Flugticket: Endstation Flughafen - Was tun, wenn der Flieger nicht fliegt
Welche Entschädigung es bei einer Flugverspätung gibt, hängt laut der Fluggastrechte-Verordnung der Europäischen Union (EU) von der Flugstrecke und der Verspätungsdauer ab. Kommt der Flieger mehr als drei Stunden zu spät an, hat man auf einer Kurzstrecke Anspruch auf 250 Euro Entschädigung. Bei Mittelstreckenflügen bis zu 3500 Kilometer können Passagiere bis zu 400 Euro zurückbekommen. Und bei Flügen über 3.500 Kilometer erhält man sogar 600 Euro.
Was die Fluggesellschaft vor Ort anbieten muss
Abhängig von der Flugstrecke und der Dauer der Abflugverspätung muss die Fluggesellschaft vor Ort für eine angemessene Verpflegung sorgen und es möglich machen, dass wartende oder gestrandete Passagiere zweimal kostenlos telefonieren können. Wenn die Wartezeit auf die nächste Flugverbindung sehr lange dauert, muss die Fluggesellschaft sogar ein Hotelzimmer zum Übernachten bereitstellen. Ich rate davon ab, sich auf eigene Faust eine Unterkunft zu suchen. Vielmehr sollte das Angebot der Airline angenommen werden, da man ansonsten auf den Kosten für das selbst gewählte Hotelzimmer sitzen bleiben könnte.
Über Tobias Klingelhöfer
Tobias Klingelhöfer ist Rechtsanwalt und seit vielen Jahren als Rechtsexperte für die ARAG tätig. Als Gastkolumnist für FOCUS Online informiert er Verbraucher über ihre Rechte und Pflichten in verschiedenen Lebenssituationen.
Wann Sie die Reise abbrechen dürfen
Was man vielleicht ebenfalls wissen sollte: Bei einer Verspätung von mehr als fünf Stunden kann der Passagier die Reise abbrechen. Dann hat man Anspruch auf eine Erstattung des Ticketpreises innerhalb von sieben Tagen und gegebenenfalls auf einen kostenlosen Rückflug zum Startflughafen.
Wahlmöglichkeiten für die Fluggesellschaft
Wird ein Flug von der Fluggesellschaft gestrichen, muss die Airline zunächst die Wahl zwischen diversen Möglichkeiten anbieten: Einen Flug, der zeitlich nah an der gebuchten Abflugzeit liegt. Auch in dem Fall muss die Airline für Verpflegung, Möglichkeiten zur Telekommunikation und gegebenenfalls eine Unterkunft sorgen. Weitere Varianten wären ein Flug zu einem späteren Datum oder die Erstattung des Ticketpreises.
Daneben kann es eine – gegebenenfalls hälftig gekürzte – pauschale Ausgleichszahlung geben. Aber hier wird es oft kompliziert. Um Entschädigungszahlungen zu umgehen, berufen sich die Airlines in vielen Fällen auf außergewöhnliche Umstände. Aber nicht jeder Grund ist gerechtfertigt. Gerne angeführt, aber rechtlich nicht gültig, sind zum Beispiel technische Probleme oder die Erkrankung eines Piloten. Auch das Wetter kann, muss aber kein außergewöhnlicher Umstand sein: Wird beispielsweise der Flug gecancelt, weil im Winter starker Schneefall in München herrscht, ist dies kein außergewöhnlicher Umstand und die Chancen auf eine Entschädigung sind groß. Liegen aber zum Beispiel Unwetterwarnungen vor, mit denen im Normalfall nicht zu rechnen ist, muss wahrscheinlich keine Entschädigung gezahlt werden. Auch Personalmangel bei der Gepäckabfertigung am Flughafen und eine dadurch entstehende Verspätung des Fluges können ein außergewöhnlicher Umstand sein, so dass Passagieren nicht automatisch eine Entschädigung zusteht (Europäischer Gerichtshof (EuGH), Az.: C-405/23).
Gibt es Geld oder nicht?
Ob Fluggäste bei einer Flugstreichung eine Ausgleichszahlung erhalten, ist davon abhängig, ob sie rechtzeitig über die Annullierung informiert wurden und ob ein zeitnaher Alternativflug angeboten wurde. Erfahren Reisende erst am Flughafen von der Annullierung und dem Ersatzflug, sind in der Regel Ausgleichszahlungen drin. Um für die Forderung und gegebenenfalls Einsprüche seitens der Fluggesellschaft vorbereitet zu sein, rate ich die Anzeigetafel am Flughafen zu fotografieren, um alles zu dokumentieren. Auch Zeugen, die die Flugstreichung bestätigen, sind hilfreich.
Flug überbucht? Vorsicht!
Bei überbuchten Flügen und Angeboten zur Kompensation rate ich zur Vorsicht. Oft werden Gutscheine oder Bargeld für einen späteren Flug angeboten. Wer solch ein Angebot der Airline annimmt, stimmt automatisch auch einem freiwilligen Beförderungsverzicht zu. Damit ist dann eine spätere finanzielle Entschädigung ausgeschlossen. Nur wer das Angebot nicht annimmt, hat später dieselben Anrechte auf alternative Angebote, Rücktritt, angemessene Verpflegung und finanzielle Entschädigung wie bei einer Verspätung oder einem Ausfall des Fluges.
Übrigens: Fluggastrechte bei Verspätungen oder Annullierungen können noch bis zu drei Jahre später geltend gemacht werden.
Ein Streik im öffentlichen Dienst ist höhere Gewalt
Ein Streik ist dagegen rein rechtlich höhere Gewalt – zumindest dann, wenn Beschäftigte des öffentlichen Dienstes streiken. Streiken allerdings die Piloten oder die Airline-Angestellten, hat man laut einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) durchaus Anspruch auf Entschädigung (Az.: C-28/20). Streikt das Personal des öffentlichen Dienstes, müssen die Airlines bei internationalen Flügen allerdings versuchen, einen anderen Flug zum gebuchten Zielort zu besorgen. Das kann aber bedeuten, dass Passagiere auch einen Umweg und Zwischenstopp in Kauf nehmen müssen oder dass sie auf andere Fluggesellschaften umgebucht werden, sofern dort noch Plätze frei sind. Bei bestreikten innerdeutschen Flügen können Passagiere zudem auf Züge der Deutschen Bahn umsteigen. Die Tickets können am Check-in-Automaten in einen Reisegutschein umgewandelt werden.
3 Wege: So setzen Sie Ihre Rechte durch
Um Fluggastrechte gegenüber der Fluggesellschaft durchzusetzen, haben Passagiere drei Möglichkeiten: Den Gang zum Anwalt, die Beauftragung eines auf Fluggastrechte spezialisierten privaten Unternehmens und den Gang zu einer öffentlichen Schlichtungsstelle.
Der Gang zum Rechtsanwalt ist auch bei der Durchsetzung von Fluggastrechten der Klassiker – der allerdings zunächst mit Kosten verbunden ist: Das Honorar für einen Juristen bezahlen Betroffene selbst. Erst nach einem erfolgreichen Gerichtsverfahren muss die Gegenseite diese Kosten zusätzlich zur Entschädigung zurückzahlen. Sollten Kläger vor Gericht unterliegen, bleiben sie auf den Kosten sitzen.
Wer kein Risiko eingehen will, kann ein privates Unternehmen für das Einfordern seiner Rechte beauftragen. Private Dienstleister vertreten Reisende gegenüber den Airlines – und falls die Klage scheitert, tragen sie die Kosten für das Verfahren. Allerdings übernehmen private Inkassodienste gerne nur Erfolg versprechende Fälle. Die Bezahlung erfolgt in der Regel auf Provisionsbasis, prozentual zur ausgezahlten Entschädigung.
Eine öffentliche Schlichtungsstelle ist kostenlos und bietet Fluggästen die Chance auf eine Entschädigungszahlung ohne Abzüge. Voraussetzung: Reisende müssen zunächst versuchen, ihre Ansprüche direkt bei der Fluggesellschaft geltend zu machen. Gelangen sie daraufhin zwei Monate lang nicht zu einem zufriedenstellenden Ergebnis, können sie sich an die Schlichtungsstelle wenden.
Tücken einer Schlichtung
Die Schlichtung ist ein freiwilliges Verfahren beider Parteien. Das Ergebnis ist rechtlich nicht bindend. Wenn eine der beiden Seiten unzufrieden ist, kann sie noch immer ein Zivilverfahren anstrengen. Ich weise allerdings darauf hin, dass die Schlichtungsstelle nicht den Auftrag hat, die Ansprüche der Fluggäste zu vertreten. Sie arbeitet neutral und kann daher auch zu einem für Fluggäste ungünstigen Urteil kommen.
Alles dokumentieren und Unterlagen aufbewahren
Egal, welchen Weg man wählt, es ist wichtig alle Unterlagen aufzubewahren, die mit den Unannehmlichkeiten zusammenhängen: Von der Buchungsbestätigung bis hin zu Restaurant- oder Hotelquittungen müssen Reisende alle Kosten dokumentieren, um ihre Fluggastrechte durchzusetzen.