Weltmeister-Skater mit Bildungs-Mission: Ex-Profi hat heute eine besondere Aufgabe

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Geretsried-Wolfratshausen
  4. Wolfratshausen

Kommentare

Auf dem Brett zu Hause: Tobias Kupfer hat als Skateboarder einen Weltcup-Wettbewerb gewonnen. © Sabine Hermsdorf

Im Landkreis leben erfolgreiche Persönlichkeiten. Was macht die Menschen aus, die hinter diesem Erfolg stehen? Was bewegt sie, wie leben sie, worauf sind sie stolz? Skater Tobias Kupfer war Weltmeister - und ist heute Geschäftsmann.

Wolfratshausen/Egling – Skateboarden ist mehr als ein Freizeitsport, es ist ein Lebensstil. Tobias Kupfer lebt die Skater-Kultur auch als Geschäftsmann – nicht nur bei der Kleiderwahl. In seinen Büroräumen in Wolfratshausen ist viel Platz zum Chillen. Zwei Schaukeln aus Skateboard-Decks hängen von der Decke; unzählige Rollbretter, ein Klavier, ein Billard- und ein Kickertisch laden zu kreativen Pausen ein. Die Mission des 49-jährigen, ehemaligen Profiskaters: durch Freestyle-Sport jungen Menschen Freude an Bewegung zu vermitteln. Und sie darüber hinaus zu gesunder Ernährung und einem nachhaltigen Leben zu animieren. Dafür veranstaltet er mit seinen 24 Mitarbeitern und fast 200 Coaches zweijährige Workshops in Schulen in ganz Deutschland. Finanziert werden die Programme durch Stiftungsgelder und Sponsoren.

„Mir ist wichtig, etwas Sinnstiftendes zu machen“, sagt er. Eine Leukämie-Diagnose brachte ihn mit Anfang 30 dazu, seine Prioritäten zu überdenken. „Das Leben kann ratzfatz vorbei sein. Ich hatte das Riesenglück, dass sich ein passender Knochenmarkspender für mich gefunden hat.“

+++ Uns gibt's auch auf Instagram! Unter „MerkurWolfratshausenGeretsried“ finden Sie immer die spannendsten Geschichten aus unserer Region +++

Die Skateboard-Schule, die er bis dahin betrieben hatte, gab er auf. „Das war ein rein kommerzielles Ding für privilegierte Kinder. Das wollte ich nicht mehr.“ Der wirtschaftliche Erfolg, „die Kohle auf dem Konto“, bedeute ihm nicht viel. „Etwas zu finden, wofür ich brenne, viel Zeit mit meiner Familie zu haben und einfach gesund zu leben – wenn ich das schaffe, ist das für mich erfolgreich.“ Nach seiner Genesung stieß er auf das Gorilla-Konzept, das in der Schweiz bereits erfolgreich durch Schulen tourte. Gemeinsam mit seiner Frau Nadine und dem Schweizer Firmenchef gründete er 2015 die gemeinnützige Gorilla-Deutschland-Gesellschaft. Inzwischen sind auch drei seiner vier Kinder als Skateboard- und Ernährungsbotschafter mit von der Partie.

Zwei essenzielle Dinge in Tobias Kupfers Leben. Sein Skateboard und die Passion für Holzskulpturen.
Zwei essenzielle Dinge in Tobias Kupfers Leben: Sein Skateboard und das Modellieren von Holzskulpturen. © Clara Wildenrath

Kohle auf dem Konto bedeutet ihm nicht viel

Er selbst begann seine sportliche Karriere in einem weniger spaßbetonten Umfeld. In Leipzig geboren und aufgewachsen, ging er auf die dortige Elite-Sportschule und betrieb Tennis, Turnen und zuletzt Florettfechten als Leistungssport. „Als die dann mit dem Doping anfingen, habe ich aufgehört“, erklärt Kupfer. Kurz nach der Wende lernte der damals 15-Jährige ein paar Skater aus dem Westen kennen – und war sofort fasziniert. „Das war wie eine Revolte gegen den ganzen Leistungssport und die Gleichmacherei.“ Schon bald wurden Sponsoren auf das Nachwuchstalent aus der ehemaligen DDR aufmerksam.

Tobias Kupfer: Profiskater erinnert sich an eine „krasse Zeit“

Seine Eltern waren anfangs nicht begeistert, dass ihr Sohn so viel Zeit auf dem Skateboard verbrachte, erinnert sich Kupfer, der damals noch Albert mit Nachnamen hieß. „Irgendwann habe ich ihnen 10 000 Mark auf den Tisch geknallt, die ich an einem Wochenende verdient hatte. Dann haben sie es akzeptiert.“ Neben den Shows und Events, bei denen er auftrat, machte er eine Ausbildung zum Bürokaufmann in einem Autohaus. „Nicht wirklich mein Ding“, gibt er zu. Zum Durchbruch als Profiskater verhalf ihm 2000 der Sieg beim Mystic-Weltcup-Event in Prag. „Das hat seither kein anderer Deutscher geschafft.“ Zwei Jahre als Profi in den USA folgten, „eine krasse Zeit“.

Der Weg des „Albertross“

Tobias Kupfer war von 1992 bis 2013 Profi-Skateboarder. Nach seinem Geburtsnamen Albert ist er in der Skater-Szene als „Albertross“ bekannt. Zu seinen größten Erfolgen zählen der erste Platz bei den Europameisterschaften 1999 in Winterthur und beim Mystic-Skate-Cup 2000, einem Weltcup-Event in Prag. 2015 gründete er Gorilla Deutschland, ein mehrfach ausgezeichnetes Gesundheitsförderungs- und Bildungsprogramm für Kinder und Jugendliche mit Sitz in Wolfratshausen. Er ist in Leipzig geboren und lebt mit seiner Frau und vier Kindern seit 22 Jahren in einem alten Bauernhaus in Egling.

In der Gemeinde Egling, in einem alten Aussiedlerhof, fand er 2003 „sein Paradies“, wie er schwärmt. Dort richtete er sich eine Werkstatt ein, in der er mit Kettensäge und Schleifpapier riesige abstrakte Holzskulpturen modelliert; viele sind in seinen Geschäftsräumen zu bewundern. Im Garten baut er nach anthroposophischen Grundsätzen Obst und Gemüse an und musiziert oft mit Frau und Kindern am Lagerfeuer: „Ich sammle abgefahrene Instrumente aus jedem Land, in das wir reisen.“

Heimat ist für ihn dort, wo er in Harmonie leben kann

Heimat ist für ihn da, wo er mit seiner Familie und seinen Freunden in Harmonie sein kann, sagt er: „Das kann stundenweise in einem Skatepark sein, in unserem Baumhaus im Garten oder irgendwo im Dschungel in Brasilien.“ Dort verbringt er regelmäßig den Winter: „Ich hasse Kälte, die ist für Skater ganz schlimm.“

(Unser Wolfratshausen-Geretsried-Newsletter informiert Sie regelmäßig über alle wichtigen Geschichten aus Ihrer Region. Melden Sie sich hier an.)

Er empfinde sich als Kosmopolit, meint er. Auf Stagnation habe er „keinen Bock“. Er wolle Gorilla ausbauen, neue Module erfinden, „im Flow bleiben und am Ende des Tages happy sein mit dem, was ich gemacht habe“. Glück sei für ihn ein gutes Essen, eine tolle Zeit mit der Familie, Blaubeerensammeln an der Isar. Oder – auch heute noch – ein perfektionierter Skateboard-Trick.

Auch interessant

Kommentare