Das Landratsamt sucht händeringend nach Wohnraum, um die dem Landkreis zugeteilten Flüchtlinge und Asylbewerber unterzubringen. Ein geeignetes Objekt in der Gemeinde Blaichach wurde vor wenigen Monaten angemietet. Offenbar ist das Haus doch nicht der „Glücksfall“ für die Kreisverwaltung, denn sofort regte sich Protest – von Bürgerinnen und Bürgern der Kommune, und auch speziell aus dem betroffenen Ort Gunzesried.
Gunzesried-Säge/Blaichach – Der Gemeinderat befasste sich zuletzt mit dem beantragten Bürgerbegehren der örtlichen Initiative und einer parallel dazu laufenden Petition an den Bayerischen Landtag. „Dass das von uns geforderte Bürgerbegehren abgewiesen würde, war uns von Anfang an klar“, räumte Ute Jungmann, eine der Initiatoren in der jüngsten Gemeinderatssitzung, ein. Es sei vor allem darum gegangen, Aufmerksamkeit zu erzeugen. Und das ist offenbar gelungen. In nur wenigen Tagen kamen mehr als 400 Unterschriften für ein mögliches Bürgerbegehren zusammen – weit über das Gunzesrieder Tal und Blaichach hinaus.
Bürger aus dem Ort Gunzesried-Säge protestieren gegen geplante Asylunterkunft dort
Auch die Liste der Petition füllte sich rasch. Im Ort herrscht allgemein Kopfschütteln über die Wahl des Standorts der zukünftigen Unterkunft im Ortsteil Gunzesried-Säge, ein kleines Dorf mit rund 40 Erstwohnsitzen und ein wichtiger Tourismusstandort im Landkreis. Die Immobilie, die bislang als Zentrum und Unterkunft eines Naturerlebnis- und OutdoorsportAnbieters genutzt worden war, sei nicht geeignet, als Flüchtlingsunterkunft für 45 Personen zu dienen.
Objekt und Standort widersprächen allen geltenden Anforderungen für eine derartige Nutzung. Weder gebe es die erforderlichen Einrichtungen einer Infrastruktur vor Ort, noch seien solche zumindest erreichbar. Zudem seien Integrationsmöglichkeiten an diesem Standort „eines abgelegenen Bergdorfes“ kaum möglich. Die Anbindung des Tales an den regionalen öffentlichen Personennahverkehr sei nur „sehr gering“, heißt es in der ausführlichen Begründung der Initiative weiter. Ob eine Anmietung für den beabsichtigten Zweck hier sinnvoll und notwendig sei, müssen noch einmal überprüft werden.
Anwohner erfuhren erst Mitte März von der geplanten Asylunterkunft
Auch im Gemeinderat herrscht Einigkeit: so geht es nicht. Die Karten auf dem Tisch lagen für die Anwohner - also die Öffentlichkeit - tatsächlich erst Mitte März. Zwar war der Kommune die Absicht der Kreisverwaltung, den sogenannten „Heubethof“ als Flüchtlingsunterkunft anzumieten, schon länger bekannt. Allerdings habe man zunächst einvernehmlich Stillschweigen vereinbart, erklärte Bürgermeister Christof Endreß in der öffentlichen Sitzung des Gemeinderats zur Vorgeschichte.
Die Gemeinde habe überdies ihre Hausaufgaben gemacht und alle in Betracht kommende Objekte in kommunalem Besitz auf eine mögliche Nutzung als Flüchtlingsunterkunft überprüft. „Kein Standort im Gemeindebereich erwies sich als bestens geeignet“, so der Bürgermeister zum Ergebnis. Auch speziell zum „Heubethof“ habe man das Landratsamt darüber informiert, dass auch dieser Standort nicht geeignet sei. Eine Information, so das Übereinkommen von Gemeinde und Landkreis, solle erst etwa drei Wochen vor der tatsächlichen Nutzung erfolgen.
Das war dann prompt der Startschuss für die Initiative. Ein beabsichtigtes Bürgerbegehren auf den Weg zu bringen, fiel allerdings trotz der zahlreichen Unterschriften gegen das Projekt, nicht auf fruchtbaren Boden. Ausschlaggebendes Kriterium ist, dass das Vorhaben nicht „im eigenen Wirkungskreis der Gemeinde“ geplant ist, erklärte Bürgermeister Endreß. Zuständig für die Unterbringung von Flüchtlingen ist der Landkreis. Dem Auftrag der Kreisverwaltung, Unterkünfte zur Verfügung zu stellen, müsse die Kommune ihren Möglichkeiten entsprechend nachkommen. Konkret für Blaichach gesprochen, habe man bereits rund 80 Personen unterbringen können. Um die geforderte Anzahl von 2 Prozent der Einwohnerzahl zu erreichen, sollten es 110 Plätze im Gemeindegebiet sein. Beklagt wurde – vor rund 50 anwesenden Vertretern der Initiative – aus den Fraktionen im Gemeinderat, dass offenbar kein Vertreter der Kreisverwaltung zugegen sei. Man habe ahnen können, „dass es da hinten schiefläuft“, so Gemeinderat Christian Neuert (CSU).
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Entscheid zur Petition über Asylunterkünfte in Gunzesried-Säge abwarten
Wenn ein Bürgerbegehren wie in diesem Fall ins Leere laufe, sei nun der „einzig richtige Schritt, alle legitimen Mittel zu nutzen und eine Petition auf den Weg zu bringen“, forderte Gemeinderat Dieter Lochbihler (Freie Wähler). Und diese Petition dürfe jedes Ratsmitglied unterschreiben. Sein Fraktionskollege Markus Metzler ergänzte, die Petition sei als „ein Signal“ zu betrachten, dass man mit dem Vorgehen nicht einverstanden sei. Wohin die „Reise“ jetzt gehen könnte, skizzierte Christian Neuert: Man solle sich gleich an den Allgäuer Landtagsabgeordneten Joachim Konrad als Mitglied des Petitionsausschusses wenden. Das sei bereits passiert, sagte Bürgermeister Endreß; der Abgeordnete wolle sich „der Sache annehmen“. Der Gemeinderat sprach sich schließlich einhellig gegen die Befassung mit dem Bürgerbegehren aus, befürwortete allerdings eine Petition, verbunden mit der Forderung, von einer Belegung des Heubethofs zunächst abzusehen, bis ein Entscheid zur Petition vorliege.
Bekannte Vorbehalte gegen geplante Asylunterkünfte im Oberallgäu
Eine etwas andere Sichtweise hat die Kreisverwaltung. Neu seien die Vorbehalte gegen die Anmietung von Unterkünften für Geflüchtete nicht, räumt das Landratsamt Oberallgäu in einer Pressemitteilung ein. Oft hätten diese durch Gespräche mit den direkt Betroffenen, sowie durch „transparente Darlegung“ der Maßnahmen abgebaut und das Verständnis für die Notwendigkeit der Unterbringung gestärkt werden, heißt es in einer Stellungnahme zu den aktuellen Bedenken. „Das Landratsamt nimmt die Sorgen und Bedenken der Bürgerinnen und Bürger in Blaichach sehr ernst“, unterstreicht Landrätin Indra Baier-Müller. Gleichzeitig stehe man „vor der großen Herausforderung“, Geflüchtete angemessen unterzubringen. „Die Belegung von Asylunterkünften erfolgt stets unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten und in enger Abstimmung mit den Gemeinden.“
Die Entscheidung, den Standort in Gunzesried-Säge zu nutzen, sei nicht leichtfertig getroffen worden. Auch dass dieser Standort aus Sicht der Kommune nicht für optimal erachtet werde, sei der Behörde bewusst. Der Gemeinderat habe „angesichts fehlender Alternativen“ einer befristeten Nutzung zugestimmt und dabei begleitende Maßnahmen eingefordert. Dem werde die Behörde nachkommen. Des weiteren soll eine enge Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Asyl erfolgen. „Wir weisen den Vorwurf entschieden zurück, dass das Landratsamt nicht rechtzeitig und korrekt informiert habe“, unterstreicht Landrätin Indra Baier-Müller weiter. Im Anschluss an einen zustimmenden Beschluss und Abstimmung mit der Gemeinde, seien am 12. März die Anwohner informiert, sowie eine Information im gemeindlichen Informationsblatt veröffentlicht worden.
Geplante Asylunterkunft in Gunzesried-Säge soll ins örtliche Umfeld passen
Die Belegung des Heubethofes soll so gestaltet werden, dass sie bestmöglich in das örtliche Umfeld passt, ergänzt die Landrätin. Vorrangig soll es dabei um Personen gehen, die größtenteils mobil sind und eine Arbeitsstelle haben. Geplant sei, ein bis zwei Familien aus anderen Unterkünften nach Blaichach umzuverteilen; im Idealfall ukrainische Familien. Generell herrsche im Landkreis auch bei rückläufigen Zuweisungszahlen eine noch immer „angespannte Unterbringungssituation“, stellt die Kreisverwaltung fest.
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