann wäre noch nicht automatisch der Weg für Neuwahlen frei. Aber professionelle Wahlkampf-Manager müssen mit allen Eventualitäten rechnen, weshalb in den Parteizentralen Szenarien für eine vorgezogene Wahl erdacht werden.
Vor Weihnachten herrscht Neuwahl-Klarheit
Sogar Termine dafür kursieren schon: Als im Sommer der Haushaltsstreit im Kabinett eskalierte, war zunächst einer der Sonntage vor Weihnachten im Gespräch. Doch die Koalitionäre konnten sich schließlich einigen, die Ampel besteht fort. Jetzt aber wird der Haushalt im Bundestag beraten, die FDP hat außerdem die Themen Migration und Wirtschaftswachstum zu den Prüfsteinen auserkoren, nach denen sich der Fortbestand der Ampel richten soll.
Deshalb fällt zurzeit wieder ein neuer Bundestagswahltermin: der 9. März 2025. Das Datum ergibt sich aus einer Reihe von gesetzlichen Vorgaben, politischen Erwägungen und praktischen Hürden. Ausgangspunkt wäre der Zeitpunkt des Ampel-Endes. Über den Haushalt soll voraussichtlich am 29. November im Bundestag abgestimmt werden, die FDP will spätestens am 21. Dezember Klarheit über die Zukunft der Koalition.
Stünde Scholz ohne Mehrheit da, könnte er zunächst mit einer Minderheitsregierung aus SPD und Grünen weitermachen – oder die Vertrauensfrage stellen. Wenn die verloren geht, kann der Bundespräsident innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen und so den Weg für Neuwahlen frei machen. Ab diesem Zeitpunkt beginnt laut Grundgesetz eine Frist von 60 Tagen, innerhalb dieser Zeit müssen die Bürger einen neuen Bundestag wählen.
Hamburg-Wahl und Karneval sprechen gegen einen Neuwahl-Termin
Rechnet man nach vorne, wäre ein Termin Mitte oder Ende Februar realistisch. Allerdings gibt es politische Erwägungen: Scholz könnte die Vertrauensfrage nach einem Koalitionsbruch hinauszögern, so dass rechnerisch auch noch ein Datum im März möglich wäre, vermutet „Table Media“. Denn am 2. März ist Landtagswahl in Scholz‘ Heimatstadt Hamburg. Vor allem die SPD, aber auch Grüne und FDP können dort auf ein ordentliches Ergebnis hoffen – was Rückenwind für eine Bundestagswahl eine oder zwei Wochen später bringen könnte.
Gegen den 2. März könnten auch praktische Überlegungen sprechen. Denn er ist der Karnevalssonntag. Dass Wahlen und Großereignisse für Probleme sorgen können, hat der Berliner Marathon gezeigt, der parallel zur Bundestagswahl 2021 lief. Große Veranstaltungen oder der Beginn von Schulferien waren in der Vergangenheit deshalb immer wieder Thema bei der Festlegung von Wahlterminen.
Laut „Table Media“ hat man sich auch im Bundespräsidialamt schon mit der Neuwahl-Planung befasst. Zwar wurde die Prüfung konkreter Szenarien später dementiert, doch im politischen Berlin sind sie schon längst ein Dauerthema.
CDU will innerhalb von zehn Wochen kampagnenfähig sein
Schon im Sommer machte zum Beispiel CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann deutlich, dass das Adenauer-Haus sich mit einer vorgezogenen Bundestagswahl beschäftigt. „Innerhalb von zehn Wochen“ könne man eine Wahlkampagne aus dem Boden stampfen. Jetzt, wo auch der reguläre Wahltermin immer näher rückt, wäre man möglicherweise noch schneller gerüstet.
Zum einen arbeitet die Union daran, ein schlagkräftiges Team zusammenzustellen: Wie immer kursieren Listen mit möglichen Ministern im Falle einer Regierungsbeteiligung. Aber auch jetzt passiert personell schon etwas: So hat Friedrich Merz den Sprecher der Unionsfraktion, Hero Warrings, zu seinem Sprecher für die Kanzlerkandidatur gemacht. Zentrale Rollen nehmen bei der CDU auch Generalsekretär Linnemann und Thorsten Frei, parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, ein.
Die beiden haben im Sommer intensiv an einem möglichen Wahlprogramm gearbeitet. Als Grundlage dafür haben sie zum Beispiel im Bundestag gegen die Ampel eingebrachte Anträge durchforstet. Bei einer Regierungsbeteiligung könnten sie wieder hervorgeholt werden. Zudem hat sich die CDU in der laufenden Legislaturperiode ein neues Grundsatzprogramm gegeben, das jetzt in konkrete Vorschläge übersetzt werden kann.
SPD-Strategie zielt auf Merz und Erfolgsrezept von 2021
Merz muss im Wahlkampf die Inhalte verkörpern und sich als bessere Alternative zu Scholz präsentieren. Bislang gelingt das nicht vollends: Viele sehen den CDU-Chef derzeit noch mehr als polternden Oppositionspolitiker, denn als besonnenen Kanzler im Wartestand. Zudem zeigt eine aktuelle Umfrage von Infratest dimap, dass mit Merz zwar etwas mehr Bürger zufrieden sind als mit Scholz – gleichzeitig sind aber auch noch 60 Prozent unzufrieden mit dem Kanzlerkandidaten der Union.
Das führt zur SPD, die sich ebenfalls Gedanken um eine möglicherweise schon bald benötigte Wahlkampfstrategie macht. Ein Teil davon wird es sein, sich auf Merz einzuschießen. Er soll als abgehoben und kalt dargestellt werden – sowohl persönlich als auch in seiner Politik. Der neue SPD-Generalsekretär Matthias Miersch spricht deshalb auch gerne von der „Merz-CDU“. Dem gegenüber soll eine SPD stehen, die unter anderem mit einem steigenden Mindestlohn und Entlastungen werben will, wie die Vorstandsklausur am Wochenende deutlich gemacht hat .
Neben Miersch – der zwar ein erfahrener Politiker, aber noch neu im Amt ist – wird auch Parteichef Klingbeil sich wieder stark in die Wahlkampfplanung im Willy-Brandt-Haus einmischen. Und auch an anderer Stelle setzen die Sozialdemokraten auf das Erfolgsrezept von 2021: Der Werber und Klingbeil-Freund Raphael Brinkert soll wie bei der vergangenen Bundestagswahl die Kampagne entwerfen.