Machtloser Macron? Diese Szenarien könnten nach der Frankreich-Neuwahl eintreffen

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Die Neuwahl des Parlaments in Frankreich lässt Franzosen und Europäer rätseln, wie es politisch weitergeht. Ein Überblick über verschiedene Szenarien.

Paris – Was passiert nach den vorgezogenen Parlamentswahlen in Frankreich? Und was bedeutet das für Europa? Nachdem Präsident Emmanuel Macron nach seinem schlechten Abschneiden bei der EU-Wahl Neuwahlen ausgerufen hatte, rätseln nicht nur die Franzosen. Auch für die Europäische Union änder sich voraussichtlich einiges.

Erstmals könnten Rechtspopulisten auf nationaler Ebene Regierungsverantwortung bekommen. Und erstmals droht ein Wahlergebnis, bei dem kein Lager eine regierungsfähige Mehrheit erhält. Vier mögliche Szenarien:

1. Der Rassemblement National von Marine Le Pen gewinnt die Wahlen

Sollte der Rassemblement National (RN) rund um Marine Le Pen die Wahlen gewinnen, müsste Macron ein Mitglied der Rechtspopulisten als Ministerpräsidenten ernennen. Seine Partei hätte dann nur noch Befugnisse über Außen- und Verteidigungspolitik. Die Innenpolitik läge beim Rassemblement National. Der RN liegt in jüngsten Umfragen mit 36 Prozent vorn, aber weit von der absoluten Mehrheit entfernt. Die genaue Zahl der Sitze für die jeweiligen Parteien wird erst nach der zweiten Wahlrunde am 7. Juli feststehen.

Falls es zu einer absoluten Mehrheit kommen sollte, wird RN-Parteichef Jordan Bardella Anspruch auf das Amt des Regierungschefs erheben. Dass das Macron-Lager eine eigene Mehrheit schafft, gilt den Umfragen zufolge als ausgeschlossen. Es wäre somit das vierte Mal, dass Frankreich eine Kohabitation erlebt, in der der Präsident und der Premierminister aus unterschiedlichen Lagern kommen.

Bardella könnte etwa bei der Auswahl des französischen EU-Kommissars mitreden. Während der Sitz im EU-Rat dem französischen Präsidenten vorbehalten ist, werden an den europäischen Ministertreffen die jeweiligen Regierungsmitglieder teilnehmen – die dann voraussichtlich nicht dieselbe Linie vertreten würden wie Macron. Dies dürfte den Einfluss Frankreichs in der EU erheblich schmälern.

2. Wahlsieg der links-grünen Neuen Volksfront

Das Bündnis aus Linkspopulisten, Sozialisten, Kommunisten und Grünen einigte sich überraschend schnell auf ein gemeinsames Programm und gemeinsame Kandidaten. Laut aktuellen Umfrage liegen sie bei 28,5 Prozent. Keine Einigung erzielten die linken Parteien bei der Frage, wen sie im Fall eines Wahlsiegs als Premierminister vorschlagen wollen. Der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon, der Interesse äußerte, stieß bei den anderen Parteien auf heftige Ablehnung.

Das Regierungsprogramm, das Steuererhöhungen, gedeckelte Preise und die Rücknahme der Rentenreform vorsieht, enthält zudem mögliche interne Konfliktpunkte. So ist etwa die bei einem Teil der Linken umstrittene Atomkraft im Programm gar nicht erwähnt.

3. Geschäftsführende Regierung

Wenn weder die Rechtspopulisten noch die links-grüne Neue Volksfront eine Mehrheit erreichen, könnte Macron nach dem Vorbild Belgiens eine geschäftsführende Regierung ernennen. Dies könnte auch die amtierende Regierung sein. Deren Rücktritt wird nach der Neuwahl zwar erwartet, ist aber nicht vorgeschrieben.

Wer triumphiert, wer verliert? Die Ergebnisse, Prognosen und Hochrechnungen der Frankreich-Wahlen werden mit Spannung erwartet.
Wer triumphiert, wer verliert? Die Ergebnisse der Frankreich-Wahlen werden mit Spannung erwartet. © Imago (Bildmontage)

Es wäre nicht das erste Mal, dass Macron einen wenig bekannten Politiker zum Regierungschef ernennt. Jean Castex etwa war vor seiner Zeit als Premierminister ein weitgehend unbekannter Bürgermeister eines Ortes in den Pyrenäen. Denkbar ist auch jemand ohne Parteibuch. Die Neue Volksfront brachte den ehemaligen Gewerkschafter Laurent Berger ins Gespräch, der aber vorerst ablehnte.

4. Rücktritt des Präsidenten

Macron hat sich schon mehrfach aus schwierigen Situationen herausmanövriert– etwa nach der Gelbwestenkrise oder nach den Protesten gegen die Rentenreform. Einen Rücktritt hat er mehrfach ausgeschlossen. Allerdings lassen sich die Wähler immer weniger von seinen Versprechen überzeugen, dass er seinen Regierungsstil ändern werde.

Macron, der 2027 nicht wieder bei der Präsidentenwahl antreten kann, hat es bislang vermieden, einen möglichen Nachfolger aufzubauen. Die möglichen Kandidaten aus seinem eigenen Lager nutzten den kurzen Parlamentswahlkampf für eigene Zwecke: Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, Innenminister Gérald Darmanin und Ex-Premierminister Edouard Philippe gingen erkennbar auf Distanz zu Macron.

Aber vermutlich ist niemand so gut vorbereitet auf eine Präsidentenwahl wie die Rechtspopulistin Marine Le Pen, die bereits drei Präsidentschaftswahlkämpfe hinter sich hat und 2027 erneut antreten will. Sollte Macron ihr eines Tages die Amtsgeschäfte übertragen müssen, wäre er mit einem der wichtigsten Ziele seiner Amtszeit gescheitert: die Rechtspopulisten in Frankreich von der Macht fernzuhalten. (lm/afp)

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