Boeing-Whistleblower tot aufgefunden – Bruder erhebt Vorwürfe: „Profit über Sicherheit“
Der Boeing-Whistleblower John Barnett ist tot – zuvor kritisierte er immer wieder angebliche Sicherheitsmängel bei seinem Ex-Arbeitgeber. Sein Bruder erhebt Vorwürfe gegen den Flugzeughersteller.
Seattle – Die schlechten Nachrichten um den US-Flugzeughersteller Boeing reißen nicht ab: Nach einem kurz nach Start gerissenen Rumpfteil nahm die Luftverkehrsaufsicht FAA die Produktion unter die Lupe und forderte von Boeing einen Plan für Nachbesserungen. Nun ist auch noch ein früherer Qualitätsmanager von Boeing tot aufgefunden worden. Er hatte seinen Ex-Arbeitgeberwegen wegen angeblicher Produktionsmängel kritisiert.
Tod von Boeing-Whistleblower – Bruder spricht von „feindseliger Arbeitsumgebung“
Demnach habe sich der 62-jährige Ex-Mitarbeiter John Barnett vor einem Hotel im Bundesstaat South Carolina vermutlich selbst getötet, wie die Polizei in Charleston mitteilte. Dabei sprachen sie von der „weltweiten Aufmerksamkeit“, die dem Whistleblower zuteil wurde. Barnett hatte sich zum Todeszeitpunkt in Charleston aufgehalten, um als Zeuge gegen Boeing auszusagen.
Denn Barnett hatte mehr als drei Jahrzehnte als Qualitätsmanager bei dem US-Flugzeughersteller gearbeitet, bevor er 2017 den Dienst quittierte. Seitdem hat er immer wieder vor Journalisten über angebliche Produktionsmängel bei Boeing gesprochen. „John war zutiefst besorgt über die Sicherheit der Flugzeuge und der fliegenden Öffentlichkeit und hatte einige schwerwiegende Mängel identifiziert, die seiner Meinung nach nicht angemessen angegangen wurden“, sagte Barnetts Bruder Rodney gegenüber der Nachrichtenagentur AP. „Er sagte, dass Boeing eine Kultur des Verschweigens pflegte und den Profit über die Sicherheit stellte.“ Weiter sprach er von einem „feindseligen Arbeitsumfeld bei Boeing“.
Boeing selbst reagierte auf den Tod des Whistleblowers nur mit einem kurzen Statement: „Wir sind traurig über den Tod von Herrn Barnett und unsere Gedanken sind bei seiner Familie und seinen Freunden.“
Boeing: Luftverkehrsaufsicht findet mehrfache Verstöße
Der Flugzeughersteller steckt in heftigen Turbulenzen nach dem Zwischenfall Anfang Januar, bei dem ein Rumpfteil einer so gut wie neuen 737-9 Max im Steigflug kurz nach dem Start herausriss. Der Vorfall warf neue Fragen zu Qualitätskontrollen bei Boeing auf: Die Ermittlungsbehörde NTSB geht nach ersten Erkenntnissen davon aus, dass an dem Rumpf-Fragment vier Befestigungsbolzen fehlten.

Die Luftverkehrsaufsicht FAA nahm die Produktion unter die Lupe und forderte von Boeing einen Plan für Nachbesserungen. Die New York Times schrieb unter Berufung auf eine interne Präsentation, von 89 Überprüfungen einzelner Prozesse habe Boeing 56 bestanden – und insgesamt seien 97 Verstöße festgestellt worden. Wie schwerwiegend die Probleme waren, blieb dabei unklar. Die FAA teilte bisher lediglich mit, sie habe mehrfach Verstöße gefunden.
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Die New York Times nannte zwei Beispiele für ungewöhnliche Produktionsschritte vom Boeing-Zulieferer Spirit Aerosystems: Techniker hätten die Abdichtung einer Tür mit Hilfe eine Hotel-Schlüsselkarte kontrolliert und Geschirrspülmittel zum Befeuchten einer Türdichtung verwendet.
Boeing liefert weniger Max-Flugzeuge im Februar aus
Das Hin und Her hat ein auch ein Nachspiel bei den Lieferungen: So hat Boeing im Februar während der Untersuchung seiner Produktionslinien deutlich weniger Flugzeuge der wichtigen 737-Max-Familie ausgeliefert. An die Airline-Kunden gingen 17 Maschinen, wie aus am Dienstag veröffentlichten Boeing-Zahlen hervorgeht. Im Januar hatte Boeing noch 25 Max-Flugzeuge ausgeliefert und im November und Dezember jeweils mehr als 40.
Boeing darf pro Monat nämlich nur bis zu 38 Max-Maschinen produzieren, da die FAA eine geplante Ausweitung der Fertigung nach dem Zwischenfall von Januar bis auf Weiteres verweigert. Boeing ging auf solche Details nicht näher ein. Aber der Chef der Verkehrsflugzeug-Sparte, Stan Deal, kündigte in einer E-Mail an die Belegschaft neue Maßnahmen an. So solle bei allen Mitarbeitern, die Verstöße begangen hätten, dafür gesorgt werden, dass sie die Verfahren und Anweisungen verstehen. An jeder Station der 737-Produktion soll es wöchentliche Checks geben und alle Werkzeugkästen sollen überprüft werden.
Die 737-Serie ist ein Bestseller von Boeing. Der Konzern liegt im Rückstand mit dem Abarbeiten der Bestellungen – und das könnte für Kapazitätsengpässe bei Airlines sorgen. Denn beim Konkurrenten Airbus sind die Produktionslinien ausgelastet.
Anmerkung der Redaktion: Normalerweise berichtet Ippen.Media nicht über Selbstmorde. Ausnahmen sind nur Fälle, die besondere öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Wer Hilfe sucht (das gilt auch für Angehörige), für den steht die Telefonseelsorge rund um die Uhr zur Verfügung: 0800/ 1110111 oder 0800/1110222.
Mit Material der dpa