Gegen Rechts: 1.400 Menschen beteiligen sich an Demo in Schongau
Schongau – ‚Nie wieder ist jetzt! Schongau ist bunt!‘ stand auf dem großen Banner, mit dem am Sonntag der Demonstrationszug rund um die Altstadt angeführt wurde.
Nachdem er am Wochenende zuvor bei der Demonstration gegen Rechtsextremismus und Rassismus in München dabei gewesen war, hatte Moritz Poppler gleich hernach eine Demo für Schongau angemeldet und diese mit einigen weiteren jungen Leuten vorbereitet. Als es um 14.30 Uhr losging, waren nach Einschätzung der Schongauer Polizei, die unter Leitung von Herbert Kieweg mit zehn Beamten den Demonstrationszug absicherte, etwa 1.400 Teilnehmer dabei. „Wir wollen hier friedlich zusammen demonstrieren“, sagte Poppler gleich zu Beginn. Dabei hätten Hassparolen nichts verloren.
Bei der Rede eines nach eigenen Worten nicht aus Schongau stammenden jungen Mannes, der dem Kreisboten seinen Namen nicht nennen wollte, nutzte dieser die Gelegenheit, sich nicht nur gegen Rechtsradikale und die AfD zu wenden, sondern auch gegen demokratische Parteien bis hin zum namentlichen Anprangern von Bundes- und Landespolitikern. Hernach fassten SPD-Bürgermeister Falk Sluyterman sowie Schongaus Grünen-Vorstandsmitglied, Stadt- und Kreisrätin Bettina Buresch im kleinen Gesprächskreis ihre Meinung zu diesem Beitrag zusammen: „Solche Beiträge wie eben helfen der AfD“, ließ Sluyterman ihn wissen. Schließlich müssten hier alle Demokraten zusammenhalten.
Nachdem der Demozug die Menschenschlange über das Ballenhaus, das Frauentor, den Frauentorweg, die Marktoberdorfer Straße, Bahnhofstraße und das Münztor wieder zurück zum Marienplatz führte, folgten weitere Reden.
„Stolz sein auf das, was wir aktiv mitgestalten können“
Dort sprach zuerst Stadtrat Tobias Fuhrmann (SPD). Er stellte die Frage, ob es gerechtfertigt sei, auf sein Heimatland stolz zu sein, wobei es scheine, „als wäre der Stolz auf die Herkunft eher ein Zufall“. Daher könne es doch viel sinnvoller sein, „stolz auf die Werte und Errungenschaften unseres Landes zu sein, die wir aktiv mitgestalten können“ und darauf zu achten, dass dieser Stolz auf Werten wie Toleranz, Respekt und Mitmenschlichkeit gründet.
Mit den Worten „Nie wieder ist jetzt“ leitete Stadträtin Esra Böse (Grüne) ein. Sie erinnerte an den tags zuvor, am 27. Januar, begangenen „Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus“. Angesichts schrecklicher Gräueltaten müsse man „für die Zukunft lernen“. Deshalb sei es wichtig, dass „wir alle“ den Rechtsruck stoppen und stetig „für respektvollen Umgang, Vielfältigkeit, Menschlichkeit, Solidarität“ und damit „gegen Fremdenfeindlichkeit, gegen Diskriminierung und gegen den Rechtsradikalismus“ kämpfen. Über 75 Nationen formten die Schongauer Gesellschaft und machten die Stadt bunt.
Auch Stadtrat Greogar Schuppe bezeichnete die Demo als „wirklich wichtig“. An AfD-Wähler gerichtet sagte er: „Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber“. Mit dem Hinweis, dass er nicht der Meinung ist, dass „im Bundestag rassistische Gesetze verabschiedet werden“, distanzierte er sich ausdrücklich von der ersten Rede des Tages. Ein Hinweis, der sehr viel Applaus erntete.„Entweder gehen Sie oder ich“, sagte er in aller Entschiedenheit, als hernach ein Schild mit einer Aufschrift, die eine demokratische Partei mit der AfD in eine Ecke stellt, in Rednernähe platziert wurde.
„Wie lange muss man in einem Land leben, um sagen zu können, ‚ich gehöre dazu‘? Wie lange, um sagen zu können, ich bin Bürger dieses Landes?“ Diese Frage stelle sie sich immer wieder, sagte Hava Sirin von der türkisch-islamischen Gemeinde Schongau. „Die Geschehnisse der letzten Monate und jüngst die Entlarvung über das Gemeintreffen von Politikern“ haben in ihren Augen „das Fass zum Überlaufen gebracht“. Die Idee, Millionen Menschen, die zum Wohlstand des Landes beigetragen haben, abzuschieben, lasse offen zutage treten, was die beteiligten Populisten wirklich wollen – nämlich „zurück in die dunklen Zeiten, zurück in die Zeiten des Rassenwahns“. Gemeinsam stehe man für eine Welt, in der Hass und Extremismus keinen Raum finden.
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„Die Welt ist bunt, Gott sei Dank“
„Die Welt ist bunt, Gott sei Dank“, ließ hernach die evangelische Pfarrerin Julia Steller wissen. Seit fast 20 Jahren sei dies die Überschrift der evangelischen Jugend in Bayern, um „gegen Rassismus, gegen Extremismus, gegen Rechtsradikalität und Fremdenhass einzutreten“. Weiter sagte sie: „Hass ist keine Meinung, keine Haltung und Hass ist erst recht keine Lösung“. Vielmehr sei Vielfalt eine Bereicherung und Freiheit kostbar.
Felix Schimke-Klubuk war gekommen, um sich an die Teilnehmer zu wenden. Er war vor zehn Jahren in die Ukraine gezogen und vor zwei Jahren mit seiner Frau Myroslava des damaligen russischen Einmarschs wegen nach Weilheim gekommen, weil er dort schon vor Jahren eine Wohnung gekauft hatte, die er zwischenzeitig als WG vermietete. Es lag ihm am Herzen „ein paar Dinge, die uns hier widerfahren sind“ zu erzählen.
„Gesellschaft und Demokratie durch Extremismus bedroht“
Eine der Bewohnerinnen war dunkelhäutig, woraufhin Anwohner gerichtlich versucht hätten, „durchzusetzen, dass ich an ‚normale Menschen‘ vermieten müsse“. Eine Rechtsauffassung, die das Landgericht natürlich nicht teilte. Schockierend sei es für ihn trotzdem gewesen, „dass jemand ernsthaft versucht, ein derart rassistisches Menschenbild gerichtlich durchzusetzen“. Auch habe der Erfolg vor Gericht das Ganze nicht beendet und Diffamierungen und Drohungen seien ungehindert fortgesetzt worden. Als eine Zahnärztin aus dem Jemen eine Bleibe suchte, seien die Diffamierungen im Haus erneut losgegangen und „gipfelten zuletzt in einem Hakenkreuz, welches an die Tür geschmiert wurde“. Trotz sofortigen Entfernens war es „am nächsten Tag wieder da“. Und als Schimke-Klubik eine Ausstellung für jüdisch-bayerische Kunst machen wollte, habe er diese nicht eröffnen können, weil ihm dies nach „zwei eingeschmissenen Scheiben und einer rechtswidrigen Schmiererei an der Hauswand“ zu riskant erschien. In Folge sei es nach dem Aushang einiger Fotodrucke entsprechender Kunstwerke in einem Geschäft zu erneuten Sachbeschädigungen und antisemitische Parolen gekommen. Mittlerweile seien es aber nicht mehr nur einzelne Personen, welche durch Extremismus bedroht werden, sondern die gesamte Gesellschaft und die Demokratie selbst. Der Krieg in der Ukraine habe ihn gelehrt, „dass jeder der nicht mein Feind ist, eigentlich mein Freund ist“, egal welche Meinungsverschiedenheiten man sonst habe.