Zum Ende spricht Bayerns Trainer letzten Satz über Sané - der sagt viel aus
Bei der letzten Pressekonferenz vor dem Klub-WM-Achtelfinale der Bayern gegen Flamengo Rio de Janeiro fragte ein Reporter keck nach der Gefühlswelt von Vincent Kompany: Welche Emotionen denn bei ihm, dem Trainer, das allerletzte Training und das womöglich allerletzte Pflichtspiel von Leroy Sané beim FC Bayern freisetzten? Kompany schaute kurz irritiert. Dann machte er ein erstaunliches Geständnis.
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„Sané saß noch lange alleine auf dem Trainingsplatz“
„Ich habe den ganzen Tag nicht daran gedacht“, gab er zu. Und dann: „Wenn Sie mich jetzt so fragen, erinnere ich mich, dass er heute noch lange alleine auf dem Trainingsplatz gesessen hat.“
Ich habe sein Statement so verstanden: Der Trennungsschmerz ist ziemlich einseitig. Die Bayern werden ihren launenhaften Flügelstürmer nicht vermissen. Auch ich weine ihm keine Träne nach.
Über Monate hatte Bayern ihm eine Vertragsverlängerung in Aussicht gestellt. Natürlich zu reduzierten Bezügen, weil bei Sané selten die Kosten-Nutzen-Rechnung aufging. Für ein zweistelliges Millionengehalt hatte er in den fünf Jahren beim FC Bayern 40 Tore in 152 Spielen geschossen. Das ist für einen, der ein unbestreitbar großes Talent hat, einfach zu wenig.
Fußballer verabschiedet sich von seinen Ambitionen
Als die Bayern leistungsgerecht bezahlen wollten, flüchtete Leroy Sané mithilfe des berüchtigten Spielerberaters Pini „Piranha“ Zahavi zu Galatasaray, in Istanbul werfen sie ihm das Geld hinterher. Das ist, da hat Mario Basler recht, ein gut bezahlter Abstieg in die Bedeutungslosigkeit. Wer als Fußballer im besten Alter (29) sowas macht, verabschiedet sich von allen Ambitionen.

Die Regelung zur Klub-WM sah jetzt so aus: Bis zum offiziellen Vertragsende am 30. Juni macht Leroy Sané noch mit bei Bayern und fängt dann am 1. Juli, mitten im Turnier, bei Galatasaray an. Man kann aus diesem Teilzeitmodell leicht Grundsätzliches ableiten: Sané beginnt was Neues und gut Bezahltes, bevor das Alte ordentlich abgeschlossen ist. So ist er halt.
Bayern wussten nicht, warum Guardiola Sané gehen ließ
Für mich der traurige Abschluss eines Missverständnisses. Ich kann mich noch gut erinnern, als Sané damals in München landete. Ich war zufällig zu einem Interview an der Säbener Straße und bekam die Aufregung mit, die mit seiner Verpflichtung verbunden war. Man dachte: Der Messias kommt. Sofort gingen die Trikots mit seinem Namen zentnerweise über den Ladentisch.
Aber als Leroy Sané 2020 kam, lieferten die Bayern keine zufriedenstellende Antwort auf die Frage: Warum ließ ihn Trainer Pep Guardiola bei Manchester City eigentlich gehen?
Der Flügelflitzer passte ja perfekt in dessen Tempofußball in der Premier League, war technisch versiert und hatte vier Jahre zuvor 52 Millionen Euro Ablöse (an Schalke 04) gekostet.
Irgendwie stellte sich die Frage auch deshalb nicht, weil die Bayern einfach happy waren, dass sie den Hochbegabten mit einem Abschlag bekommen hatten (angeblich für 49 Millionen Euro) und in München einen Sané-Boom auslösten. Die Leute mochten ihn: Sané war jung und schnell, modern und schick – das Versprechen auf eine große Zukunft.

Fünf Jahre später flog Sané wenige Tage vor dem letzten Bundesliga-Spiel durch die Weltgeschichte (in diesem Fall: nach Monaco) und informierte seinen Arbeitgeber nicht einmal darüber, dass er seine freie Zeit in der Luft verbringt. Und das, obwohl er zu diesem Zeitpunkt mitten in den Gesprächen über eine Vertragsverlängerung steckte.
Ihm war die Außenwirkung bei den Bayern gleichgültig
Die Petitesse verrät viel darüber, wie Sané seinen Beruf interpretiert. Tage zuvor hatte es böse Schlagzeilen gegeben, weil ein Dutzend Bayern-Spieler die Meisterschaft auf Ibiza gefeiert hatten. Spätestens dann sollte man als Profi doch sagen: Okay, verstanden, keine Angriffsfläche. Nicht so Sané.
Ihm war die Außenwirkung gleichgültig und ließ sich auf der Benefiz-Veranstaltung bei Thilo Kehrer sogar fotografieren. Sein Trainer Kompany – einer, der seine Spieler immer schützt – wurde auf der Pressekonferenz mit der Meldung vom Monaco-Ausflug konfrontiert und konnte nichts Erhellendes dazu sagen. Er stand blamiert da.
Sané war da, machte sein Ding, das war’s
War er sein Geld beim FC Bayern wert? Seine genannte Statistik beim FC Bayern darf man als mittelmäßig bezeichnen. Zumindest war er nie so prägend, wie vor ihm Franck Ribéry und Arjen Robben, die die Außenpositionen besetzt und Schlachten entschieden haben. Sané kam nie über den Status eines Mitläufers hinaus. Er war da, machte sein Ding, das war’s.
Die Nationalmannschaft kennt ihn nicht anders. Bei Turnieren, zuletzt bei der Heim-EM 2024, wartete man Spiel für Spiel darauf, dass der Knoten platzt und Sané die Welt ins Staunen versetzt. Das regte sogar Andreas Möller auf, der eigentlich Sané verstehen müsste. Nie wurde man bei Sané das Gefühl los, dass er denkt: Mich geht das alles nichts an. Und so spielt er dann auch.