Weltklimakonferenz - Der unbemerkte Hinterzimmer-Deal, von dem auch Deutschland profitieren soll
Hoffnung auf den „Gamechanger“
Wie so vieles auf der COP klingt das eher technisch und irrelevant, ist aber theoretisch ein großer Hebel im Kampf für den Klimaschutz. Mit dem sogenannten Kohlenstoffmarkt können Länder untereinander Emissionen handeln und sich gegenseitig beim Erfüllen der nationalen Klimaziele unterstützen. Wenn Deutschland etwa merkt, dass es seine Klimaziele überschreitet, kann es die Elfenbeinküste dafür bezahlen, dass sie ihre Emissionen reduziert - und Deutschland kann sich diese Einsparung auf seine eigene Klimabilanz anrechnen lassen. Obwohl die Einsparung gar nicht in Deutschland geschehen ist, sondern in diesem Beispiel in Afrika.
Von einem „Gamechanger“ spricht der aserbaidschanische Unterhändler Yalchin Rafiyev, bei dem Kohlenstoffmarkt habe es sich um eine der zentralen Prioritäten dieser Weltklimakonferenz gehandelt. Tatsächlich war der Mechanismus schon im Abschlussdokument der Pariser Konferenz von 2015 skizziert worden, im unter Klimadiplomaten mittlerweile berüchtigten Artikel 6. In den neun Jahren danach hatte es aber kaum Fortschritte bei der Umsetzung gegeben.
In der Theorie bietet der „Carbon Market“ mehrere Vorteile. Mit dem Markt werden Klimaschutzmaßnahmen automatisch dort angewandt, wo sie am günstigsten sind - 250 Milliarden Euro im Jahr soll das sparen, rechnet Rafiyev vor. Die Empfänger-Länder können die Zahlungen nutzen, um weitere Maßnahmen zu Klimaschutz und Klimaanpassung zu finanzieren. Indem die Treibhausgase dort eingespart werden, wo es am günstigsten und einfachsten ist, werden die Emissionen außerdem schneller reduziert als bislang.
„Neokoloniale Pläne“
Doch das System ist nicht ohne Risiken. Die Gefahren von Schlupflöchern und Betrugsmöglichkeiten sind offensichtlich, warnen Experten und Aktivisten. Das Modell ähnelt den sogenannten Emissionsgutschriften, die Unternehmen bereits jetzt nutzen können, um „CO2-neutral“ zu werden. Unternehmen können ihre anfallenden Emissionen „ausgleichen“, indem sie Gutschriften kaufen, mit denen etwa Wälder aufgeforstet oder Windräder gebaut werden.
Doch der Gutschriften-Markt hat mittlerweile einen schlechten Ruf: Die Wirkung vieler Ausgleichsprojekte kann nur selten überprüft werden, die Einsparungen werden oft überschätzt oder existieren gar nicht. In vielen Fällen wird doppelt gerechnet: Das europäische Unternehmen rechnet sich die eingesparten Emissionen eines Projekts in Afrika an - das afrikanische Land jedoch auch. Und nicht selten ist unklar, ob die Projekte nicht auch ohne das Geld aus den Gutschriften durchgeführt worden wären.
Kohlenstoffmärkte funktionierten einfach nicht, kritisierten die Umweltorganisationen Friends of the Earth International, Oil Change International und 350.org in einem gemeinsamen Statement. „Stattdessen dienen sie großen Umweltverschmutzern als Deckmantel, damit sie ihre Emissionen auf Kosten von Mensch und Natur fortsetzen können.“ Immer wieder hätten „diese neokolonialen Pläne“ zu Landraub, Verletzungen der Rechte indigener Völker und Menschenrechten sowie zur Untergrabung der Ernährungssouveränität geführt.
Schlechtes Omen für die COP?
Ein heikles Thema also. Doch die Marktregeln seien am Montagabend ohne breite Debatte in einem Hinterzimmer-Abkommen vereinbart worden, kritisiert eine Reihe von Umweltorganisationen. Erika Lennon vom Zentrum für internationales Umweltrecht (CIEL) sprach am Dienstag von einem „gefährlichen Präzedenzfall“ für den gesamten Verhandlungsprozess auf der COP29 in Aserbaidschan.
Der Prozess ist aber noch nicht abgeschlossen. Es sei noch Arbeit vonnöten, um die Standards zu finalisieren, die den Kohlenstoffmarkt regeln sollen, sagte die saudi-arabische Vorsitzende der Arbeitsgruppe, Maria Al-Jishi, am Dienstag auf einer Pressekonferenz. „Natürlich müssen wir zu jeder Zeit das ordnungsgemäße Verfahren einhalten.“ Kritik und Anmerkungen seien immer willkommen.
mit dpa-Material
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