Ein ungelöstes DFB-Rätsel und ein Torwart, der seinen Verein ziemlich doof aussehen lässt

Das Final Four der Nations League verlief enttäuschend für die deutsche Nationalmannschaft: zwei Spiele, zwei Niederlagen, nur Platz 4 – ein erheblicher Dämpfer in Richtung WM.

Gewinner und Verlierer der DFB-Spiele

Dennoch steht es bei weitem nicht so schlecht um das DFB-Team, wie es viele Schwarzmaler nun glauben machen wollen. Dies hat vor allem die erste Hälfte gegen Frankreich gezeigt. Im Kader von Bundestrainer Julian Nagelsmann haben sich bei diesem Länderspiel-Doppelpack vier Gewinner hervorgetan – aber auch vier Verlierer.

Macht sich Barca im Fall ter Stegen zum dümmsten Verein der Welt?

Marc-André ter Stegen: Nagelsmann ließ vor den Spielen keine Zweifel daran, wer seine klare Nummer eins ist. Doch gerade als Marc-André ter Stegen im DFB-Team endlich am Ziel seiner Träume angekommen ist, kommen wilde Gerüchte aus Barcelona.

Dort will Barca seinen langjährigen Keeper und Kapitän, übereinstimmenden Medienberichten zufolge, wohl loswerden. Ter Stegen fiel den Großteil der Saison verletzungsbedingt aus, nun soll ein jüngerer Schlussmann her.

Dass dies ein großer Fehler wäre, hat der 33-Jährige in beiden Spielen gegen Portugal und Frankreich eindrucksvoll unter Beweis gestellt.

Im Halbfinale zeigte er nach anfänglichen Unsicherheiten mit dem Ball am Fuß zwei Weltklasse-Paraden kurz vor Schluss. Gegen Frankreich war er trotz der 0:2-Niederlage der beste Mann auf dem Feld und hielt seine Mannschaft mit sechs sensationellen Glanztaten lange im Spiel.

Sollte Barca ter Stegen wirklich loswerden wollen, wären die Katalanen – trotz aller Erfolge – wahrlich der dümmste Verein der Welt.

Woltemade patzt, aber ist trotzdem ein DFB-Gewinner

Nick Woltemade: Viele Chancen, keine Tore, trotzdem ein Gewinner. Nick Woltemade hat in den beiden Spielen Eindruck hinterlassen und gezeigt, dass er für die Zukunft ein fester Bestandteil der A-Nationalmannschaft sein sollte.

Für den Stürmer geht es nun nach der Nations League mit der U21 zur Europameisterschaft. In der Slowakei könnte er seine Nachwuchskarriere mit einem Titel krönen.

David Raum, Nick Woltemade und Marc-André ter Stegen
David Raum, Nick Woltemade und Marc-André ter Stegen Imago

Woltemade bringt Elemente in das deutsche Angriffsspiel ein, über die bisher kein anderer Spieler im Kader verfügt. Mit seinen 1,98 Metern ist er eine wuchtige Waffe vor dem Tor – und trotz dieser Körpergröße ist er auch ein feiner Fußballer.

Dadurch eröffnen sich Nagelsmann mehrere Optionen. Er kann Woltemade als einzigen Stürmer bringen oder aber mit einem zusätzlichen, „echten“ Neuner wie Niclas Füllkrug und Tim Kleindienst kombinieren.

Adeyemi überholt Sané und Gnabry

Karim Adeyemi: Der BVB-Star durfte gegen Frankreich überraschend von Beginn an ran und zeigte einen engagierten Auftritt. Adeyemi war im deutschen Angriffsspiel direkt ein aktiver Posten, unfassbar fleißig und kämpferisch. Schon gegen Portugal kam er spät ins Spiel und sorgte mit einem Pfostenschuss für eines der wenigen Offensivhighlights.

In Richtung WM sind hinter der Spitze Jamal Musiala und Florian Wirtz gesetzt. Auch der derzeit verletzte Kai Havertz gehört unter Nagelsmann in die Startelf. Dahinter müssen sich jedoch einige Stars als erste Alternative empfehlen.

Adeyemi hat sich hier insbesondere im Vergleich zu den Bayern-Stars Leroy Sané und Serge Gnabry hervorgetan. Ein Gewinner des Länderspiel-Doppelpacks.

Robin Koch: Antonio Rüdiger und Nico Schlotterbeck fehlten verletzungsbedingt, also war die zweite Reihe in der Innenverteidigung gefragt. Während Jonathan Tah die Rolle des Abwehrchefs übernahm, war die Position daneben lange offen.

Gegen Portugal durften in der Dreierkette Waldemar Anton und Koch zusammen mit Tah ran. In dem wackeligen Defensivspiel zeigte allerdings nur Koch eine solide Leistung. So durfte er auch gegen Frankreich in der Viererkette neben Tah spielen – Anton blieb über 90 Minuten auf der Bank.

Kochs Auftritt war bis zur Szene vorm 0:2, als er und Tah sich schlecht absprochen hatten, sehr abgeklärt. Der Frankfurter hat sich für höhere Aufgaben empfohlen und ist in der internen Hierarchie gestiegen. Dennoch wird er, wenn Rüdiger und Schlotterbeck zurückkehren, wieder in die zweite Reihe rücken müssen.

DFB-Verlierer: Not-Defensive wackelt im Final Four

Waldemar Anton: Während Koch zu den Gewinnern zählt, hat Anton den Zweikampf um Innenverteidiger Nummer 4 verloren. Gegen Frankreich musste der ehemalige Stuttgarter in seinem einstigen Zuhause für 90 Minuten auf der Bank Platz nehmen.

Ein Rückschlag für Anton, der nach der Nicht-Berücksichtigung für die März-Spiele gegen Italien dank der vielen Defensiv-Ausfälle wieder mit dabei war.

Der BVB-Star muss in der kommenden Saison beim BVB – und am besten schon bei der anstehenden Klub-WM in den USA – seine zuletzt gute Form weiter bestätigen und sich als klarer Stammverteidiger etablieren.

Robin Koch und Jonathan Tah knöpfen sich Frankreichs Lucas Hernandez vor
Robin Koch und Jonathan Tah knöpfen sich Frankreichs Lucas Hernandez vor Imago

Jonathan Tah: Aber auch Tah zählt zu den Verlierern. Der neue Bayern-Star war als klarer Abwehrchef gefragt, konnte diese große Verantwortung aber nicht stemmen.

Gegen Portugal war er ein großer Unsicherheitsfaktor und einer der schwächsten Spieler auf dem Feld. Im Spiel um Platz drei zeigte er sich zwar deutlich verbessert, war aber beim 0:2 wieder nicht derjenige, der die klare Ansage in Richtung Koch machte.

Der 29-Jährige will mit seinem Bayern-Wechsel den nächsten Schritt gehen und sich auch für die Nationalelf unverzichtbar machen. Die beiden Spiele haben seine Stellung aber eher geschwächt – am Status von Rüdiger kann er nicht rütteln, und Schlotterbeck sitzt ihm weiter dicht im Nacken.

Robin Gosens: Ein weiterer Verlierer in der instabilen deutschen Abwehr. Gosens kam im Halbfinale nach einer Stunde rein. Eine Szene später glich die Seleção wegen eines Gosens-Fehlers aus. Ein fataler Auftritt.

Auf der linken Abwehrseite sind Maximilian Mittelstädt (in der Dreierkette) oder David Raum (in der Viererkette) gesetzt, der Florentiner konnte sich als echte Alternative nicht empfehlen. Gegen Frankreich wurde er nicht mehr berücksichtigt.

Sollte sich einer der jungen U21-Außenverteidiger (Lucas Ullrich, Nathaniel Brown, Nnamdi Collins) bald aufdrängen, gilt Gosens als erster Streichkandidat.

Das Rätsel Sané bleibt ungeklärt

Leroy Sané: Die ewige Frage, wie gut Leroy Sané wirklich ist, konnte der (Noch-)Bayern-Star im Final Four erneut nicht beantworten. Nach einem blassen Auftritt gegen Portugal schmorte der 29-Jährige gegen Frankreich 90 Minuten auf der Bank.

Ein Empfehlungsschreiben für einen Mega-Vertrag bei den Bayern oder einem europäischen Topclub war das nicht. Wohin führt nun die Reise von Sané? Das ist auf Club- wie Nationalmannschaftsebene völlig offen.

Unter Nagelsmann hat er nun jedoch Kredit verloren. Adeyemi hat mehr Eindruck hinterlassen, und Serge Gnabry durfte immerhin noch gegen die Franzosen ran – auch wenn er genauso wenig überzeugen konnte.

Ein Startelfkandidat ist Sané, sobald das Team in Bestbesetzung ist, nicht mehr.