Während die Politik um einen Frieden im Ukraine-Krieg ringt, gehen die Kämpfe unvermindert weiter. Russland rückt an mehreren Frontabschnitten vor.
Kiew – Im Ukraine-Krieg machen russische Truppen an mehreren Frontabschnitten Fortschritte, vor allem im Osten der Ukraine. In der Region Donezk rücken sie eigenen Angaben zufolge etwa auf Städte wie Pokrowsk und Myrnohrad sowie im Bereich Kostjantyniwka-Druschkiwka vor. Bestätigt sind laut dem aktuellen Bericht der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) Geländegewinne bei Huljaipole. Dabei setzen die russischen Streitkräfte vor allem auf Luft- und Drohnenangriffe gegen ukrainische Nachschubwege – insbesondere im Raum Charkiw sowie an der Grenze zwischen den Oblasten Saporischschja und Dnipropetrowsk.
Am Wochenende hatten russische Raketen zudem einen Staudamm bei Petschenihy im Gebiet Charkiw beschädigt und damit eine wichtige Nachschubroute für die ukrainische Armee unterbrochen. Die Straße über den Staudamm von Petschenihy sei gesperrt, schrieb der Bürgermeister des Ortes, Olexander Gussarow, am Sonntag auf Telegram. Der Damm staut den Fluss Siwerskyj Donez und verbindet mehrere Frontabschnitte, darunter Woltschansk, Welykyj Burluk und Kupjansk – Regionen, in denen ukrainische Truppen stark unter Druck stehen. Russisches Ziel ist es laut ISW, „die gesamte Oblast Donezk [...] einnehmen und in die Oblast Dnipropetrowsk vorrücken.“
Ukraine-Krieg: Kämpfe um Pokrowsk gehen weiter:
Während der russische Präsident Wladimir Putin bereits vergangene Woche verkündete, Pokrowsk sei eingenommen, können Militärexperten das im Lagebild nicht erkennen. In einzelnen Stadtteilen Pokrowsk werde noch gekämpft und Zufahrtswege in den Raum östlich von Pokrowsk seien nach wie vor offen, betonte etwa der ehemalige Nato-General Erhard Bühler in seinem Podcast „Was tun, Herr General?“.
Man könne also noch nicht sagen, dass die Stadt von Russland insgesamt kontrolliert werde, „was aber durchaus in den nächsten Tagen passieren kann“, so der Ex-General weiter. Pokrowsk ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt und logistisches Zentrum für die ukrainischen Streitkräfte im Donbass. Nach Einschätzung der ISW-Expertin Angelica Evans würde die Einnahme des Verteidigungsgürtels Russland der vollständigen Kontrolle über den Donbass näherbringen.
Russlands Fortschritte: „Drei gegen dreißig“
Die Fortschritte Russlands sind insgesamt schleppend und mit großen Verlusten an Personal und Material verbunden. Besonders in Myrnohrad setzt Putin offenbar auf personelle Übermacht. Ein in der Region stationierter Unteroffizier kommentierte gegenüber der niederländischen Zeitung Der Morgen: „Wenn wir drei Mann haben, haben sie dreißig. Ihre Mannstärke ist unglaublich.“ „Aber“, so Oleh Voitsekhovskyi weiter, „sie haben auch nicht damit gerechnet, dass wir uns so lange wehren würden.“
Zuletzt kamen Putins Truppen allerdings immer schneller voran. Laut DeepState, einer ukrainischen Analyseplattform, eroberte Russland im November rund 505 Quadratkilometer ukrainischen Territoriums – fast doppelt so viel wie im Oktober. Die russischen Truppen hätten derzeit die Oberhand, bestätigte auch Emil Kastehelmi, Militäranalyst der finnischen Black Bird Group, im Gespräch mit Der Morgen „Die Zukunft sieht für die Ukraine wirklich düster aus“, so der Analyst weiter. „Ich sehe keinen klaren Ausweg.“
Indes werden Lösungen auf diplomatischer Ebene gesucht. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reist nach Gesprächen mit US-Vertretern in Florida nun wieder nach Europa, um am Montag (8. Dezember) in London mit Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), dem britischen Premierminister Keir Starmer und dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron zusammenzukommen. Dabei soll es um die Bemühungen zur Beendigung des Ukraine-Kriegs gehen. Grundlage ist der US-Vorschlag eines „Friedensplans“. (Quellen: dpa, AFP, MDR, ISW, DeepState, Der Morgen, Mitteilung auf Telegram) (bme)