„Wissen, wo wir ihn einsetzen werden“: Ukraine will Türkei bei Kampfjet-Entwicklung unterstützen
Die Türkei und die Ukraine verbindet eine enge Zusammenarbeit in der Verteidigungsindustrie. Auch beim türkischen Kampfjet soll es Kooperation geben.
Ankara – Die Türkei stellt in der Verteidigungsindustrie immer ambitioniertere Projekte auf. Die Betonung der Regierung von Staatschef Recep Tayyip Erdogan liegt dabei auf der heimischen Produktion und somit Unabhängigkeit vor anderen Ländern. Es geht um ballistische Raketen, gepanzerte Fahrzeuge, Panzer, Kriegsschiffe, Drohnen – und nun auch Kampfjets. Dabei soll mit der Ukraine kooperiert werden, besonders beim Motor. Dies bestätigte der ukrainische Botschafter in Ankara.
Türkei und Ukraine wollen bei „KAAN“ zusammenarbeiten: Türkischer Kampfjet soll bald fliegen
Insbesondere mit Drohnen, aber auch weiteren Projekten, gehört die Türkei weltweit zu den wichtigsten Herstellern von Verteidigungsprodukten. Mit dem Kampfjet „KAAN“ vom staatlichen Luftfahrtkonzern TAI/TUSAS will das Land der eigenen Position einen weiteren, kräftigen Schub verpassen. Das Projekt läuft schon seit mehreren Jahren: Mitte 2023 wurde zum ersten Mal der Motor gestartet und der türkische Flieger legte mehrere Meter auf dem Boden zurück.
Noch ist der erste richtige Flug nicht absolviert, doch so wie es aussieht, gibt es schon Kunden für den Kampfjet. In einem Interview mit dem Sender CNN Türk sagte der ukrainische Botschafter in Ankara, Vasyl Bodnar, die Ukraine sei am Flieger interessiert und wolle sogar helfen. „Ukrainische Teams setzen ihre Arbeit für das Triebwerk der KAAN fort, sie arbeiten am Projekt“, sagte Bodnar dem Sender.
Bei der Zusammenarbeit handle es sich dabei nicht um eine neue Idee: „Die Gespräche hatten schon vor dem Ukraine-Krieg angefangen.“ Ukrainische Konzerne hätten Erfahrung mit der Produktion von Triebwerken. Der Botschafter verwies auf gute Partnerschaftserfahrungen zwischen den beiden Ländern und die schnelle Produktionskapazität der ukrainischen Industrie für den türkischen Flieger. „Wenn wir es schaffen, zu verhindern, dass sich Drittparteien aus dem Osten oder Westen einmischen, dann können wir eine wichtige gemeinsame Macht in der Region werden“, erklärte Bodnar begeistert.
Ukraine will türkischen Kampfjet bestellen: „Werden es nicht nur kaufen, sondern einsetzen“
In die Prototypen und die ersten Kampfjets aus Serienproduktion will die Türkei amerikanische GE-F110-Triebwerke einbauen. Im Land und besonders bei Oppositionsanhängern sorgt das für Kritik und lässt Zweifel am heimischen Charakter des Fliegers aufkommen. Es handle sich nur um eine Montage ausländischer Teile, so die Kritiker. Die Gegenseite erwidert, dass es in der Verteidigungs- und auch zivilen Industrie der modernen Welt durchaus normal ist, dass mehrere Länder gemeinsam arbeiten. Schließlich hätten die USA die F-35 auch nicht alleine produziert, heißt es.
Die Ukraine wartet jedenfalls auf den Tag, an dem das Land den Flieger bestellen kann. Auf die Frage, ob die Ukraine den Kampfjet kaufen werde, antwortete Bodnar: „Wir werden ihn nicht nur kaufen, wir werden ihn auch einsetzen. Und wir wissen schon, wo wir ihn einsetzen werden.“ Aus der Ukraine heißt es immer wieder, mit einer starken Luftflotte könne man Russland und Kreml-Chef Wladimir Putin entschieden abschrecken.
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Triebwerk-Hürde für türkischen Kampfjet: Triebwerke aus den USA oder der Ukraine als Übergangslösung
Allerdings muss sich die Ukraine noch gedulden, zumindest für den türkischen Kampfjet. Denn nach erfolgreichen Bodentest sollte der erste Flug eigentlich schon am 27. Dezember 2023 erfolgen, doch er wurde verschoben. Ein neues Datum ist nicht bekannt. Die Vermutung: Erdogan will den ersten Flug der „KAAN“ kurz vor den Regionalwahlen am 31. März sehen und so Werbung für sich als Mann der großen Fortschritte machen. Der Flieger ist schon montiert, hat einen Motor und kann sich auf dem Boden bewegen, doch bevor der erste Flug erledigt ist, ist nichts sicher.
Selbst wenn „KAAN“ den ersten Flug hinter sich hat, müssen noch mehrere Jahre vergehen und tausende Tests gemacht werden, bis der Kampfjet ausgereift genug für echte Einsätze ist. Nachdem die Türkei wegen des Einkaufs des russischen Luftabwehrsystems S-400 aus dem F-35-Programm geflogen war, investierte das Land sehr viel in dieses Projekt. Dass nun tatsächlich ein erster Prototyp steht, macht vielen Menschen Hoffnung. Für das eigene Image hofft natürlich auch Erdogan auf einen Erfolg des Fliegers.
Nach wie vor ist das Triebwerk bei vielen türkischen Luftfahrprojekten eine Hürde. Die TAI/TUSAS-Tochterfirma TEI produziert schon Triebwerke für ballistische Raketen und Motoren für Panzer sowie gepanzerte Fahrzeuge. Es gibt auch bereits sehr fortgeschrittene Projekte für Kampfjet-Triebwerke. Bis auch sie fertiggestellt und reif genug sind, braucht es allerdings ebenfalls noch ein paar Jahre. Diese Zeit will die Türkei mit amerikanischen - oder eben ukrainischen - Triebwerken überbrücken.
Türkische Drohnen „Verteidiger ukrainischen Territoriums“: Sie sollen in der Ukraine produziert werden
An der Drohnenfront geht es jedenfalls viel schneller voran. Zuletzt wurde die Tarnkappendrohne „Anka-3“ enthüllt, eine Antwort des staatlichen Konzerns TAI/TUSAS auf die „Kizilelma“ von Baykar, dem Konzern von Erdogans Schwiegersohn Selcuk Bayraktar. Beide hatten schon ihre ersten erfolgreichen Flüge und gehen bald in Serienproduktion, um zuerst der türkischen Armee geliefert und später auch exportiert zu werden. Die Liste der türkischen Drohnen ist lang: Die berühmte Bayraktar TB2, die TB3, Akinci, Kizilelma, Anka, Aksungur, Göksungur, Kamikaze-Drohnen wie die Kargu und mehr.
Von der TB2 profitierte nicht nur die türkische Armee in Syrien, Irak und Libyen, sondern auch die Ukraine gegen Putins Truppen zu Beginn des Angriffskrieges des Kreml. Dutzende Aufnahmen zeigen, wie die TB2 russische Fahrzeuge und Versammlungen von Soldaten attackieren und ausschalten. „Es ist eine sehr wichtige Dimension unserer Zusammenarbeit“, sagte Botschafter Bodnar gegenüber CNN Türk. Die TB2 sei als „Verteidiger des ukrainischen Territoriums“ sehr populär unter der Bevölkerung.
Tatsächlich wurden von Soldaten Lieder für die türkische Drohne komponiert, es gab Plüschspielzeuge der TB2, Radiosender mit dem Namen und T-Shirts. „Eltern gaben ihren Kindern sogar den Namen Bayraktar“, sagte Bodnar. Der türkische Konzern Baykar baut in der Ukraine jetzt auch eine Produktions- und Reparaturstätte. Dort sollen Drohnen für die ukrainische Armee sowohl produziert als auch gewartet werden. Es werde aber geheim gehalten, wann die Anlage, die schon aufgebaut wird, betriebsbereit sein werde, so Bodnar. (bb)