Wut über Faeser-Entscheidung zu Grenzkontrollen: „Absolut fahrlässig“

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Nach Zahlen des Bundesinnenministeriums sind während der EM Tausende unerlaubte Einreisen unterbunden worden. (Archivbild) © Patrick Pleul/dpa

Nach der Europameisterschaft sollen nun die Kontrollen an den deutschen Außengrenzen wieder heruntergefahren werden. Aus der Union kommt Kritik.

Berlin – Trotz zahlreicher Fahndungserfolge will Bundesinnenministerin Nancy Faeser nach der Europameisterschaft die Grenzkontrollen wieder einstellen. Dabei sind die Zahlen durchaus beachtlich: Vom 7. Juni bis zum 15. Juli seien 1112 Haftbefehle vollstreckt und rund 8300 unerlaubte Einreisen registriert worden, teilte Faeser mit. Insgesamt ziehen die Sicherheitsbehörden eine positive Bilanz.

Die Sicherheitsmaßnahmen hätten in allen Bereichen gewirkt, teilte Faeser dazu mit. „Es gab deutlich weniger Sicherheitsvorfälle und Straftaten, als unsere Sicherheitsbehörden bei einem Ereignis mit vielen Millionen Menschen vorher erwartet hatten. Dafür war vor allem die sehr hohe Polizeipräsenz überall im Land entscheidend.“

Grenzkontrollen sollen auslaufen: „Polizei hat geliefert“

„Unsere Polizei hat geliefert“, lobte auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul. „Dass die Europameisterschaft größtenteils friedlich verlief, war eine Teamleistung aller Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes, gemeinsam mit unseren internationalen Kolleginnen und Kollegen.“ NRW hatte die EM-Vorbereitung für die Bundesländer koordiniert.

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Mit dem Ende der vorübergehend verschärften Kontrollen an den deutschen Außengrenzen erhält die Debatte über langfristige Checks nun neuen Schwung. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst sprach sich am Dienstag grundsätzlich für offene Grenzen sowie „punktuelle“ und „intelligente“ Kontrollen aus. „Wer für Pendler, Reisende, Händler und Unternehmen das hohe Gut der europäischen Freizügigkeit bewahren will, muss die Grenzen für Schleuser, Drogenschmuggler und Automatensprenger so undurchdringlich machen wie irgend möglich“, sagte Wüst dem Kölner Stadt-Anzeiger. Wer das Europa der offenen Grenzen erhalten wolle, „muss den Verbrechern, die es ausnutzen wollen, gezielt und entschlossen entgegentreten“.

Nach EM sollen Grenzkontrollen auslaufen: Kritik aus der Union

Teile der Union kritisierten Faesers Kurs scharf. Der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Alexander Throm, sagte gegenüber Focus Online: „Die Sicherheitslage macht es notwendig, dass Deutschland seine Grenzen auch über die Fußball-EM hinaus schützt.“ Die Innenministerin könne sich nicht für den Erfolg der Kontrollen feiern und gleichzeitig den Schutz auslaufen lassen.

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder warnte vor einem Auslaufen der Maßnahmen. Denn das wäre, so Söder, „ein Bruch des Versprechens des Bundeskanzlers, den Schutz Deutschlands voranzubringen“. Für den ehemaligen Bundesverkehrsminister und aktuellen CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ist die Nichtverlängerung „absolut fahrlässig“.

Söder und Merz fordern Bundesregierung auf, Grenzkontrollen fortzusetzen

In einem Gastbeitrag in der Bild erklärten Söder und CDU-Chef Friedrich Merz gemeinsam: „Ein Europa der offenen Grenzen gelingt nur mit einem Europa der sicheren Grenzen.“ Und weiter: „Wir fordern die Bundesregierung auf: Die Kontrollen an allen deutschen Staatsgrenzen müssen fortgesetzt werden.“ Die Bundesregierung müsse den Sicherheitskräften die Möglichkeit geben, „ihre erfolgreiche Arbeit fortzusetzen“. Ansonsten werde sich die Sicherheitslage „massiv verschlechtern“.

Skeptisch äußerten sich hingegen die Grünen. „Anlassbezogen sind Grenzkontrollen möglich, wie etwa jetzt bei der Fußball-Europameisterschaft. Es ist gut, dass da die letzten Wochen nichts passiert ist“, sagte Bundestagsfraktionsvize Konstantin von Notz den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.

Kontrollen an Außengrenzen: Teils größeres Polizeiaufkommen bis Ende des Jahres

Auch die Olympischen Spiele seien ein guter Grund, an den Grenzen genauer hinzugucken. „Auf lange Sicht sind stationäre Grenzkontrollen aber personell nicht zu leisten und widersprechen außerdem dem Grundverständnis der Freizügigkeit in der EU“, fuhr der Grünen-Politiker fort. Es gebe zudem effektivere Mittel der Kriminalitätsbekämpfung. „Die Schleierfahndung im grenznahen Raum ist eine davon“, sagte von Notz.

Die Kontrollen an allen deutschen Landesgrenzen hatten zum Ziel, die Sicherheit während der Europameisterschaft zu gewährleisten und sollen noch bis Freitag dauern. Zudem sollen auch die Kontrollen an der deutsch-französischen Grenze vor und während der Olympischen Spiele in Paris (26. Juli bis 11. August) aufrechterhalten werden. Die Kontrollen zu Polen, Tschechien, und der Schweiz gehen noch bis Dezember, die zu Österreich bis November. (fmü/dpa/afp)

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