FOCUS online in den USA - Bürgermiliz spürt Flüchtlinge an US-Grenze auf - und geht kurz vor Wahl in Deckung

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Screenshot: Scripps News Drei Bürgermilizionäre suchen schwerbewaffnet und eigene Faust illegale Flüchtlinge an der Grenze Arizonas zu Mexiko.

In den USA gibt es diverse Bürgermilizen, die schwer bewaffnet und auf eigene Faust illegale Flüchtlinge abfangen. Ein Schwerpunkt ist die Südgrenze von Arizona. FOCUS online wollte Tim Foley, Chef einer der bekanntesten Grenz-Milizen, vor Ort treffen. Seine Absage lässt tief blicken.

Tarnuniformen mit einheitlichen Abzeichen, Schutzwesten, Pistolen im Holster, halbautomatische Gewehre im Anschlag: Seit 2011 patrouilliert an Arizonas Grenze zu Mexiko die „Arizona Border Recon“, die „Grenzaufklärung von Arizona“.

In der Gegend von Arivaca rund eine Autostunde südwestlich von Tucson entfernt, spüren kleine Trupps schwerbewaffneter Männer verdächtigen Fußspuren im Wüstensand nach, stellen illegale Flüchtlinge an Lücken im Grenzzaun oder im Gelände, halten sie in Schach und melden sie der US-Grenzpolizei. Oder sie drängen sie einfach wieder über die Grenze nach Mexiko zurück.

„Ohne eine Grenze hat man kein Land. Also haben wir gerade kein Land“, sagte Tim Foley, Gründer der „Arizona Border Recon“ (AZBR), Keegan Hamilton, einem Reporter der Los Angeles Times.

Hamilton hatte um den Jahreswechsel herum, als der Grenzabschnitt im Süden von Tucson der Hotspot der USA für illegale Grenzübertritte war, die Truppe mit einem Filmtrupp von Scripps News ein paar Tage lang begleitet. 2,4 Millionen illegale Einwanderungen registrierten die US-Behörden entlang der über 3100 Kilometer langen Grenze mit Mexiko allein 2023.

Leitet seit 2011 die Bürgermiliz Arizona Border Recon: Tim Foley.
Screenshot: Scripps News Leitet seit 2011 die Bürgermiliz "Arizona Border Recon": Tim Foley.
 

Wenn Flüchtlinge Foleys bewaffneten Trupp sehen, denken sie an US-Soldaten

Wenn Flüchtlinge diesen Männern plötzlich in der Wüste gegenüberstehen und auf die Waffen blicken, dürften die meisten vermutlich denken, dass sie einer Spezialeinheit der Zoll- oder Grenzschutzbehörden in die Arme gelaufen sind.

Doch das ist nicht so.

Denn bei der „AZBR“ handelt es sich um eine selbst ernannte Bürgermiliz, die in eigenem Auftrag ohne jedes staatliche Mandat mit tödlichen Waffen die Grenzregion nach illegalen Flüchtlingen und Drogendealern durchkämmt. Die „Profis“ sollen Ex-Militärs, einstige Strafverfolgungsbeamte und ehemalige Sicherheitsdienst-Mitarbeiter sein.

„In Partnerschaft mit der Zoll- und Grenzschutzbehörde der Vereinigten Staaten“ steht zwar auf der Homepage der Gruppe. Doch ist das eher ein Wunsch als Realität. Denn Mitarbeiter der Zoll- und Grenzschutzbehörden verneinen gegenüber Hamilton eine solche Partnerschaft. „Wir sind zwar dankbar, wenn wir Hinweise aus der Bevölkerung bekommen. Aber Personen festzuhalten, das sollte man uns überlassen“, sagte ein Grenzbeamter dem Reporter der L.A. Times.

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„Liberaler Handlanger, der versucht hat, einen Artikel über uns zu schreiben“

Die knapp 22-minütige Videoreportage gefiel Foley offenbar nicht, wohl weil darin auch Kritiker zu Wort kommen. Eine Anfrage von FOCUS online für ein Treffen in Arivaca lehnte Foley schriftlich ab. Begründung: „Tut mir leid, ich mache keine Medienarbeit bis irgendwann nach der Wahl.“ Und Keegan sei ein „liberaler Handlanger“, der versucht habe, einen Artikel über „AZBR“ zu schreiben.

Als weiteres Beispiel erwähnt Foley auch noch den „Spiegel“. Und spielt damit auf den Fall von Claas Relotius an, dem einstigen Star-Reporter des Magazins, der vor einigen Jahren eine Reportage über „AZBR“ mit zahlreichen Zitaten geschrieben hatte, ohne die Gruppe je getroffen oder mit irgendjemandem gesprochen zu haben, was den „Spiegel“ damals in eine schwere Krise stürzte.

Zelte von Migranten stehen im Flussbett auf der US-amerikanischen Seite der US-mexikanischen Grenze.
Christian Chavez/AP Zelte von Migranten stehen im Flussbett auf der US-amerikanischen Seite der US-mexikanischen Grenze.
 

Miliz-Anführer beruft sich bei Gründung seiner Truppe auf US-Verfassung

Foley, laut Keegan Hamilton ein ehemaliger Bauarbeiter Mitte 50, beruft sich für die Gründung seines Trupps auf die Verfassung der Vereinigten Staaten. Auf die Frage, ob eine bewaffnete Patrouille an der Grenze zu Mexiko ohne öffentliches Mandat nicht als „extremistisch“ einzustufen sei, antwortete Foley: „Wenn es extrem ist, vom Sofa aufzustehen und etwas zu tun, ja, dann sind wir Extremisten. Die Verfassung gibt uns das Recht, dass wir uns selbst schützen können, wenn die Regierung es nicht kann. Und genau das machen wir.“

Das Wort „Miliz“ gefällt dem „AZBR“-Chef nicht. Dass offizielle Regierungsstellen nichts mit ihnen zu tun haben wollten, liegt seiner Meinung nach nur an der „Art und Weise, wie linksgerichtete Medien uns porträtieren“, glaubt Foley.

Wassertanks, die Flüchtlinge vor dem Wüstentod bewahren sollen, werden zerschossen

Hilfsorganisationen wie „Human Borders“ sehen das allerdings ganz anders. Sie deponieren in dem Wüstenabschnitt von Arivaca regelmäßig größere Wassertanks, gekennzeichnet mit blauen Fahnen an langen Stangen, um so die Gefahr des Verdurstens der illegalen Einwanderer zu verringern. „Bei den Kontrollen finden wir die Tanks oft zerschossen oder mit Messern zerstört“, sagte David Sarando aus Tucson Hamiltons Team.

Sarando befürchtet, dass Gruppen wie Foleys „AZBR“ umso gefährlicher würden, je länger sie frei an der Grenze ihre unautorisierte Arbeit fortführen würden. „Die Gewalt wird zunehmen, wenn diese Männer, die den Finger schnell am Abzug haben könnten, hier weiter ihre Armeespiele treiben können. Irgendwann könnten Leute dabei sterben“, befürchtet Sarando.

Offizielle Zahlen über gestorbene Flüchtlinge in der Wüste von Arizonas Grenzregion gibt es kaum, nur Pima County um Tucson führt eine Liste, die bis Juli laut Cronkite News 64 Fälle registrierte. Allerdings stehen die Fälle nicht in Zusammenhang mit verschiedenen Bürgermilizen, die in dem Gebiet operieren.

Bürgermiliz-Chef hat Kontakte zu Erstürmer des Kapitols

Foley bestreitet nach Angaben der L.A. Times, dass es offizielle Kontakte zu rechtsextremistischen oder verschwörungstheoretischen Gruppen wie „QAnon“ oder den „Proud Boys“ gebe. Allerdings soll der „AZBR“-Anführer bestätigt haben, dass er „mehrfach“ mit Stewart Rhodes, dem Anführer der „Oath Keepers“, gesprochen habe. Rhodes war im Mai 2023 in Zusammenhang mit dem Sturm auf das Kapitol, bei dem am 6. Januar 2021 fünf Menschen getötet wurden, wegen „heimtückischer Verschwörungen“ zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Auf die Frage von Keegan Hamilton, was er vom Sturm auf das Kapitol halte, antwortete Foley: „Ich war selbst da.“ Der Grund, warum die Menschen hingegangen seien, wäre gewesen, um „ihre Unzufriedenheit über die Nutzlosigkeit des Kongresses auszudrücken“.

Den Sturm des Kongresses, an dem er selbst nicht teilgenommen habe, nennt Foley „Falle“. Damit befindet er sich in bester Gesellschaft von Verschwörungstheoretikern und Trump-Fans, die hartnäckig daran glauben, das FBI habe, gesteuert von Demokraten, die Masse zum Sturm angestachelt, um Trump zu schaden. Eine hanebüchene These, für die es bis heute keine juristischen Beweise oder Anklagen gibt.

Für die andere Seite hingegen gab und gibt es hunderte Anklagen. Unter anderem auch gegen Ex-Präsident Donald Trump. Neben Wahlmanipulationen wird ihm vorgeworfen, einen rechten Mob seiner Anhängerschaft zum Sturm auf das Kapitol angestachelt zu haben.