West-Sanktionen erdrosseln Kreml-Kriegskasse – neues Problem für Putin
Russlands Ölförder-Kapazitäten schwächeln. Laut der IEA wird sich daran so schnell nichts ändern. Das schadet der Kriegskasse erheblich.
Moskau – Der Kreml benötigt dringend finanzielle Mittel. Um die Kriegskasse zu füllen, ergreift der russische Präsident Wladimir Putin zunehmend drastische Maßnahmen. Kürzlich wurde bekannt, dass der Kreml einen bedeutenden Goldproduzenten enteignen will. Aufgrund unzureichender Einnahmen aus dem Öl- und Gasgeschäft sah sich der Energieriese Gazprom zudem gezwungen, die Gaspreise zu erhöhen. Weiter griff der Kreml auf einen wichtigen Reservefonds zurück, um Defizite auszugleichen. Dennoch bleibt der Ölsektor in einer Krise.
Russlands Wirtschaft schwächelt weiter – Ölproduktion stagniert
Seit Monaten steht Russlands Wirtschaft unter dem Druck westlicher Sanktionen. Mit mittlerweile 17 Sanktionspaketen (ein 18. ist in Planung) versuchen die westlichen Verbündeten der Ukraine, die Kriegskasse des Kremls zu schwächen und die Staatseinnahmen zu beeinträchtigen.
Der Kreml behauptet immer wieder, dass die Wirtschaft von diesen Sanktionen unberührt bleibe. Doch die Internationale Energieagentur (IEA) zweifelt daran, „ob Russland seine Produktionskapazitäten aufrechterhalten kann“, ganz zu schweigen von der Möglichkeit einer Produktionserweiterung.
Diese Einschätzung basiert auf einem aktuellen Monatsbericht der IEA, über den die Moscow Times berichtete. Die in Paris ansässige Energieagentur erklärte, dass Russlands Ölversorgung über weite Teile des Jahres 2024 und bis Anfang 2025 kontinuierlich zurückgegangen sei. Im Juni 2025 habe Russland Öl-Lieferungen in Höhe von 4,68 Millionen Barrel (1 Barrel entspricht 159 Litern) durchgeführt.
Die gesamte Produktion von Rohöl und Kondensat wurde im Juni auf 9,19 Millionen Barrel pro Tag geschätzt, was deutlich unter dem Niveau von vor der Pandemie und der geschätzten aktuellen Kapazität von 9,8 Millionen Barrel pro Tag liegt. Laut der IEA ist die Ölproduktion Russlands seit 2022 um etwa 1,3 Millionen Barrel pro Tag gesunken. Dies verdeutlicht den erheblichen strukturellen Schaden, den internationale Sanktionen verursacht haben, sowie die technische Isolation des Landes.
Opec-Entscheidungen reduzieren Öl-Einnahmen – Probleme summieren sich
Russland steht vor zwei großen Herausforderungen. Eine davon resultiert aus den internen Entscheidungen des Ölförder-Kartells Opec+. Dieses hat in den letzten Jahren wiederholt Produktionskürzungen angekündigt, um den globalen Ölpreis zu stabilisieren. Russland, das auf hohe Ölpreise und umfangreiche Verkäufe angewiesen ist, leidet darunter. Laut dem Thinktank Oxford Analytica wird sich an dieser Stagnation der Produktion auch im Jahr 2025 kaum etwas ändern. Im Gegenteil, es könnte sogar zu einem weiteren Rückgang kommen.
Obwohl Russland den westlichen Sanktionen zunächst relativ widerstandsfähig begegnete, summieren sich mittlerweile die Störfaktoren. Einbußen im Exportvolumen, gestiegene Transportkosten und eingeschränkter Zugang zu Kapital führen zu düsteren Aussichten auf kurze bis mittlere Sicht.
Westliche Sanktionen beeinträchtigen Russlands Wirtschaft – Ölsektor ebenfalls betroffen
Das zweite Problem stellen die westlichen Sanktionen dar. Insbesondere die USA unter Präsident Joe Biden haben in den letzten Monaten der Vorgänger-Administration Maßnahmen ergriffen. Über 100 Tankschiffe der berüchtigten russischen Schattenflotte wurden auf die schwarze Liste gesetzt, und es wurden Sekundärsanktionen gegen Länder angedroht, die weiterhin mit dieser Flotte handeln.
Diese Maßnahmen führten ab März zu einem Einbruch bei Lieferungen von russischem Ural-Mischöl. Selbst Indien und China, die sonst als Russlands größte Abnehmer gelten, zögern, die US-Sanktionen zu umgehen. Die faktische Entfernung vieler Schattentanker, bedingt durch Probleme wie Hafenzugang, Wartung, Schiff-zu-Schiff-Transfers oder Verluste durch US-Sanktionen, erhöhte zudem die Frachtkosten. Innerhalb weniger Tage nach der Ankündigung der US-Sanktionen stiegen die Frachtraten für sogenannte VLCC (Very Large Crude Carrier) um etwa 61 Prozent, was die Wettbewerbsfähigkeit von Russlands Rohöl beeinträchtigte.
Ein weiterer Aspekt der Sanktionen ist der Mangel an westlicher Hard- und Software. Diese dürfen nicht mehr offiziell nach Russland importiert werden, was den Ölsektor vor Herausforderungen stellt, da westliche Unternehmen in den Hightech-Bereichen der russischen Ölfelder eine Schlüsselrolle spielten. „Dieses Hightech-Equipment braucht in den kommenden Jahren eine aktive Import-Substituierung“, schrieb die Management-Beratung Yakov and Partners bereits 2023. Das Fehlen heimischer Alternativen stellt bis 2030 ein Risiko für 20 Prozent der russischen Produktion dar, insbesondere in den arktischen Förderprogrammen.
Budgetkürzungen aufgrund fehlender Einnahmen – Sanktionen verringern den Geldfluss des Kremls
Die verschiedenen Herausforderungen, die Russlands Ölproduktion beeinträchtigen, spiegeln sich letztlich in der Bilanz wider. Im zweiten Quartal 2025 sanken die Einnahmen aus dem Verkauf fossiler Brennstoffe um 18 Prozent im Vergleich zu 2024. Seit der Invasion der Ukraine war kein Quartal so schwach. Dabei konnte Russland mengenmäßig sogar acht Prozent mehr exportieren als im ersten Quartal des Jahres.
Zudem kann sich Russland immer weniger auf seine Schattentanker verlassen. Der Kreml greift offenbar verstärkt auf Frachtschiffe des losen Länderbündnisses g7+ zurück, einer Gruppe politisch instabiler Staaten. Dies zeigte der Juni-Rückblick des Center for Research on Energy and Clean Air (CREA).
Für Russlands Wirtschaft bedeutet dies zunehmende Schwierigkeiten. Der Kreml musste kürzlich Investitionen kürzen, da die Einnahmen aus dem Ölverkauf unzureichend waren. Dies betraf unter anderem ein Entwicklungsprogramm in der Luftfahrt sowie den Automobilsektor.