Sandro Michel kämpft sich mit aller Kraft aus dem Abgrund zurück. Unverständnis zeigt er für die Verantwortlichen und die Staatsanwaltschaft Dresden.
München – Schwerste Verletzungen, ein mühseliger Weg zurück in die Normalität, und bittere Vorwürfe: Sandro Michel, Schweizer Bob-Anschieber und Bronzemedaillengewinner der WM 2023, blickt auf einen Horror-Unfall zurück, der ihn fast das Leben kostete. Zehn Monate nach dem dramatischen Sturz im Eiskanal von Altenberg rechnet der 28-jährige Wintersport-Star, der sich heute auf dem Weg der Besserung befindet, mit den Verantwortlichen ab und schildert in erschütternden Details die Folgen seines Sturzes.
Wintersport-Star erhebt nach Horror-Sturz schwere Vorwürfe
Ein Rückblick: Der Schweizer Athlet, ein Weltklasse-Anschieber, erlitt schwere Verletzungen, als sein Bob (210 Kilogramm) am unheilvollen 13. Februar 2024 in Kurve 13 umkippte und ihn auf das Eis schleuderte. Er zog sich eine 35 x 50 Zentimeter große klaffende Wunde am rechten Oberschenkel zu, wobei sein Bein nur noch an Muskeln und Haut hing.
„Das Problem war, dass mich der Schlitten wohl mit einer Kante erwischte, die mich dann komplett aufgerissen hat“, erklärt der leiderprobte und tapfere 28-Jährige gegenüber der Sport Bild und ergänzt: „Das sieht man sonst nur im Krieg. Das Bein war fast ab! Es hing nur noch an Haut und Muskelsträngen. Mein Glück war nur, dass Nerven und Blutbahnen nicht beschädigt waren, weil diese auf der Innenseite des Beins liegen.“
Der Aufprall führte außerdem zu 14 Rippenbrüchen, einer ausgekugelten Hüfte, einem gebrochenen Schulterblatt und abgerissenen Brustmuskeln. Michels Lunge musste aufgrund innerer Blutungen direkt auf der Bahn intubiert werden.
Sandro Michel: Mehrere Operationen, Rollstuhl, Reha
Michel unterzog sich drei Operationen in Dresden und einer weiteren in der Schweiz. Die ersten vier Wochen nach der Operation verbrachte er ausschließlich im Bett, bevor er mit Hilfe eines Rollstuhls, Krücken und schließlich eines Spazierstocks wieder mobil wurde.
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Seine Genesung umfasste einen erheblichen Gewichtsverlust (17 kg, hauptsächlich Muskelmasse) und eine intensive Rehabilitation. Er benötigt derzeit noch einen Stock für längere Strecken, gewinnt aber in der Physiotherapie stetig an Kraft zurück und hat sogar wieder mit dem Gewichtheben begonnen, verriet der Schweizer der Sport Bild.
Bob-Ass Michel wirft Verantwortlichen Fahrlässigkeit vor
Aber der physische Schmerz ist nicht das Einzige, was Michel quält. Er wirft den Verantwortlichen grobe Fahrlässigkeit vor und fragt sich, weshalb es keine Maßnahmen gab, um ein Zurücksetzen des Schlittens zu verhindern. Vor allem die mangelnde Reaktion nach einem vorhergehenden Sturz des Teams von Johannes Lochner, am Morgen desselben Tages, der Sandro Michels Leben prägte, schmerzt ihn besonders.
„Danach hätte man direkt reagieren müssen. Das ist mein größter Kritikpunkt“, sagt Michel gegenüber dem oben genannten Blatt. „Dass man nichts änderte, finde ich sehr schwach. Es hätten zwei, drei Leute gereicht, die mich aus der Bahn genommen hätten, oder einer, der sich um den Schlitten gekümmert hätte.“
Nach Schwerstverletzungen in Altenberg: Kein Verständnis für Staatsanwaltschaft
Auch die Einstellung der Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft Dresden, die den Vorfall als Unfall ohne Fahrlässigkeit einstufte, empfindet er als ungerecht: „Sie befragten mich einen Tag nach dem Unfall. An den Inhalt der Befragung erinnere ich mich bis heute nicht. Was ich da aussagte, kann man eh nicht richtig werten. Da schloss man den Fall, ohne mich richtig im Nachhinein zu befragen.“
Michel blickt zwar mit Zuversicht auf die Zukunft, kämpft sich zurück ins Leben, träumt sogar von den Olympischen Winterspielen, aber das Trauma und die schwerwiegenden Vorwürfe gegen die Verantwortlichen bleiben. Auch Michels Pilot, Michael Vogt, äußerte bereits gegenüber dem SRF seine Besorgnis und kritisierte die mangelnden Sicherheitsmaßnahmen. Die Frage nach der Verantwortung bleibt. Auch Ein für die kanadische Skirennfahrerin Stefanie Fleckenstein änderte sich das Leben nach einem dramatischen Sturz radikal. (chnnn)