Bei jeder Erwähnung von Hubert Aiwanger gab‘s Buh-Rufe

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Zum Fototermin stellten sich die rund 300 Demonstranten vor dem Bohrturm auf. © Manfred Ellenberger

Zu einer Demonstration gegen die acht Tage zuvor begonnene Probegasbohrung in Reichling hatten am Samstag die Klimabewegung Fridays for Future, Greenpeace, der Bund Naturschutz und die Bürgerinitiative Reichling-Ludenhausen zum Bohrturm eingeladen. Rund 300 Besucher hörten auch Deutschlands bekannteste Klimaaktivistin.

Reichling - Der Bund Naturschutz hatte die Kundgebung gegen die fossile Gasförderung direkt am Bohrplatz organisiert. Waren bei der bisher letzten Groß-Demo im Mai noch 1200 Teilnehmer gekommen, waren es am Samstag laut Veranstalter 450, laut Polizei, die von einer störungsfreien Veranstaltung sprach, rund 300. Sprecher Florian Kaiser sagte, die damalige Veranstaltung sei von langer Hand vorbereitet worden, da habe man „sogar Busse organisiert“. Aufgrund der am 8. August begonnenen Probebohrungen habe jetzt „alles kurzfristig geplant“ werden müssen.

Begleitet von musikalischen Zwischentönen des Ostallgäuer Musikers Tom Hauser, zeigten sich Birgit Ertl und Claudia Danner von der Bürgerinitiative Reichling-Ludenhausen „erschüttert“ darüber, dass mit den Probebohrungen ohne vorherige Information der Regierung von Oberbayern begonnen wurde. Es dauerte fast drei Tage, bis die offizielle Mitteilung auf Anfrage bestätigt wurde. „Wir machen uns Sorgen um unser Trinkwasser, unsere Natur und das Klima“, erklärten beide. Und sie wollen von der Politik ernst genommen werden und dass „diese Bohrung sofort gestoppt wird.“

Demo in Reichling: Intakte Natur als Menschenrecht

Für Julika Selinger-Schreiber (Bund Naturschutz) steht der Bohrturm für eine Politik der Ausbeutung der Natur, der Ressourcen und auch der Menschen. Jede Erwähnung von Bayerns Wirtschaftsministers Hubert Aiwanger, der dies „alles noch stoppen“ könne, animierte die Demonstranten zu lauten Buuh-Rufen, was über die gesamte fast zweistündige Veranstaltung so blieb. Und dessen Name fiel oft.

Dem Unternehmen Genexco mit dem kanadischen Investor MCF ginge es nur ums Verdienen. Wenn die Förderung von Gas beantragt werde, „werden wir klagen“, ließ Selinger-Schreiber durchblicken. Der Internationale Gerichtshof (IGF) als global höchstes Gericht habe erst kürzlich bestätigt, dass intakte Natur ein Menschenrecht sei. Regierungen, die neue Lizenzen für Gas- und Ölfelder vergeben oder fossile Rohstoffe subventionieren, könnten damit gegen internationales Recht verstoßen.

„Fossile Irsinns-Projekt“

Danach zeigte sich Marvin Lüben von Greenpeace wütend darüber, dass sich fossile Konzerne und Politiker einfach so über andere Menschen hinwegsetzten und „ihren zerstörerischen Bohrturm“ aufbauen, um Erdgas zu fördern. Auch er verwies auf die Gefahren für Trinkwasser, Natur und Klima. Der Bohrturm sei nun zwar da, aber „längst nicht alles verloren“, denn neben dem Reichlinger Gemeinderat hätten sich auch die Gemeinden im Umland und der Landsberger Landrat gegen Erdgasbohrungen ausgesprochen. Landwirte würden mit ihren Grundstücken einen „Schutzring um den Bohrplatz“ bilden. Und wegen zahlreicher Verzögerungen bettele der kanadische Investor gerade bei Minister Aiwanger um eine Konzessionsverlängerung. Der aber solle sich endlich auf die Seite der Menschen stellen und „dieses fossile Irrsinns-Projekt beerdigen“.

Klimaaktivistin Luisa Neubauer von „Fridays for Future“ war zum Gas-Protest nach Reichling gekommen.
Klimaaktivistin Luisa Neubauer von Fridays for Future war zum Gas-Protest nach Reichling gekommen. © Manfred Ellenberger

Mit Luisa Neubauer von Fridays for Future war auch die bekannteste deutsche Klimaaktivistin nach Reichling gekommen und wandte sich mit ihrer bemerkenswert freien Rede an alle. Darin forderte sie den Stopp neuer Erdgas-Projekte und einen bundesweiten Gas-Ausstieg. Und sie rief Aiwanger dazu auf, landesrechtlichen Spielraum für Klimaschutz zu nutzen. In jedem Moment, in dem „wir uns gegen diesen fossilen Wahnsinn wehren“, wehre man sich auch für viele andere Menschen und die Natur.

Als Beispiel nannte sie eine Konferenz in Berlin, wo sie den Klimaminister von Vanuatu, einem aus vielen Inseln bestehenden Staat im Südpazifik, „der über die vollständige Evakuierung nachdenken muss“, kennengelernt habe. Der könnte Dinge wie in Reichling nicht fassen. Und wie es ein Land „mit so vielen wirtschaftlichen, technologischen und demokratischen Möglichkeiten“ es wage, im Jahr 2025 den roten Teppich für Gaskonzerne auszurollen.

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